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Die wöchentliche Jagd auf den Sechser
Am 9. Oktober
1955, Punkt 16 Uhr, ging es los: Am Holstenwall in Hamburg zog
die zwölfjährige Elvira Hahn, ein Waisenkind, die sechs
Gewinnzahlen 3, 12, 13, 16, 23, 41. Mit der Dreizehn zuerst
startete der Traum vom großen Glück, den seitdem das deutsche
Zahlenlotto Woche für Woche in den Köpfen von Millionen
Lottospielerinnen und –spieler immer wieder neu entstehen lässt.
Die Lottospieler von 1955 hatten etwa 250 000 Tipps zu je 2 Mark
abgegeben. Eine bescheidene Spielsumme gemessen an den 102
Millionen Euro, den die Spielerinnen und Spieler im Jahr 2004
wöchentlich in die Kassen des deutschen Zahlenlottos 6 aus 49
spielten. Und allein mit dem Zahlenlotto setzt der Deutsche
Lotto- und Totoblock etwa 5 Milliarden Euro im Jahr um.
Drei
Monate nach der ersten Hamburger Ziehung begann man in der DDR
mit Sportfest-Toto 6 aus 49 ein ziemlich ähnliches Zahlenspiel,
das aber - vor allem nach der Einführung von Tele-Lotto im Jahr
1972 - immer eine Nebenrolle spielte.
1986 passte sich das 1982 mit der Spielformel 7 aus 38
eingeführte Mittwochs-Lotto dem System 6 aus 49 an. Seit
Dezember 1995 gibt es auch beim Mittwochs-Lotto die Superzahl,
und Anfang Dezember 2000 fusionierten beide Spiele zu einem
einzigen Spiel, dessen Zahlen an zwei Ziehungstagen gezogen
werden, und dabei geht es mittlerweile auch um den gemeinsamen
Jackpot. Seit der Wiedervereinigung und der Einstellung der
DDR-Lottoarten ist Lotto 6 aus 49 auch unter den neuen
Bundesbürgern die beliebteste Spielart.
Von den inzwischen mehr als fünf Milliarden Euro, die der
Deutsche Lotto- und Totoblock jedes Jahr allein beim Zahlenlotto
umsetzt, fließt die Hälfte als Gewinne an die Teilnehmer zurück.
Der Traum vom großen Millionengewinn der die Menschen seit
über 50 Jahren Wochenende für Wochenende, und später noch
Mittwoch für Mittwoch in die Annahmestellen zieht, ist in diesen
langen Jahren schon für ein paar Tausend Glückspilze in
Erfüllung gegangen: Über 4.100 Millionäre gab es schon zu
DM-Zeiten; seit der Währungsumstellung am 1. Januar 2002 kamen
inzwischen fast 300 Euro-Millionäre hinzu. Im Jubiläumsjahr 2005
glückte einem Lottospieler aus Baden-Württemberg der bisher
höchste Einzelgewinn. Mit seinem Tipp knackte er einen Jackpot
von rd. 24 Millionen Euro. Aber das Glücksspiel krönt nicht nur
einzelne Lottokönige. Lottospielen kommt nämlich auch
gemeinnützigen Zwecken zugute. Mit Hilfe von Konzessionsabgaben
und Lotteriesteuern konnten die Länder zahlreiche soziale
Aufgaben erfüllen. Zudem sichern die 16 Zentralen und rund
25.000 Annahme- und Verkaufsstellen der deutschen
Lotto-Gesellschaften die Arbeitsplätze von insgesamt 70.000
Mitarbeitern.
"Lotto hat sehr einfache Regeln,“ betont der Bremer
Glücksspielforscher und Psychologe, Professor Gerhard Meyer, "es
ist leicht verständlich, es ist das Spiel, bei dem man mit
geringem Einsatz sehr hohe Gewinne erzielen kann." Zudem rege es
schon im Vorfeld die Fantasie darüber an, was man mit einem
Millionengewinn machen könne. Und diese Fantasien halten
manchmal ein ganzes Wochenende lang.
Aber der Erfolg des Zahlenlottos hat auch Neider. Der
Spielautomatenbranche, die über rückläufige Umsätze klagt, ist
insbesondere das Jackpot-Fieber ein Dorn im Auge: "Wenn zehn
Millionen Euro im Lotto-Jackpot sind, gehen weniger Menschen zu
unseren Automaten."
Das Lottofieber ist trotz alledem irgendwie ein Rätsel. Denn
eigentlich ist das ganze Spiel ja hoffnungslos. Die Spielerinnen
und Spieler wissen das genau und spielen trotzdem weiter. Sie
verdrängen einfach, da können Mathematiker reden, was sie
wollen. Die Hoffnung stirbt eben zuletzt. Und die setzt oft
darauf, dass die Kenntnis von der Ziehungshäufigkeit der Zahlen,
die Gewinnchancen erhöhen könnte. Doch dies ist, wie vieles
andere, was den Lottohimmel verspricht, purer Hokuspokus. Denn:
Ganz gleich, welche Zahlen man tippt, die Chancen, einen großen
Gewinn zu bekommen, sind immer dieselben. "Die Kugeln wissen
nicht, ob sie in den vergangenen Wochen schon mal gezogen wurden
oder nicht", sagt Meyer. Nur eins geben die Statistiken her: Mit
Zahlen, die sonst fast niemand hat, mit denen sind hohe Quoten
garantiert. Das spricht gegen Zahlenreihen und Muster auf dem
Spielschein. Wer's nicht glaubte, musste sich dann schon mal
statt Millionen mit ein paar hunderttausend Euro begnügen, oder
wenn's ganz schlimm kam, mit noch weniger.
Süchtig macht Lotto, folgt man Gerhard Meyer, im Regelfall
wohl nicht. Das liege vor allem an dem lang gestreckten
Spielablauf, der ein geringeres Suchtpotenzial entwickeln könne
verglichen mit den anderen Glücksspielformen.
Franziska Reichenbacher, die jeden Samstag in der ARD die
Ziehung der Lottozahlen moderiert, hat eine ganz einfache
Erklärung für das Geheimnis des Lottofiebers: "Hier haben die
Menschen die einmalige Chance, ihr Leben noch einmal neu zu
beginnen." Und doch: Die Chancen für diese Chance sind
unvergleichbar gering: Für einen Sechser plus Superzahl liegen
sie laut Lotto Brandenburg bei 1 zu 139 838 160. Ohne Gewähr.
Carlo
Masnoka, www.teachsam.de,
14.12.05, zuletzt bearbeitet am:
29.01.2025
(Quelle: Presseerklärung des deutschen Toto- und Lottoblocks vom 6.
10.2005 und dpa-Pressebericht vom 7.10.05)
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Gert Egle. zuletzt bearbeitet am:
29.01.2025