Gert Egle gibt sich bei seinem Plädoyer für
die Einführung von Schuluniformen in manchem bedeckt. So hält er
Schuluniformen durchaus, darauf verweist auch der Titel des Kommentars,
für ein brauchbares Mittel, dem "Markenwahn" an den Schulen
entgegenzuwirken. Allerdings bleibt er weitgehend schuldig, warum dies
wirklich ein dringendes Problem an den Schulen darstellt.
In diesem Zusammenhang verweist er auf die in den Klassenzimmern
angeblich vorhandene "Klamottenkonkurrenz", die letzten Endes auch zu
einer Art "Markenmobbing" führe. Zugleich weiß er allerdings auch, dass
die Bedeutung von Marken für die Selbstdarstellung junger Menschen
längst nicht mehr auf die Markenkleidung beschränkt ist. Wenn andere
Objekte, wie z. B. Smartphones u. ä. mittlerweile eine weitaus größere
Bedeutung für den vom Autor beklagten "Markenwahn" haben, dann zeigt
sich doch darin, dass es ein aussichtloses Unterfangen ist, der
Bedeutung von Marken im Leben junger Leute dadurch beizukommen, dass man
sie in einer Art eigener "Schulmarke" uniformiert.
So gewinnt man den Eindruck, dass sich hinter der immer wieder mit
abwertenden Begriffen bezeichneten Identifizierung junger Leute mit
"ihren" Marken sowohl eine grundsätzliche Kritik des Autors an der
Bedeutung von Marken, als auch eine gewisse Abwertung der Jugendlichen
verbirgt, die einem solchen "Markenwahn" erliegen. In die gleiche
Richtung zielt auch sein Anführen von einzelnen Äußerungen, die davon
sprechen, dass Schule "keine Peepshow" sei und nicht als "Laufsteg mit
mehreren hundert Zuschauern" missbraucht werden dürfe.
Solange die Ausführungen des Autors um das Thema "Markenwahn" kreisen,
gewinnt man daher den Eindruck, dass der Autor seine eigenen
kulturkritischen Vorstellungen mit einem negativen Schülerbild als einem
bloßem Objekt der Werbung mit einander verknüpft. Dabei müsste er sich
sehr viel mehr mit der Bedeutung von Marken in allen anderen Bereichen
des Lebens befassen, ehe er sich auf die Jugendlichen als beinahe
"Markenidioten" einschießt. Marken gehören heute nämlich, ob man das nun
für gutheißt oder nicht, zu den für zahlreiche Menschen unverzichtbaren
Möglichkeiten, sich selbst darzustellen. Und dies gilt für Jugendliche,
die sich ja bekanntlich erst noch finden müssen, auf dem Weg zu ihrer
ganz eigenen Identität um so mehr.
Sicher gibt es Schülerinnen und Schüler, die die Nase voll haben von der
Klamottenkonkurrenz im Klassenzimmer, und wenn es Fälle gibt, die zur
Ausgrenzung von Mitschülern führen, die nicht über die "angesagten"
Kleidungsstücke verfügen, dann ist dies ein Problem. "Markenmobbing" ist
aber hier der falsche Begriff, denn nicht die Marken "mobben", sondern
bestimmte Personen, und die Gründe für Mobbing liegen in der Regel ganz
woanders.
Aber für den Autor erschöpft sich die Auseinandersetzung mit dem Thema
Schuluniformen nicht darin, ihre Bedeutung im Zusammenhang von
"Markenwahn und Markenmobing" aufzuzeigen.
Für ihn sprechen auch andere Argumente für die Einführung von
Schuluniformen ... |
Jugendliche von heute
begegnen dem Thema Schuluniformen dagegen sehr unvoreingenommen. "Ich
finde Schuluniformen eigentlich ganz gut", sagt zum Beispiel Martina Z.,
Schülerin auf dem Wirtschaftsgymnasium in Konstanz, "nur habe ich keine
Lust darauf, lauter altmodische Sachen anzuziehen." Das haben auch die
Schulen in Deutschland erkannt, die einheitliche Schulkleidung
eingeführt haben. Dort findet man keine langweiligen Uniformen ohne
jeden modischen Pepp, sondern macht den Schülerinnen und Schülern ein
breites Angebot von Kleidungsstücken, die in unterschiedlicher Weise
kombiniert werden können. Und häufig konnten sie über die Einführung von
Schuluniformen mitentscheiden und bei der Auswahl der Stoffe und
Textilien mitbestimmen.
Die Zugeständnisse an den modischen Zeitgeschmack müssen allerdings
bei Schuluniformen auch ihre Grenzen finden. "Die Schule ist keine
Peep-Show", sagt Dirk Vollkammer, Leiter des Internatsgymnasiums
Gaienhofen am Bodensee und fordert: "Bauchfreie Tops haben im Unterricht
nichts verloren." Wie Vollkammer glauben sogar auch andere Pädagogen
daran, mit einer einheitlichen Schulkleidung einer fortschreitenden
Sexualisierung der Mädchenmode entgegenwirken zu können. Auch wenn das
so formulierte Ziel vielleicht etwas zu ambitioniert klingt, es ist
nicht von der Hand zu weisen, dass Schuluniformen zumindest verhindern
könnten, dass die Schule als Laufsteg mit mehreren hundert Zuschauern
missbraucht wird. Und ein Weiteres ist mehr als ein bloßer Nebeneffekt:
"Wir wollen den Markenwahn, die Unterscheidung zwischen den »Chiemsee-
und Chevignon-Kindern« auf der einen und den »Aldi-Kindern« auf der
anderen Seite, unterbinden" sagt Dieter Landthaler, der Schulleiter
einer Realschule im oberbayerischen Haag. Und damit hat er zweifellos
recht, zumal viele Schülerinnen und Schüler, die Klamottenkonkurrenz im
Klassenzimmer selbst leid sind. Sie wollen sich ohne Diesel, Nike oder
anderen angesagten Labels auf ihrer Kleidung nämlich nicht mehr
minderwertig fühlen. Auch wenn, die Schule mit Schuluniformen dem
Markenwahn und Markenmobbing allein nicht nachhaltig entgegenwirken
kann, muss sie ihnen noch lange keinen Raum in ihren eigenen vier Wänden
geben!
Dabei sollte man auch nicht zuviel erwarten, Schuluniformen können
eben soziale Unterschiede zwischen den Schülerinnen und Schülern nicht
ausgleichen. Wer anderes behauptet, erzählt Märchen. In einer Zeit, in
der iPods, IPhones und iPads zur normalen Ausrüstung zahlreicher
moderner "Schulranzen" gehören, lohnt es nicht das Märchen
weiterzuerzählen. |