1 |
- Ohne Zweifel
bin ich in einem halben Jahr aus dem Gröbsten heraus,
sagte er, und aus selbstbewusst gekräuselten
Lippen, doppeldeutig, setzte er hinzu : Sie wissen ja,
was "das Gröbste" bei mir heißt.
- Nein. |
Direkte Rede/
Erzählerbericht
|
2 |
Sie unterdrückte ein Gähnen, blinzelte in die
schwitzende Luft: schwere, feuchte,
flimmernde Decke auf ihren Körpern, die im Sand
lagen.
Etwas beleidigt sagte er:
- Andere Leute
würden meine Situation nämlich nicht so bezeichnen. Es geht mir nicht
schlecht, wie Sie wissen, bald aber wirds mir noch besser gehen.
Andere Leute würden sagen: hervorragend. |
Erzählerbericht/
Direkte Rede
schwitzende Luft:
Personifikation
... flimmernde Decke:
Vergleich ohne "wie"/Metapher
-
Frau ahnt u.
U., worauf er nun hinauswill, gähnt aber!
-
weitere
Selbstdarstellungsversuche des Mannes
Ort: (Sand-)Strand
|
3 |
Grob und
hervorragend.
Kann er lachen außer
über seine Anspielungen?
Wird immer zufrieden sein in und mit sich selbst.
Sie wälzte sich auf die andere Seite, machte die
Augen ganz auf, betrachtete ihn mit genießerischem Unbehagen:
weich, gelblich-weiß, Kinderhaut. |
Innerer
Monolog
Erzählerbericht
-
Frau wendet
sich dem Mann zu, aber: genießerisches Unbehagen
-
negativ
besetzte Adjektive statt Erleben von Männlichkeit bei der
Betrachtung/Beschreibung des Mannes
|
4 |
Er saß im Sand, in kurzer
Hose und weißem Hemd, feingliedrig und klein. Sein Kopf,
schlecht behaart und empfindlich, zartviolett unter dem kärglichen
Bewuchs, war zu groß für den schmächtigen Leib, der
Mund formte feuchte bedächtige Worte, die Augen,
listig und verwundbar, sahen nach innen, durchstreiften die Gänge,
Treppen und Säle seiner zweistöckigen Privatschule. In der
rechten Hand drehte er einen Kugelschreiber. |
Erzählerbericht
-
Beschreibung
des Mannes lässt keinerlei Sympathie, geschweige denn Attraktivität,
Anziehung, Erotik erkennen
-
stattdessen
Marotte im Blickfeld: Kugelschreiber (1/4)
|
5 |
Sie sah weg, aufs Meer, fand
es beleidigend in seiner prätentiösen Färbung, so tiefes Blau,
so weiße Schaumkronen.
Ein
Mann umarmte ein Mädchen, küßte es nachdenklich. |
Erzählerbericht:
Nebenhandlung (NH) 1/5
|
6 |
Neben ihr, dicht an ihrem Auge, drehte sich der
blaue Kugelschreiber, meerfarben, ohne
Hast, in bleichgelben glatten Fingern.
Ihr
Scheidungsgrund? Sein
spitzzulaufender Zeigefinger.
- Alles in
allem steht es so, daß ich allmählich an eine gewisse Veränderung
meiner Lebensumstände denken könnte, sagte er
behutsam, selbstgefällig. |
Erzählerbericht/
Direkte Rede
Innerer
Monolog (nicht genau zuzuordnen)
-
spielt mit
dem Ehegedanken bzw. einer Scheidung: Anlass - spitzzulaufender
Zeigefinger!
-
spitzzulaufender Zeigerfinger (1/ 4)
-
Kugelschreiber (2/4)
= Scheidungsgrund (vgl. 6)
-
personaler
Erzähler kommentiert ("selbstgefällig")
|
7 |
- Sie sind
Säufer?
Seine verständnislose Antwort
drang an ihr Ohr.
- Sie wissen
doch, was ich meine, liebes Fräulein Mack, zelebrierte
er. Ich denke an etwas ganz Bestimmtes. Seine Stimme schwebte zwischen
zwei Gedankenstrichen. Ich denke an eine grundlegende Umstellung.
Natürlich bin ich gehalten, schon wegen der staatlichen
Anerkennung, auch in diesem Fall auf das Solide zu sehen
|
Direkte Rede
-
Frau "spielt"
mit dem Mann, probiert aus, ob er lachen kann, außer über seine
eigenen Anspielungen. (vgl. 3)
-
Frau will damit
u. U. auch die Situation etwas auflockern
Erzählerbericht |
8 |
Immer noch kein
Punkt.
Der Mann
am Wasser zog sein kreischendes Mädchen hinter sich her in die Wellen,
beklatschte lustig das buntgemusterte Hinterteil, tauchte das Mädchen
ins Wasser und ließ nicht ab, es zu umarmen, lächelnd kühles Salz von
den warmen Lippen zu küssen. Kleine Zauberin paß auf, ich werd dich
noch mal heiraten.
Eine grundlegende
Umstellung, auch für ihn. |
Innerer
Monolog
Erzählerbericht:
Nebenhandlung (NH) 2/5 |
9 |
- So?
sagte sie beklommen.
Solide, solide, er ist
gehalten, will mich halten.
Nein.
Nein.
- Eine Frau
könnte mit mir sorglos leben,
gesichert. Der
Kugelschreiber notierte imaginäre Zahlen in die leise
flimmernde Luft.
400 für den Haushalt, 50
Taschengeld, wenn sie zäh ist, geh ich auf 70 bis 75: so denkt er
jetzt.
Ohne Sorgen, ohne Freuden.
Ehen ohne Liebe
sollen am haltbarsten sein. Vernunft kittet den Bund der Vernünftigen.
Sein
spitzzulaufender Zeigefinger. |
Direkte Rede
Erzählerbericht
Innerer
Monolog
-
Wortspiele:
gehalten - halten; sorglos-ohne Sorgen-ohne Freunden,
sorglos-ungesichert etc.
-
Liebes- und Ehemodell der Frau
|
10 |
- Das ist schön, sagte sie steif.
- Es ist außerordentlich viel wert heutzutage,
verbesserte er mit leisem Unwillen, ernsthaft.
- Ja, Ja. |
Direkte Rede
Erzählerbericht |
11 |
Tut mir
unendlich leid,
bedaure sehr, aufrichtig, nein wirklich, sie müssen mir glauben: ein
anderer Träger,
weich-weißer Othello
mordet mit dem
schweißklebrigen Kugelschreiber,
bohrt eine imposante Zahl in den begehrten Busen. Tüchtiges Fräulein
Mack, gute Lehrerin und trotzdem repräsentativ, genau das Richtige.
Nein wirklich, tut mir von Herzen leid. Gute Freunde bleiben. |
Innerer
Monolog
-
weich-weiß:
Ablehnung der körperlichen Erscheinung des Mannes (vgl. 2)
-
Kugelschreiber (4/4 ): mit negativ besetztem Schweiß verknüpft
-
Frau versetzt
sich in die Gedanken des Mannes und bewertet seine Motive
-
Frau will
irgendwie mehr und lehnt Antrag innerlich ab
|
12 |
Der Mann
und das Mädchen kamen aus dem Wasser, spritzten, lachten ohne
Bedenken, sorglos, ungesichert.
Liebe. Er wird sie
verlassen nach den Tagen der Sonne. Ein emphatischer Kuß zur
Erinnerung. |
Erzählerbericht:
Nebenhandlung (NH) 3/5
-
Ellipse:
Was die Frau fühlt und denkt, auf den Punkt gebracht!
-
personaler Erzähler kommentiert das Liebespaar: sorglos
ungesichert
Innerer
Monolog
|
13 |
- Sie müssen verzeihen, wenn ich ein wenig
unbeholfen bin bei derartigen Erklärungen. Aber ich könnte mir
denken, daß eine Frau, eine vernünftige Frau, mehr Wert auf
Geradlinigkeit und Rechtschaffenheit legt als auf Verführungskünste. |
Direkte Rede
-
Unbeholfenheit
des Mannes, der hofft, dass ihm die Frau eine "Brücke" baut
-
"Liebesmodell"
des Mannes: Geradlinigkeit,
Rechtschaffenheit, Vernunft
-
Frau schaut
jedoch weg (zum Liebespaar)
|
14 |
Der Mann
und das Mädchen legten sich platt in den Sand, er halb über sie, sein
Kopf auf ihren Kopf, ernst war er, streng sein Mund, heftig, sie
gluckste leise lockendes Lachen in kurzen Stößen aus dem Zwerchfell.
Alter
Casanova, du! Hasts doch gern, was? Ja ja ja, ich glaub, ich habs
gern. |
Erzählerbericht:
Nebenhandlung (NH) 4/5
|
15 |
Sie stand auf.
- Es wird zu heiß, sagte sie aus
trockenem Gaumen.
Er folgte, einverstanden tappten die
gewissenhaften Beine - Zwiespalt, Paradoxon im Sand,
sorglos besorgt
- hinter ihr her über die Holztreppe auf die Strandpromenade.
Der glühende Sand brannte ihre Fußsohlen, sie hob sie schnell, setzte
sie vorsichtig wieder auf. Im Schatten eines Sonnenschirms auf der
Terrasse des Strandcafés nahmen sie Platz. Viele germanische
Beine, nackte Oberschenkel, die auf den Rillen der Gartenstühle breit
ruhten, schwitzende Bäuche füllten sich mit Eis.
- Auch das könnte meine Frau haben, mehrwöchige Ferien jedes Jahr am
Meer, wenn sie das wünscht, oder in den Bergen, die mir persönlich
mehr liegen.
- Ein schönes Leben, sagte sie. |
Erzählerbericht
Direkte Rede
Ortswechsel: Auf der Strandpromenade/ Strandcafé
-
Beobachtung des
verliebten Paares lässt es Frau zu "heiß" werden, will sich räumlich
davon distanzieren
-
personaler
Erzähler kommentiert Situation: "unromantisch", Nacktheit negativ
besetzt
-
Ironie: "ein
schönes Leben"
-
Ehemodell des Mannes: Versorgung
|
16 |
Tut mir leid,
wirklich, ganz von Herzen.
Ja, ja, ein anderer. Sie kennen ihn nicht, ich auch nicht, einer, auf
den ich warte. Nein,
bestimmt, es geht nicht. |
Innerer
Monolog
|
17 |
- Sie wissen, warum ich Ihnen das alles erzähle. Gewiß
nicht, um Sie an Ihrem freien Wochenende zu langweilen, mit
irgendwelchen Problemen, die ihnen gleichgültig sind. |
Direkte Rede
|
18 |
Sie sah weg.
Sorglos.
Sein
spitzzulaufender Zeigefinger.
Der boshafte Schrei
einer Möwe,
wütender Alarm;
heiße Luft, bläulicher, zitternder Dunst unten
am Strand, träge warme Glieder geben sich
sorglos gefährdet
kaltklatschenden Wellen hin.
Sie zwängte ihr Eis durch die verklemmte
Kehle, zugeschnürt, trocken. |
Innerer
Monolog
Erzählerbericht
-
spitzzulaufender Zeigefinger (3/4)
= Scheidungsgrund (vgl. 6)
-
sieht bewusst
weg und verweigert damit Antwort
-
Möwengeschrei
(1/2) als Alarmsignal
-
körperliche
Erfahrung: Beklemmung, Ängstlichkeit, Unsicherheit
|
19 |
Viele solcher
Sommer. Schwitzen
und sorglos besorgt
durch die Urlaubstage.
Nein, nein, ich bedaure, es
ist unmöglich. |
Innerer
Monolog
|
20 |
Seine warme feuchte Hand legte
sich auf ihre, spitzzulaufende Finger mit achtsam gefeilten, zu
langen Nägeln umschlossen ihre ängstliche, abweisende Faust.
- Wollen Sie meine Frau werden? |
Erzählerbericht
Direkte Rede
-
spitzzulaufende Finger (4/4)
Scheidungsgrund (vgl. 6)
= positiv besetzt "achtsam gefeilt" = Scheidungsgrund
dahin, Weg frei für Antrag?
-
warm-feucht =
unangenehm, bedrückend (vgl. 2
-
entgegengesetzte Gesten
"Der Antrag" |
21 |
Kreischender Alarm aus der
Möwenkehle flog zurück, hungrige runde Augen bohrten
sich höhnisch in ihren Blick, Flügel zerfetzten die dürre Luft, ein
bißchen Wind. |
Erzählerbericht
|
22 |
Fern am Strand
zwei bunte Punkte, ein Mann und
ein Mädchen, fast nicht zwei Personen. |
Erzählerbericht:
Nebenhandlung (NH) 5/5
|
23 |
- Ja,
sagte sie und senkte den kühlen Alpakalöffel ins Eis. |
Direkte Rede/
Erzählerbericht |