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Den Text mit verschiedenen Zirkusbildern vergleichen

Franz Kafka: Auf der Galerie

 
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Bildbetrachtung als thematischer Einstieg

Als inhaltich-thematischer Einstieg eignet sich eine vergleichende Bildbetrachtung von drei Bildern. Zwei davon sind im Abstand von drei Jahren am Ende des 19. Jahrhunderts von zwei »post-impressionistischen Malern entstanden, die von unterschiedlichen Standpunkten aus die Kunst der »Moderne vorbereitet haben. Gemeinsam war ihnen, wie den anderen Vertretern des Postimpressionismus, dass sie sich von der reinen Nachahmung der Natur abwandten und begannen, das Bild als eine selbstständige Kunstform aufzufassen, das Gegenstand reiner Darbietung von Farbe und Form werden sollte. Unter diesem Blickwinkel zielten ihre hauptsächlich Werke auf den ästhetischen Genuss bei der Rezeption und die Vermittlung subjektiver Empfindungen des Künstlers.

Es handelt sich dabei um

Das 1888 entstandene Gemälde "Au cirque Fernando, l'écuyère (Die Kunstreiterin im Zirkus Fernando)" von »Henri Marie Raymond de Toulouse-Lautrec (1864-1901) fängt den Moment ein, als eine Zirkusartistin sich anschickt, auf dem in der Zirkusmanege trabenden Pferd aufzustehen und im Anschluss daran, durch einen Papierreifen zu springen, der von einem Clown in die Höhe gehalten wird.Der Pferdedompteur, mutmaßlich der Zirkusdirektor selbst, dirigiert den Apfelschimmel, der nur von hinten zu sehen ist, und treibt ihn mit seiner Peitsche an. Der Reiterin steht in Blickkontakt mit dem Dompteur der Pferdedressur, wobei beide einen ernsten Gesichtsaisdruck haben, so als ob die Zirkusnummer insgesamt vom Direktor "durchgepeitscht" werde. Der Bildausschnitt beschränkt sich auf einen kleinen Teil der Manege und ein paar wenige nur teilweise sichtbare Zuschauer in den unteren, ziemlich leeren Zuschauerrängen, deren Gesichter im Bildausschnitt "abgeschnitten" oder wie im Falle des eines Mannes mit Frack und Zylinder kaum zu sehen sind. Am Ausgang der Manage stehen zwei weitere Männer im Frack. Ganz offensichtlich soll der Blick des Betrachters auf die Reiterin und den mit der Peitsche agierenden Dompteur gerichtet werden, während die Zuschauer eine untergeordnete Rolle spielen.

Das Bild der "Zirkus" von »Georges-Pierre Seurat (1859-1891) stellt einen Ausschnitt einer Zirkusvorstellung dar, die in einem Zirkuszelt stattfindet. das Innere eines Zirkuszelts während einer Vorstellung. Der Betrachter blickt auf die Szenerie von einer Position aus, die hinter dem von einem Clown im Vordergrund mit beiden Händen geöffneten Manegevorhang. Ihm ist mit seinem geöffneten Mund ein gewisses Erstaunen ins Gesicht geschrieben, das er offenbar nonverbal mit dem im Zirkusrund auf den Rängen platzierten Publikum kommuniziert, um die Attraktion, die dargeboten wird, noch zu unterstreichen. In der Manage führen zwei Artisten, mutmaßlich eine Frau und ein Mann, waghalsige Kunststücke vom Rücken eines in einem langgestreckten Sprung befindlichen weißen Pferdes aus. Während die Artistin auf dem Rücken des Schimmels, der ohne jegliches Zaumzeug oder Sattel durch die Arena springt, auf einem Bein scheinbar schwerelos balanciert und posiert, ist ihr Partner offenbar gerade vom Pferd abgesprungen und vollführt einen Salto. Das Pferd wird von einem Dompteur im Frack mit seiner nach unten gerichteteten Peitsche dirigiert, dessen Blick in einer Mischung aus Konzentration bei der Dressur und Bewunderung für die Artistin den Bewegungen des Pferdes folgt. Im hinteren Teil des Zirkusrunds "kommentiert" ein weiterer, lachender Clown in einer dem Publikum zugewandten Pose die Darbietung.

Den Hintergrund der Szene bilden die Zuschauerränge, die allerdings nur zum Teil gefüllt sind, und die oben nur angedeutete Musikkapelle. Auf den vorderen Plätzen, in den ersten Reihen, haben es sich Frauen mit ausladenden Hüten und in feiner Kleidung und andere fein gekleidete Personen bequem gemacht, um dem dem bunten Treiben von der Nähe aus folgen zu können. Sie nehmen alle eine äußerst aufrechte Sitzhaltung ein. Etwas weiter oben befinden sich einige Zuschauer und Zuschauerinnen auf den weniger komfortablen und enger konstruierten Rängen. Auch sie folgen fast alle dem Geschehen in der Manege. Zwei Männer mit Hut allerdings scheinen davon nicht sonderlich angetan zu sein. In lässiger Körperhaltung scheinen sie sich über alles andere als das Zirkusgeschehen zu unterhalten. Ganz oben schließlich hinter einer weißen Bande gibt es noch eine Reihe von Zuschauern, die offenbar von Stehplätzen aus auf das Geschehen blicken.

Einen ganz anderen Blick auf das Ganze hat der »Expressionist »Ernst Ludwig Kirchner (1880-1938), der mit seinem Gemälde "Zirkus/Zirkusreiterin" 1913 den Voyerismus und die dekadente Schaulust des Bürgertums, das sich mit der Eintrittskarte in den Zirkus bzw. das Varietés einen vermeintlichen Freiraum erkauft, indem sich das Abenteuer, das unverfälschte Leben, Kraft und Aggressivität als Konsequenz eines ausgeklügelten Dressurakts inszenieren lässt. Der Zirkus ist dabei der Ort, um diese Inszenierung "aus gesicherter Distanz zu betrachten, statt es zu suchen und selbst direkt zu erleben." (Werkbeschreibung der »Sammlung Pinakothek)

der „Cirkus“ spiegelt somit deutlich die Bewunderung des Künstlers für eine exotisch fremde Gegenwelt, die ihm jedoch auch zum Gleichnis der eigenen Situation wird."

In den Themen Varieté und Zirkus spiegelt sich die Konfliktsituation des spätbürgerlichen Bohemien und gebildeten Künstlers: Die Inszenierung von Abenteuer, unverfälschtem Leben, Kraft und Aggressivität ist Konsequenz eines ausgeklügelten Dressurakts. Hier ist der vermeintliche Freiraum des Großstädters, der sich das Abenteuer mit einer Eintrittskarte erkauft, um es .

Die Darstellung zeigt einen Ausschnitt aus der sehr eng bemessenen Zirkusarena, in dem eine nackte Artistin, mit einem Bein in einer Schlaufe fixiert seitlich vom Rücken ihres im Verhältnis zur Arena übergroßen Schimmels in Richtung auf den Dompteur und einen Clown herunterhängt. Die vorderen Ränge des Zirkusrunds sind bis auf den letzten Platz gefüllt, die Gesichter der Zuschauerrinnen und Zuschauer indessen nicht erkennbar.

Die Werkbeschreibung in betont dabei die Unterschiede der Gestaltung des Themas bei Kirchner im Gegensatz zu Seurats Werk, auf das Gemälde Kirchners referiert. "Grundlage für Kirchners Komposition war offensichtlich Georges Seurats Bild "Der Zirkus" von 1891 (Musée d’Orsay, Paris), das er jedoch stark uminterpretierte. Die dekorative Wirkung bei Seurat weicht einer beunruhigenden Stimmung, die durch Kirchners für diese Zeit typischen, nervösen, an den Gegenstandsrändern splittrigen Pinselduktus, durch die Beschränkung der Palette auf Schwarz, Grau-Grün und Rot und schließlich durch die Konfrontation von zwei unterschiedlichen Perspektiven erzeugt wird. Während die beiden akklamierenden "Anheizer" in Clownskostümen und die drei rot livrierten Männer am Zirkuseingang fast frontal gesehen sind, erscheinen Manege und schwarz gekleidetes Publikum in extremer Aufsicht, wodurch der Eindruck entsteht, die Zuschauer würden nicht das spannende Geschehen in der Manege verfolgen, sondern blicklos nach unten starren. Pferd und Reiterin nehmen beide Perspektiven auf und wirken dadurch zugleich überproportioniert und verzerrt. Publikum, Pferd und Reiterin verbindet nicht mehr die spannungsreiche Atmosphäre des Zirkusgeschehens, sie spielen einen isolierten Part – dort die anonyme, gesichtslose Menge, hier die für sich agierende Akrobatin, verbunden untereinander nur durch die Künstlichkeit der Beleuchtung und eine aggressive Farbigkeit."

Einen interessanten Überblick über die beiden Gemälde, sowie das Bild von Arthur Kirchner gibt das YouTube-Video: the artinspector: George Seurat - Der Zirkus (4:09)

 


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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 16.10.2024

 
 

 
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