• Franz Kafkas Prosastück •"Auf
der Galerie" gehört zu den Texten des Autors, die besonders häufig
interpretiert worden sind. Und in der Schule fehlte es über viele Jahre
in keinem Lehrbuch für die Sekundarstufe II. Die Zahl von
literaturwissenschaftlichen Deutungen ist mittlerweile so groß, dass Reinhold
Meurer
(1988/31998, S.75) davon gesprochen hat, dass der Text
insbesondere von Rezeptionsforschern "als literarischer »Rorschachtest"
verwendet werde, "um unterschiedliche Rezeptionsmöglichkeiten bei
gleichem Gegenstand zu ermitteln und zu demonstrieren."
Entstanden ist der Text wohl zwischen etwa Ende November 1916 und Ende
Februar 1917. Veröffentlicht wurde er in dem 1920 erschienenen
Sammelband »"Ein
Landarzt", den der »Kurt
Wolff Verlag herausbrachte. Der Sammelband, der von der
literarischen Öffentlichkeit vor dem Tod des Autors 1924 kaum zur
Kenntnis genommen wurde, traf aber auch dann nicht auf ein größeres
Publikumsinteresse, als einzelne Erzählungen, darunter auch Auf der
Galerie auch anderweitig publiziert wurden. (vgl.
Hermes
1994/2003, S.216). Auch nach dem Tod von Kafka, als das
Interesse an seinen Werken zunahm, standen andere Texte im Blickpunkt
des Interesses.
In der Schule dürfte der Text lange Zeit vor allem auch deshalb so
beliebt gewesen sein, weil er im Rahmen der
textimmanenten Werkinterpretation besonders geeignet erschien, um
vergleichsweise voraussetzungslos, d. h. ohne Heranziehen verschiedener
Kontexte, einen Zugang zu Kafkas kurzen Prosastücken und Parabeln zu
bieten. Ferner lässt sich bis heute in der
Anschlusskommunikation die lebensweltliche Bedeutung von Schein und
Wirklichkeit thematisieren, mit der die Schülerinnen und Schüler auf
unterschiedliche Art und Weise und in unterschiedlichen Bereichen selbst
zu tun haben.
Der Text lädt wegen seiner besonderen sprachlich-stilistischen
Gestaltung, vor allem auf der Satzebene, zu einer tiefergehenden Analyse
solcher Strukturen und der Reflexion über ihre Funktion ein, die einem
kompetenten Leser
wertvolle Hinweise zur •
Bedeutungs- bzw.
Sinnkonstruktion liefern können. Dabei ist die Untersuchung
verschiedener
Kohäsionsmittel ebenso von Bedeutung wie die Analyse allen dessen,
was den Text, aller Schwierigkeiten zum Trotz, insgesamt
kohärent macht.
Dass der Text heute wohl kaum noch zum didaktischen Exerzierplatz für
Satzbaustrukturen und satzartige Konstruktionen sowie der Zeichensetzung
wird und dabei der Inhalt des Textes und seine lebensweltliche Bedeutung
für Schülerinnen und Schüler nicht mehr zu kurz kommt, ist sicher üblich. Es liegt
aber gewiss daran, dass heutige Schülerinnen und Schüler oft über das
Sprachwissen im
Bereich der Grammatik kaum mehr verfügen, das bei einer tiefer gehenden
sprachlich-stilistischen Analyse nötig ist. So spiegeln auch •
gängige Interpretationshilfen
für die Hand von Lehrkräften, aber auch für die Hand von Schülerinnen und Schülern, die
veränderte Lage im Umgang mit diesem Texte.
In diesem Arbeitsbereich werden verschiedene • Aspekte der Erzähltextanalyse
behandelt und im Bereich
• Bausteine
unterschiedliche Arbeitsanregungen gegeben sowie Angebote für verschiedene
• Zugänge zu diesem
Text und unterschiedliche
▪ Methoden
zur Arbeit mit ihm im •
Literaturunterricht gemacht.
• Einen Zugang zu Kafkas Parabeln finden
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
16.10.2024