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Sprache und Stil Heinrich von Kleists

Überblick

 
FAChbereich Deutsch
Glossar Literatur Autorinnen und Autoren ▪ Heinrich von Kleist (1777-1811) Erzählende Texte [ Sprache und Stil Überblick ] Michael Kohlhaas
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Periodenstil

Der komplexe Satzbau, den ▪ Heinrich von Kleist (1777-18111 immer wieder verwendet und der seinen ▪ Individualstil prägt, ist nicht immer einfach zu lesen und zu verstehen. Er sperrt und spreizt sich in unterschiedlicher Intensität gegen schnelles Lesen (z. B. gegen ▪ Lesetechniken und Lesestrategien wie ▪ Speed Reading, ▪ orientierendes Lesen (Skimming), ▪ diagonales Lesen, kursorisches Lesen). Wer mit dem Heinrich-von-Kleist-Stil zurechtkommen will, muss sich "einlesen" und muss im Allgemeinen ▪ intensiv lesen, um die volitionale Bereitschaft für das Weiterlesen aufrechtzuerhalten.

Die "Bandwurmsätze" Kleists sind, auch wenn andere Autoren ebenfalls zu dieser Satzstilistik greifen, befremdlich und können Gefühle der ▪ strukturellen Fremdheit erzeugen, die in jedem Fall eine sprach- und literaturdidaktische Herausforderung darstellen.

Damit sich die Irritationen, die sich beim Lesen einstellen können, nicht zu Abwehrhaltungen Blockaden und kognitiven Distanzierungen entwickeln, die den weiteren Lese- und Rezeptionsvorgang ernsthaft beeinträchtigen oder sogar verhindern ("So ein blöder Text!"), müssen unterschiedliche Zugänge zur Sprache und zum Stil Kleists angeboten und die Funktion des Periodenstils bei Kleist vermittelt werden.

Kleists Chronikstil, bei denen die Hauptsätze im ▪ Periodenstil immer wieder durch Gliedsätze unterbrochen werden, fordert dem Leser/der Leserin durch die Kombination von parataktischer und hypotaktischer Verknüpfung von Teilsätzen, dem fortwährenden Wechsel von Parataxe und Hypotaxe, dem Anhängen weiterführender Nebensätze, der Erweiterung von Teilsätzen durch Aufzählungen und Unterbrechung von Satzkonstruktionen durch Parenthesen u. a. m. (vgl, Hoffmann 2017, S.117) einiges ab. Bei seiner Rezeption muss der Leser ständig auf den verschiedenen Stufen der Periode auf- und absteigen und darf dabei in diesem syntaktischen Auf und Ab, weder den Hauptsatz als auch den inhaltlichen "roten" Faden verlieren, um den Sinn zu konstruieren.

Das zeigen auch die nachfolgenden drei Anfangssätze aus seiner Erzählung »"Der Zweikampf" (1811), von denen der erste und der letzte sehr komplexe Hypotaxen bzw. Perioden darstellen.

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"Herzog Wilhelm von Breysach, der, seit seiner heimlichen Verbindung mit einer Gräfin, namens Katharina von Heersbruck, aus dem Hause Alt-Hüningen, die unter seinem Range zu sein schien, mit seinem Halbbruder, dem Grafen Jakob dem Rotbart, in Feindschaft lebte, kam gegen das Ende des vierzehnten Jahrhunderts, da die Nacht des heiligen Remigius zu dämmern begann, von einer in Worms mit dem deutschen Kaiser abgehaltenen Zusammenkunft zurück, worin er sich von diesem Herrn, in Ermangelung ehelicher Kinder, die ihm gestorben waren, die Legitimation eines, mit seiner Gemahlin vor der Ehe erzeugten, natürlichen Sohnes, des Grafen Philipp von Hüningen, ausgewirkt hatte. Freudiger, als während des ganzen Laufs seiner Regierung in die Zukunft blickend, hatte er schon den Park, der hinter seinem Schlosse lag, erreicht: als plötzlich ein Pfeilschuss aus dem Dunkel der Gebüsche hervorbrach, und ihm, dicht unter dem Brustknochen, den Leib durchbohrte. Herr Friedrich von Trota, sein Kämmerer, brachte ihn, über diesen Vorfall äußerst betroffen, mit Hülfe einiger andern Ritter, in das Schloss, wo er nur noch, in den Armen seiner bestürzten Gemahlin, die Kraft hatte, einer Versammlung von Reichsvasallen, die schleunigst, auf Veranstaltung der letztern, zusammenberufen worden war, die kaiserliche Legitimationsakte vorzulesen; und nachdem, nicht ohne lebhaften Widerstand, indem, in Folge des Gesetzes, die Krone an seinen Halbbruder den Grafen Jakob den Rotbart, fiel, die Vasallen seinen letzten bestimmten Willen erfüllt, und unter dem Vorbehalt, die Genehmigung des Kaisers einzuholen, den Grafen Philipp als Thronerben, die Mutter aber, wegen Minderjährigkeit desselben, als Vormünderin und Regentin anerkannt hatten: legte er sich nieder und starb." (aus: Heinrich von Kleist: Werke und Briefe in vier Bänden. Band3, Berlin und Weimar 1978, S. 252-288, h: S.252f., zeno.org)

Auch wenn Lesen und Verstehen solcher weitgespannter Satzgefüge nicht immer leicht sind, sind Kleists Sätze "dafür bekannt, dass sie die verbale Satzspannung durch mehrere Gliedsatzeinschübe über bestimmte Umstände, die das Geschehen determinieren, bis zum äußersten steigern und durch diese Form des Retardierens zugleich die inhaltliche Spannung erhöhen." (Sowinski 1978, S.83)

Dies zeigt auch die nachfolgende Textstelle aus seiner Novelle Michael Kohlhaas, die hier als Satzbauplan visualisiert wird.


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Periodenstil

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 28.03.2024

 
 

 
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