teachSam- Arbeitsbereiche:
Arbeitstechniken - Deutsch - Geschichte - Politik - Pädagogik - PsychologieMedien - Methodik und Didaktik - Projekte - So navigiert man auf teachSam - So sucht man auf teachSam - teachSam braucht Werbung


deu.jpg (1524 Byte)

 

Lessing: Nathan der Weise - Figurenkonzeption

Überblick

 
FAChbereich Deutsch
Glossar Literatur Autorinnen und Autoren Gotthold Ephraim Lessing   Nathan der Weise
teachSam-YouTube-Playlist Überblick Gesamttext (Recherche-/Leseversion) "Friede, das ist so was von 90er"   Entstehungsgeschichte Historischer Hintergrund  Aufbau des Dramas  Handlungsverlauf  Wichtige Motive  Figurenkonstellation  [ Figurenkonzeption  Überblick ] Einzelne Figuren  Sprachliche Form: Blankvers  Rezeptionsgeschichte  Textauswahl  Portfolio: Nathan der Weise  Klassenarbeiten / Klausuren  Links ins WWW  Bausteine   Operatoren im Fach Deutsch
 

pdf-Download

Fördert Nathan die Entwicklung anderer Figuren?

Auf den ersten Blick mag der Eindruck entstehen, dass sich einige Figuren im Drama unter dem Einfluss Nathans und dem Beispiel, das er ihnen vorlebt, weiterentwickeln würden.

Der Kontakt und die Kommunikation mit ihm, so eine gängige Annahme, führe dazu, dass zumindest einige Figuren wie Recha, der Tempelherr oder gar Saladin im Verlauf der Bühnenhandlung eine Entwicklung nehmen würden, an deren Ende sie eine andere oder ein anderer sein würden.

Diese Annahme liegt vor allem auch dann nahe, wenn Korrespondenz- und Kontrastrelationen der Figuren im Rahmen der Figurenkonstellation des »Nathan« mit herangezogen werden.

Der Patriarch als Gegenmodell eines statischen Typus

Insbesondere der Patriarch, der als eindimensional angelegter, statischer Typus des dogmatischen Fanatikers gestaltet ist, könnte den Schluss nahelegen, dass andere Figuren, die in einer persönlichen Kommunikation mit Nathan stehen, einen psycho-sozialen Entwicklungsprozess durchlaufen, der eine Art Läuterung oder Umerziehung darstellt.

Das Beispiel Daja

Dass diese Annahmen nicht zutreffen, nur eine Art optischer Täuschung darstellen, wie Fick (2010, S.504) betont, macht ein Blick auf die das Ganze Drama über gleichermaßen bigotte und der Vernunft in Glaubensfragen gänzlich verschlossene Daja deutlich, die als Haushälterin Nathans nicht nur zur ständigen sozialen Umgebung Nathans gehört, sondern oft ihrem "gesunden Menschenverstand", wenn auch oft sehr einfältig, freien Lauf gewährt, wenn es um Dinge geht, die ihren eigentlichen Horizont übersteigen. (vgl. I,2 - Nathan im Gespräch mit Recha und Daja über die Rettung Rechas durch den Tempelherrn).

Das Beispiel Tempelherr

Auch der Tempelherr zeigt sich bei genauerem Hinsehen "am Ende so edel und unedel wie zu Beginn, er bleibt das ganze Stück hindurch der, als der er sich selbst charakterisiert" (ebd.)  ("Ich bin ein junger Laffe /Der immer nur an beiden Enden schwärmt; /Bald viel zu viel, bald viel zu wenig tut -" , V,5)

So weise der Tempelherr, wie Fick (2010, ebd.) fortfährt, Nathans Ankündigung eines Bruders am Ende aus den gleichen Gründen zurück, mit denen er Nathan anfangs zurückgewiesen habe: "deswegen, weil er ein Christ ist und, wie der Tempelritter vor-verurteilend antizipiert, das Erziehungswerk Nathans (das er selbst permanent missversteht) zerstören wird; er hasst ihn dafür im Voraus (V,5); Nathan gegenüber bleibt er (fast) bis zuletzt misstrauisch."

Das Beispiel Al-Hafi

Dass auch bei Al-Hafi , immerhin Nathans "Schachgesell" (Daja, I,2), Nathans erzieherischer Einfluss an seine Grenzen stößt, weil er dessen Entscheidung, alles hinzuwerfen und an den Ganges zu gehen, nicht umstoßen kann, vielleicht auch gar nicht umstoßen will, ist ein weiteres Beispiel für eine Figurenkonzeption, bei der "ein Schutzkreis der Einsamkeit [...] um jede Figur gelegt [wird], in dem sie sich unabänderlich nur ihrer eigenen Erkenntnis- und Liebesfähigkeit entsprechend entfalten darf." (ebd., S.508)

Darin liegt wohl auch der tiefere Grund dafür, dass Nathan seine eigenen Vorbehalte gegenüber Al-Hafis Entscheidung zurückhält. Er weiß nämlich genau, das dessen Weg zu "Selbstbestimmung und Identität nur durch den Rückzug aus der Gesellschaft" möglich ist.

Und doch, so scheint es, liegen seine Sympathien eher bei dem Weltflüchtling als dem sich auserwählt fühlenden Derwisch. Insofern erscheint die Lebensform, die Al-Hafi lebt und anstrebt, auch in den Augen Nathans - und wohl auch Lessings selbst (!) - "nicht einfach als Fehlentwicklung", sondern unter Umständen als ultima ratio, als "ein äußerstes Mittel die menschliche Bestimmung zu erfüllen." (Haaser 1999, S.50)

Die Beispiele Saladin und Sittah

Auch Saladin, und mit ihm Sittah, zeigen, dass sie in dem hier vorgezeichneten Sinn gegenüber einer eindeutig in eine "bessere" Richtung gehende psycho-soziale Entwicklung geradezu resistent sind. Denn sie sind es, die unmittelbar nachdem sie Nathan mit der Ringparabel "ihren Beifall gegeben, die nächste Intrige gegen Nathan anzetteln und im Begriff stehen, ihm seine Tochter zu rauben, ihn von ihr zu trennen - aus »Neubegier«, wie Sittah sagt". (IV,5) (Fick 2010, S.504)

Die Figuren im "Nathan" als gemischte Charaktere

So kommt nach Fick (2010, S.504) bei der Analyse der Figurenkonzeption des »Nathan« stets eine große anthropologische Skepsis zum Vorschein, die sich darin zeigt, dass die Figuren ihre Fehler immer wieder machen.

Auf diese Weise agieren sie als gemischte Charaktere, in deren Denken und Handeln Fehler und Tugenden fast unentwirrbar miteinander verschränkt bleiben, so dass sie mal altruistischen, mal egoistischen Antrieben freien Lauf lassen können.

Die Begegnungen der verschiedenen Figuren mit Nathan und dessen "Weisheit" setzen also keinen Umerziehungsprozess in Gang, sondern nur bringen zum Vorschein, was in ihnen in aller Widersprüchlichkeit verborgen ist. So wird das Ganze auch dem analytischen Drama in einer besonderen Weise gerecht, weil man immer wieder etwas anderes an einer so facettenreich gestalteten Figur entdecken kann.

Mehrdimensionalität bei Recha, dem Tempelherrn und Saladin

Einige Figuren weisen wie Recha, der Tempelherr oder auch Saladin eine Mehrdimensionalität auf, die jene beschriebene Dynamik zwischen den verschiedenen Polen von Altruismus und Egoismus immer wieder sichtbar werden lässt, auch wenn die Figurenkonzeption insgesamt eher statisch bleibt.

Unter literaturdidaktischem Aspekt lässt sich die Problematik der Figurenkonzeption wohl am besten mit den von B. Beckermann (1970) entwickelten drei WLT-Dimensionen Weite, Länge und Tiefe beschreiben, die sich auch in grafischer Form visualisieren lassen. So können unterschiedliche Einschätzungen über die Konzeption der Figuren Gegenstand der Auseinandersetzung werden. Dazu ist es allerdings nötig, die Dimensionen mit auf den »Nathan« bezogenen Fragen zu konkretisieren.

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 10.11.2020

 
    
   Arbeitsanregungen:
  1. Arbeiten Sie heraus, was die Figurenkonzeption in Lessings Nathan ausmacht.

  2. Visualisieren Sie die Figurenkonzeption als

  3. Begründen Sie Ihre Entscheidungen.
     

 
 
 

 
ARBEITSTECHNIKEN und mehr
Arbeits- und ZeitmanagementKreative ArbeitstechnikenTeamarbeit ▪ Portfolio ● Arbeit mit Bildern  Arbeit mit Texten Arbeit mit Film und VideoMündliche KommunikationVisualisierenPräsentationArbeitstechniken für das Internet Sonstige digitale Arbeitstechniken 
 

 
  Creative Commons Lizenzvertrag Dieses Werk ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International License (CC-BY-SA)
Dies gilt für alle Inhalte, sofern sie nicht von
externen Quellen eingebunden werden oder anderweitig gekennzeichnet sind. Autor: Gert Egle/www.teachsam.de
-
CC-Lizenz