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Der
Inhalt von
Lessings
Nathan
der Weise lässt sich wie folgt zusammenfassen.
*
1. Akt
*
>
I,1
Nathan, ein reicher jüdischer Kaufmann, kommt von einer längeren,
erfolgreichen Geschäftsreise nach Babylon ins Jerusalem des 12. Jahrhunderts zurück.
Zu Hause angelangt, wird er von
Daja, der christlichen Gesellschafterin seiner
Tochter
Recha begrüßt. Von ihr erfährt er, dass seine Tochter Recha während
seiner Abwesenheit beim Brand seines Hauses beinahe ums Leben gekommen wäre,
wenn sie nicht noch in letzter Minute von einem
Tempelherrn vor den Flammen
gerettet worden wäre. Dieser christliche Tempelherr sei nach seiner vordem
erfolgten Gefangennahme vom moslemischen Sultan
Saladin überraschend begnadigt
worden. Über dessen Beweggründe mutmaße man, Saladin habe im Tempelherrn das
Ebenbild seines verschollenen Bruders Assad gesehen. Allen unternommenen
Versuchen Rechas und Dajas zum Trotz habe der Tempelherr nach seiner Rettungstat
allerdings ziemlich schroff jeden Dank und jede weitere Kontaktaufnahme
abgelehnt und sei seit einiger Zeit nicht mehr zu sehen. Allerdings sei Recha
seitdem in Schwärmerei verfallen und nehme an, dass sie von einem Engel
gerettet worden sei. Nathan ist, wie aus Bemerkungen während des Gesprächs
hervorgeht, nicht Rechas leiblicher Vater. Nach dem Bericht Dajas ist er nun entschlossen, Recha von ihrem naiven Engelsglauben, der von Daja als
Christin durchaus unterstützt wird, durch eine vernunftgemäße, rationale
Herangehensweise an das Geschehen zu befreien.
>
I,2
Als
Recha erscheint, um ihren Vater
Nathan zu begrüßen, schildert sie unter
großer emotionaler Erregung ihre Version einer von einem Engel bewirkten Rettung.
Nathan, der um die starken Gefühle weiß, die Rechas Interpretation der
Ereignisse ermöglichen, versucht Recha Schritt um Schritt einer rationalen
Betrachtung der Dinge zugänglich zu machen. Er will ihr verständlich und
emotional nachvollziehbar machen, dass sie von einem Menschen, einem
leibhaftigen
Tempelherrn gerettet worden ist. Aus diesem Grund greift er Rechas
und Dajas Vorstellungen zunächst nicht frontal an, sondern versucht sie für
den rationalen Diskurs über den Begriff des Wunders zu interessieren. So
zeigten sich die "wahren, echten Wunder" ganz anders als der naive und
kindliche Wunderglaube annähme, im alltäglichen Wunder des Lebens und der
Welt. Ein derartiges Wunder, das zur Erklärung keine übersinnlichen,
metaphysischen Begründungen verlange, sei eben die Tatsache gewesen, dass
Saladin den Tempelherrn wegen seiner vermeintlichen Ähnlichkeit mit seinem
Bruder Assad begnadigt habe. Während sich Recha augenscheinlich der rationalen
Perspektive des Vaters, die Glaube und Vernunft verbindet, nicht mehr entziehen
kann, hält Daja geradezu starrköpfig
an der Engelsversion fest. So sieht sich Nathan gezwungen, seinen
Argumentationsstil zu verschärfen. In dem von ihr vertretenen Standpunkt sieht
er nichts anderes als Unsinn, Überheblichkeit, falschen Stolz, zuletzt gar eine
Gotteslästerung. Um die begonnene Einsicht Rechas zu vertiefen, lässt Nathan
im weiteren Gespräch vor den Augen seiner beiden mehr und mehr betroffen
emotional reagierenden Zuhörerrinnen das Bild eines menschlichen Retters
entstehen, der, weil unter Umständen schwer krank, nicht mehr auffindbar sei,
aber eigentlich dringend Hilfe benötige. Dem von Nathan damit erzeugten Affekt
des Mitleids können sich beide Frauen, besonders aber Recha, nicht mehr
entziehen. An ihrer emotionalen Anteilnahme am Schicksal des
Tempelherrn aber erkennt Nathan, dass Recha sich in ihren Retter verliebt hat.
Auf der anderen Seite hat er sich, was den Engelsglauben anbelangt, als weiser
Erzieher seiner Tochter erwiesen, der ihr Wege zur autonomen Erkenntnis
aufgezeigt hat.
>
I,3
Nathan erfährt von seinem alten
Freund
Al-Hafi, einem Bettelmönch,
der ganz unvermutet in prachtvoller Kleidung erscheint, dass er
Schatzmeister (Defterdar) des
Saladins
geworden ist. Als Bettelmönch habe er der Bitte des Sultans
entsprechen müssen, rechtfertigt er sich, muss sich aber dann von
Nathan die prinzipiell vorhandene menschliche Entscheidungsfreiheit
vorhalten lassen: "Kein Mensch muss müssen". Al-Hafi will
Nathan dazu bewegen, Saladins leere Kassen mit einem Kredit zu
füllen. Doch auch sein Hinweis auf Saladins Freigiebigkeit kann
Nathan nicht dazu bringen. Denn dieser weiß klug zwischen der ihm
freundschaftlich verbundenen Privatperson Al-Hafi und seiner Rolle
als Schatzmeister Saladins zu unterscheiden. Was er jenem ohne
weitere Bedenken gewähren würde, gelte aber nicht für diesen.
Al-Hafi, der aus seiner eigenen Motivation für die Übernahme des
Schatzmeisteramts letztlich doch keinen Hehl macht, nämlich einmal
"den reichen Mann mit Bettlern spielen" zu können, räumt
ein, dass er sich durch das Angebot des Sultans geschmeichelt
gefühlt habe. Zugleich sieht er sich jedoch auch in einem Dilemma:
Er weiß nämlich, dass - selbst bei vollen Kassen - jede
Mildtätigkeit und Freigiebigkeit, Grenzen findet, "gut"
zu sein und zu handeln, nur in Einzelfällen gelingen kann. Nathan,
der die Zwangslage, in der sich sein Freund Al-Hafi befindet,
erkennt, rät ihm daher, sein Bettelmönchdasein wieder aufzunehmen,
denn er befürchtet, dass Al-Hafi "grad' unter Menschen [...]
ein Mensch zu sein verlernen" könnte.
>
I,4
Daja teilt
Nathan mit, sie habe den
Tempelherrn
erneut gesehen.
Recha lasse ihren
Vater dringend bitten, mit ihm sogleich Kontakt aufzunehmen. Als
Daja den Tempelherrn im Auftrag von Nathan einladen soll, erklärt
sie, dass dies aussichtslos sei, denn der Tempelherr komme zu keinem
Juden. Nathan will daher selbst den Kontakt herstellen.
>
I,5
Ein christlicher
Klosterbruder
soll im Auftrag des
Patriarchen,
der von der erstaunlichen Begnadigung des
Tempelherrn
erfahren hat, den Tempelherrn aushorchen und anstiften, die
Verteidigungsanlage Jerusalems für die Armee Philipps
auszuspionieren, den Sultan
Saladin
gefangen zu nehmen oder zu ermorden. Im Verlauf des Gesprächs
erfährt man, dass der Tempelherr kurz vor dem Waffenstillstand bei
Tebnin als einer von zwanzig anderen Tempelherren gefangen genommen
worden und als einziger davon begnadigt worden ist. Die Ursache
dafür ist dem Tempelherrn aber nicht klar. Er glaubt nur kurz vor
seiner angesetzten Hinrichtung eine tiefe Rührung des Sultans
beobachtet zu haben, die diesen offenbar zur Begnadigung veranlasst
habe. Als der Tempelherr das Ansinnen des Patriarchen entschieden
zurückweist und den Klosterbruder fortschickt, geht dieser
unverrichteter Dinge, aber innerlich erleichtert, davon.
>
I,6
Daja richtet dem
Tempelherrn
die Einladung
Nathans aus. Um den
erwarteten Stolz des Tempelherrn zu mäßigen, berichtet sie ihm,
dass sie selbst als Christin ihrem später gefallenen Mann nach
Palästina gefolgt und seitdem Erzieherin
Rechas
sei. Der Tempelherr lehnt die Einladung brüsk ab, indem er betont,
dass er sich an die Rettungstat und das gerettete Mädchen kaum mehr
erinnere und er mit einem Juden nichts zu tun haben wolle.
*
2. Akt
*
>
II,1
Im Palast spielen der Sultan
Saladin
und seine Schwester
Sittah
Schach. Saladin ist in Gedanken aber bei ganz anderen Dingen, so dass er
fast ständig verliert. Geschieht dies, erhält seine Schwester tausend
Dinar als Preis, gewinnt er, dann bekommt sie das Doppelte quasi zum
Trost. Saladins Gedanken, so teilt er Sittah mit, kreisen die ganze Zeit
um die politische Lage in Jerusalem. Saladin, der den abgelaufenen
Waffenstillstand gerne verlängert sähe, hofft irgendwie noch immer den
Frieden dynastisch durch seine wohl kalkulierte Heiratspolitik absichern
zu können. Seinen Vorstellungen nach sollte Sittah mit Prinz Johann,
einem Bruder des englischen Königs Richard Löwenherz, und sein eigener
Bruder
Melek
mit einer Schwester des englischen Königs vermählt werden. Seine Vision
von der dynastischen Verbindung der "besten Häuser in der Welt"
und der aus dieser Verbindung der christlichen und moslemischen
Herrscherhäuser hervorgehenden besonderen Menschen, wird von Sittah
freilich kritisch kommentiert. Sie hält das Ganze Gerede von einem
moslemisch-christlichen Mischstaat für einen geradezu lächerlichen
Traum, der auf einer völligen Verkennung der orthodoxen und
missionarischen Grundeinstellung der Christen beruhe. Deren Stolz lasse
eine dynastische Verbindung ohne vorherigen Übertritt zum christlichen
Glauben nicht zu. Saladin, der darin allerdings keine unüberbückbaren
Gegensätze sieht, macht dagegen allein die machtpolitischen Interessen
der Tempelherrn für das Scheitern seiner Heiratspläne verantwortlich,
die die Festung Akka, das Brautgeschenk der Schwester von Richard
Löwenherz für ihre Heirat mit Melek, nicht herausgäben. Außer diesen
Gedanken treibt Saladin auch die Sorge um die leere Kriegskasse um, die
jetzt angesichts der wiederauflebenden Kämpfe zumindest vorübergehend
mit Krediten aufgefüllt werden muss, die zu besorgen
Al-Hafis
Geschäft sei.
>
II,2
Saladin
erfährt von seinem Schatzmeisters
Al-Hafi,
dass die ersehnten Tributzahlungen aus Ägypten auch in absehbarer
Zeit nicht eintreffen werden. Als er dessen ungeachtet Al-Hafi
auffordert,
Sittah
ihren Gewinn beim Schachspielen auszuzahlen, schenkt ihm Al-Hafi
reinen Wein ein. Sittah ist es gewesen, die mit den von Saladin
erhaltenen Geschenken und Gewinnsummen schon seit längerem die
gesamte Hofhaltung im Palast bestritten hat. Angesichts dieser
prekären Lage fordert der Sultan Al-Hafi auf, wo immer nur möglich
nach möglichen Kreditgebern zu suchen. Dabei stellt er eigene
Bedürfnisse der höfischen Repräsentation hinten an. Für sich
selbst beansprucht er nur Kleidung, ein Schwert und ein Pferd und
darüber hinaus nur noch seinen Glauben an einen Gott. Als Sittah
Al-Hafi auf seine Freundschaft zu seinem "hochgepriesenen"
und gleichermaßen reichen Juden
Nathan
anspricht und diesen damit als möglichen Kreditgeber ins Spiel
bringt, will Al-Hafi, der ja schon um Nathans ablehnende Haltung
seit seinem Gespräch mit ihm weiß, ablenken. Von ihm jedenfalls,
so seine Antwort, sei kein Kredit zu erwarten. Denn Nathan, der nun
wirklich kein Geldverleiher sei, sondern nur als Kaufmann Waren
verkaufe, setze sein Vermögen für die Gabe von Almosen an alle
möglichen Bedürftigen ein. Und gerade mit dieser Einstellung
strebe er aus Eifersucht und Neid auf die Freigiebigkeit Saladins
danach, diesen darin zu übertreffen. Mit dem Hinweis, er wolle sich
wegen des Kredits an einen dunkelhäutigen Kreditgeber (Mohren)
wenden, kann sich Al-Hafi weiteren bohrenden Nachfragen nach Nathan
entziehen.
>
II,3
Saladin
will von
Sittah
Näheres über
Nathan
erfahren. Diese schildert ihn als einen sehr reichen Geschäftsmann,
dem man, wie
Al-Hafi
ihr zugetragen habe, Größe, Edelmut und vorurteilsfreie Klugheit
nachsage. Ihr sei zwar das Ablenken von Nathan durch Al-Hafi
aufgefallen, doch könne sie sich letztlich auf Al-Hafis
widersprüchliche Aussagen auch keinen Reim machen. Allerdings seien
die Charakterzüge Nathans auch nicht weiter von Belang,
entscheidend sei nur, ob er die erforderlichen finanziellen
Möglichkeiten zur Kreditgewährung besitze. Als Saladin mutmaßt,
sie könne dafür plädieren, Nathan gegenüber Gewalt anzuwenden,
beruhigt sie ihn mit dem Hinweis, sie wolle sich einen
"Anschlag" auf Nathan einfallen lassen, mit dem sie nur
dessen Schwächen auszunützen beabsichtige.
>
II,4
Nathan wartet mit
Recha
vor dem seinem Haus, wo es an die Palmen anstößt, auf das Erscheinen des
Tempelherrn. Er will ihn jetzt einfach
direkt anzusprechen. Recha ist deshalb sehr aufgeregt und Nathan nutzt die
Gelegenheit, Recha vorsichtig auf ihre Gefühle für den Tempelherrn
anzusprechen. Diese ist sich aber offensichtlich (noch) nicht darüber im
Klaren, dass sie sich in ihren Retter verliebt hat. Ohne weiter in sie zu
dringen, bittet Nathan Recha nur, ihm die weitere Entwicklung ihrer Gefühle
offen mitzuteilen. Als
Daja zu den beiden
stößt, um zu verkünden, dass der Tempelherr jeden Augenblick um die
Ecke komme, zieht sie sich mit Recha ins Haus zurück, wo die beiden der
Begegnung Nathans mit dem Tempelherrn zusehen können.
>
II,5
Bei ihrer ersten Begegnung versucht
Nathan
mit dem
Tempelherrn, der ihm irgendwie
bekannt vorkommt, höflich ins Gespräch zu kommen. Seine Dankesgeste für
die Rettung
Rechas wird allerdings von
dem Tempelherrn brüsk abgelehnt. Was er für die Tochter Nathans getan
habe, hätte für jede x-beliebige andere auch getan, selbst wenn es sich
"nur" um eine Jüdin gehandelt hätte. Nathan, der die
vorurteilsbehafteten Äußerungen herunterspielt und entschuldigt, will
dennoch wissen, ob er etwas für den gefangenen Tempelherrn tun könne.
Doch wird er auch damit im Kern zurückgewiesen, wenngleich der Tempelherr
einräumt, bei der Anschaffung eines neuen Mantels auf ihn zurückzukommen.
Seit seiner Rettungstat ist dieser nämlich an einer Stelle versengt, was
Nathan zum Anlass nimmt, den Mantel an dieser Stelle zu küssen. Erstmals
muss der Tempelherr erkennen, dass ihn die emotionale Rührung Nathans
betroffen gemacht hat. Fortan spricht er diesen nicht mehr einfach als
Jude an, sondern mit Namen und seine zögerlichen, fast stotternden Äußerungen
signalisieren die eigene Betroffenheit. Schließlich räumt er ein, dass
Nathan offenbar genau wisse, nach welchen Grundsätzen die Tempelherrn zu
handeln hätten. Als Nathan dagegen einwendet, diese Grundsätze seien
allen "guten Menschen" gemeinsam, will der Tempelherr von dieser
Gleichmacherei zunächst nichts wissen. Auch Nathans Bild, das ihm das
Miteinander verschiedener Bäume im Wald vor Augen führt, kann ihm seine
religiösen Vorurteile und seine Vorbehalte gegen die von den Juden eingeführte
religiöse Intoleranz, den Stolz nämlich, "nur sein Gott sei der
rechte Gott", nicht nehmen. Und genau diese "fromme
Raserei" stünde hier in Jerusalem wie an keinem anderen Ort der Welt
auf der Tagesordnung. Als er sich zum Gehen wendet, bietet ihm Nathan
seine Freundschaft an, da er erkennt, dass ihnen die Ablehnung von
Intoleranz gemeinsam ist. Der Tempelherr gibt zu, sich in Nathan getäuscht
zu haben und nimmt die Freundschaft an. Gleichzeitig kann er sich nun auch
zu seinen verdrängten Gefühlen für Recha bekennen, die er unbedingt
wiedersehen will.
>
II,6
Daja platzt in das Gespräch zwischen
Nathan
und dem
Tempelherrn mit der Nachricht
herein,
Saladin wolle Nathan sprechen.
Sie ist ganz aufgeregt, während Nathan zunächst annimmt, der Sultan
interessiere sich vielleicht für die von ihm mitgebrachten Waren. Letzten
Endes sieht er dem Treffen relativ gelassen entgegen, ohne sich von Dajas
Panikmache anstecken zu lassen.
>
II,7
Nachdem
Daja gegangen ist, setzen
Nathan
und der
Tempelherr ihr Gespräch fort.
Nathan ist jetzt, da ihn freundschaftliche Bande mit dem Tempelherrn
verbinden, auch bereit,
Saladin für die
Begnadigung des Tempelherrn einen Dienst zu erweisen. Dabei ist er nun
auch zur Gewährung eines Kredits bereit. Ferner ist er entschlossen, sich
bei dem Sultan für den Tempelherrn einzusetzen. Als der Tempelherr ihm
dafür seinen Namen, Curd von Stauffen, nennt, reagiert Nathan gänzlich
überrascht und schaut sich den Tempelherrn sehr genau an. Sein zögerlicher
Einwand, es gebe doch wohl mehrere Träger dieses Familiennamens,
beantwortet der Tempelherr damit, dass schon mehrere Mitglieder des
Geschlechts der von Stauffen , darunter sein Onkel, im Heiligen Land
umgekommen seien. Seine Richtigstellung, er meine nicht seinen Onkel,
sondern seinen Vater, verstärkt noch Nathans argwöhnisch prüfenden
Blick auf ihn. Als der Tempelherr gegangen ist, glaubt Nathan an Wuchs,
Gang und Gestik Wolf von Filnek zu erkennen und erinnert sich an die
Beziehung zwischen den beiden Namen Filnek und Stauffen. Er beschließt,
der Sache nach seinem Besuch bei Saladin auf den Grund zu gehen.
>
II,8
Daja
soll
Recha
auf Anweisung
Nathans
mitteilen, dass einem Treffen mit ihrem
Tempelherrn
nichts mehr im Wege stehe. Gleichzeitig bittet Nathan sie, weiter
stillzuhalten, um seine Pläne in Ruhe verfolgen zu können. Und
selbstverständlich sei er auch bereit, ihre Gewissensnöte mit
gebührenden materiellen Gegenleistungen zu verringern. Daja, die
auf die Bestechungsgeste überhaupt nicht eingeht, weist jeglichen
Zweifel an ihrer Loyalität gegenüber Nathan entschieden zurück.
>
II,9
Al-Hafi,
der zu
Nathan
gekommen ist, um sich nach der Aufgabe seines Schatzmeisteramtes an
den Ganges zu verabschieden, erfährt zu seinem Erstaunen, dass
Nathan nun offenbar doch gewillt ist,
Saladin
einen Kredit zu gewähren. Ganz entschieden widerspricht er
möglichen Erwartungen Nathans, Saladin sei danach auch eher bereit,
Rat von Nathan anzunehmen. Mit Ironie begleitet Nathan die äußerst
erregte Schilderung des Verhaltens Saladins beim Schachspiel im
Palast, wird aber mit seiner Anspielung auf den unter Umständen
verletzten Stolz Al-Hafis, von diesem entschieden abgeblockt. Da ihm
die Erfolglosigkeit seines Unterfangens, "bei allen schmutz'gen
Mohren" Geld zu leihen, ganz offensichtlich die Motivation
genommen hat, auch weiterhin Schatzmeister zu bleiben, hat er sich
für die Wiederaufnahme seines Lebens als Bettelmönch entschieden.
Es ziehe ihn an den Ganges, wo nur der Mensch an sich, ohne weiteres
Ansehen von Person und Stellung, etwas gelte. Seine Aufforderung an
Nathan, ihn dahin sofort zu begleiten, kann Nathan zumindest im
Augenblick nicht nachkommen, denn er will zunächst noch zu Saladin
und danach noch Abschied nehmen. Al-Hafi, der ihm ins Wort fällt,
ehe Nathan diesen Gedanken zu Ende ausführen kann, will einen
solchen Zeitaufschub nicht gelten lassen und betont, dass nur in der
spontanen Entscheidung die Freiheit des Handelns sichtbar werde. Als
sich Al-Hafi verabschiedet hat, ist Nathan von Al-Hafis
Spontaneität, die er im Einklang von Herz und Verstand sieht,
sichtlich beeindruckt.
*
3. Akt
*
>
III,1
Während
Nathan
auf dem Weg zu
Saladin
ist, fiebert
Recha
im Beisein von
Daja
dem unmittelbar bevorstehenden Treffen mit dem
Tempelherrn
entgegen. Recha kann nicht verstehen, weshalb Daja hofft, der
Tempelherr nehme sie und Daja selbst mit nach Europa. Sie überhöht
dabei in ihrem Eifer die Aufgabe des Tempelherrn quasi zur heiligen
Mission, die er kriegerisch, aber auch damit erfülle, dass er Recha
in das Land führen könne, für welches sie geboren sei. Recha,
dadurch zum Widerspruch gereizt, kann nicht glauben, dass Gott
für sich kriegerisch streiten lasse, indem er sich von einem
Menschen bzw. einer Menschengruppe für sich vereinnahmen lasse. Und
überhaupt nicht einleuchten will ihr, dass ihre Vorbestimmung sie
ins christliche Abendland führen solle. Denn ungelöst bliebe in
einem solchen Denkmodell schließlich auch, wie der einzelne Mensch
denn erkennen könne, für welchen "Erdkloß", welchen
religiös umgrenzten Kulturkreis er vorbestimmt sei. Im Übrigen, so
hält sie Daja entschieden entgegen, sei sie ihre andauernden
Christianisierungsversuche endgültig leid, denn wohin sie deren
unvernünftiges Denken und Fühlen geführt habe, habe ihr die
"Engelsgeschichte" schließlich gezeigt, die ihr im
Nachhinein wie eine Posse vorkomme. Daja, die sich so angegriffen
kaum noch die Wahrheit verkneifen kann, muss sich schließlich
anhören, dass ihre bisherigen Christianisierungsversuche mit
Legenden christlicher "Glaubenshelden" nur insoweit die
Erkenntnis Rechas gefördert hätten, "dass Ergebenheit in Gott
von unserem Wähnen über Gott so ganz und gar nicht abhängt."
Als der Tempelherr eintrifft, beenden die beiden Frauen dieses
Gespräch.
>
III,2
Recha,
die dem eintretenden
Tempelherrn
zu Füßen fallen will, muss ihre Dankesgeste angesichts des
zurückweichenden Tempelherrn abbrechen. Da sie vermutet, dass die
Vorstellungen von Männlichkeit, denen der Tempelherr folgt, dafür
verantwortlich sind, betont sie zunächst, mit ihrer Geste lediglich
Gott erneut für ihre Rettung danken zu wollen. Gleichzeitig nimmt
sie die vom Tempelherrn ausgehende männliche Unnahbarkeit zum
Anlass, sein Verhalten bei ihrer Rettung als eine Verquickung
bloßer Zufälligkeiten mit dem Pflichtbewusstsein eines Tempelherrn
ironisch zu kommentieren. Mit einer gezielten Provokation, dass
Tempelherren in derartigen Situationen "wie etwas zugelernte
Hunde" gar keine andere Wahl hätten, versucht sie den
Tempelherrn aus der Reserve zu locken und gleichzeitig die Zügel in
der Hand zu halten. Ein kleiner Seitenhieb auf
Daja
wegen ihrer Geschwätzigkeit ist alles, was der Tempelherr zunächst
herausbringt. Sein erstaunter und aufgeregter Blick bleibt auf Recha
gerichtet, deren Anblick ihn in Bann zieht. Erst jetzt wird ihm die
Attraktivität Rechas so recht bewusst und dies stürzt ihn wegen
seines Keuschheitsgelübdes in einen inneren Zwiespalt. In
diesem Zwiespalt werden ihm Nathans Worte "Kennt sie nur
erst!" in ihrer Tragweite bewusst. Als er erfährt, dass
Nathan
noch immer bei
Saladin
ist, entzieht er sich unter Hinweis auf mögliche Gefahren der
Situation und verschafft sich damit zunächst einmal eine Atempause.
>
III,3
Recha
zeigt sich nach dem etwas abrupten Weggang des
Tempelherrn
verunsichert, wird aber von
Daja
beruhigt. Diese ist sich klar, dass Recha sich in den Tempelherrn
verliebt hat und der Tempelherr diese Gefühle bis zu einem gewissen
Grad erwidert. Daher rät sie Recha, behutsam vorzugehen. Recha kann
aber mit diesen Andeutungen zunächst nichts anfangen, sondern muss
sich erst einmal über die Gefühle klar werden, die die Erwartung
und der tatsächliche Verlauf der Begegnung mit dem Tempelherrn bei
ihr ausgelöst haben. Jetzt, nachdem sie dem Tempelherrn begegnet
sei, spüre sie nicht mehr die starken Gefühle ("Sturm des
Herzen"), die sie zuvor gehabt habe. Als Daja aber weiter in
sie hineinhorcht, räumt Recha ein, dass nicht alle ihre Gefühle
für den Tempelherrn verschwunden seien. Und doch versucht sie ihre
Gefühle ein wenig zu rationalisieren, wenn sie erklärt, der
Tempelherr sei ihr "ewig wert [...], ewig werter, als mein
Leben". Mit ihrem Ausruf "Was schwatz' ich?" zeigt
sie aber dazu an, dass für sie noch nicht alles geklärt ist.
>
III,4
In einem Audienzsaal des Palasts warten
Saladin
und
Sittah auf
Nathan.
Saladin ist über den von Sittah ersonnenen Plan, Nathan eine Falle zu
stellen, offenkundig nicht glücklich. Weder behagt ihm die Methode, noch
will er sich selbst darum kümmern, bei einem Juden Geld zu bekommen.
Seine Skrupel bestehen auch deshalb, weil er nicht weiß, ob Nathan nicht
doch ein guter und vernünftiger Mann ist. Sittah sieht gerade darin kein
Problem, denn in einem solchen Falle könne man ohnehin mit Nathans
Unterstützung rechnen. Und für die von Saladin gezeigte, typisch männliche
Geringschätzung ihrer Ränkeschmiede hat sie ihrerseits nur wenig übrig.
Mit ihrem Vergleich, dass auch der Löwe bei der Jagd gerne auf die
Listigkeit des Fuches zurückgreift, kann sie ihren Bruder letztlich
beruhigen. Dieser weist sie an, ihn im Gespräch mit Nathan allein zu
lassen und auch das Horchen vom Nebenzimmer aus zu unterlassen.
>
III,5
Im Sitzen empfängt
Saladin
den eintretenden
Nathan.
Saladin, der die Unterredung im Gestus des Fragenden und Antwort
Gebietenden zunächst dominieren will, provoziert Nathan mit der
Frage, ob er sich selbst den Beinamen der Weise gegeben habe. Im
anschließenden Gespräch über Weisheit und Klugheit kann Nathan
der gezielten Provokation ruhig, geschickt und sehr bescheiden den
Wind so aus den Segeln nehmen, dass Saladin, offensichtlich sehr
erregt, aufspringt und nun ohne weitere Umschweife zur Sache kommen
will. Nathan, der immer noch annimmt, der Sultan interessiere sich
für seine mitgebrachten Waren oder für seine Beobachtungen der
Kriegslage während seiner zurückliegenden Reise, erhält zu seiner
Überraschung die Frage gestellt, welche Religion ihm in seinem
Leben am meisten eingeleuchtet habe. Nathans Einwand, er sei Jude,
lässt Saladin nicht gelten, denn ihm gehe es um die bewusste
Erkenntnis und damit um die rationale Beantwortung seiner gestellten
Frage. Um Nathan eine kurze Bedenkzeit zu gewähren, begibt sich
Saladin für eine kurze Zeit ins Nebenzimmer.
>
III,6
Nathan, für einen Moment von
Saladin
allein gelassen, zeigt sich vom Verhalten Saladins überrascht. Dass
dieser statt auf Geld, in so einer Frage einfach auf Wahrheit aus ist, hat
er nicht erwartet. Die Art allerdings, wie der Sultan diese Wahrheit
eingefordert hat, macht ihn aber doch mehr als misstrauisch. Er vermutet,
dass ihm von Saladin mittels der Frage, welche Religion ihm in seinem
Leben am meisten eingeleuchtet habe, eine Falle gestellt werden soll.
Dabei ist er sich bewusst, dass keine Antwort, die die eine oder die
andere Religion als die einleuchtendste auswiese, ihn vor den Angriffen
des Mächtigen schützen könnte. Erst als ihm einfällt, seine Antwort in
Form eines Märchens zu geben, gewinnt er wieder Zuversicht und befreit
sich damit aus dem vordergründig unauflöslichen Dilemma.
>
III,7
Nathan erzählt
Saladin
die Geschichte von den drei Ringen. Vor langer Zeit habe im Osten ein Mann
gelebt, der einen außerordentlichen Ring besessen habe. Der Ring, der
stets vom Vater auf seinen liebsten Sohn vererbt worden sei, habe vor Gott
und den Menschen angenehm machen können. Der Mann habe sich aber nicht für
einen seiner drei Söhne entscheiden können. Aus diesem Grunde habe er
zwei originalgetreue Kopien anfertigen lassen und kurz vor seinem Tode
jedem seiner Söhne einen dieser Ringe mit der Aussicht auf die Führung
des Hauses übergeben. Im guten Glauben, den echten Ring zu tragen, habe
danach jeder von ihnen die ihm versprochene Stellung beansprucht. Aber
trotz aller Versuche habe man den echten Ring nicht herausgefunden.
Saladin besteht jedoch darauf, dass man die Religionen in ihren äußerlichen
Gepflogenheiten sehr wohl unterscheiden könne. Nathan wendet dagegen ein,
dass diese Unterscheidbarkeit nicht für die Wahrheitsfrage gelte. Denn
was man letzten Ende glaube, gründe auf geschichtlichem Herkommen und auf
den kulturellen und religiösen Traditionen der Umgebung, unter der man
aufwachse. Als er mit der Ringgeschichte fortfährt, hat er Saladin schon
überzeugt. In einem Prozess habe man den Streit um den Ring zu klären
gehofft. Der Richter habe aber keine Entscheidung gebracht, sondern
lediglich einen Rat gegeben. Die Praxis nämlich solle erweisen, wer den
Ring mit der Wunderkraft trage. Indem die "Tyrannei des einen
Rings" womöglich absichtlich von ihrem Vater beendet worden sei, sei
der Weg frei für jeden der drei Brüder, die Eigenschaften des Ringes zum
Vorschein zu bringen. Was aber wirklich wahr und richtig sei, entscheide
Gott eines Tages selbst. Saladin ist tief betroffen, ergreift die Hand
Nathans und bittet ihn um seine Freundschaft. Dieser bringt nun freiwillig
das Gespräch auf den von Saladin gewünschten Kredit und verbindet damit
geschickt die Frage nach der Zukunft des
Tempelherrn.
Saladin wünscht daraufhin, den Tempelherrn, dessen Ähnlichkeit mit
seinem Bruder er
Sittah noch vorführen
will, erneut zu sehen. Mit der Vergewisserung, dass Saladin das
Kreditangebot Nathans annimmt, verlässt Nathan den Palast.
>
III,8
Unter den Palmen, in der Nähe des Klosters, wartet der
Tempelherr
auf
Nathan. In einem Selbstgespräch will
er die Gefühle, die ihn seit der Begegnung mit Recha nicht mehr
loslassen, verarbeiten und sich über deren Bedeutung Klarheit
verschaffen. Klar sieht er nun, dass er diese Gefühle nicht mehr
verleugnen kann. Da er sich aber noch immer durch sein Ordensgelübde, das
ihm sexuelle Enthaltsamkeit abverlangt, gebunden sieht, erwägt er nüchtern,
welche Bindewirkung sein Gelübde nach den jüngsten Ereignissen noch
besitzt. Dabei kommt er zum Schluss, dass ihn Gefangennahme, Todesurteil
und anschließende Begnadigung durch
Saladin
von seinem Gelübde entbindet. Das Problem, dass seine Liebe einem jüdischen
Mädchen gilt, erinnert ihn an das, was man über seinen Vater erzählt
habe. Mit ihm jedenfalls fühlt er sich im Einklang, wenn er seinen
Neigungen für
Recha folgt, und Nathans
Zustimmung zu dieser Verbindung gilt ihm als sicher.
>
III,9
Als
Nathan bei seiner Rückkehr vom
Palast unter den Palmen mit dem
Tempelherrn
zusammentrifft, hält der Tempelherr, der sich durch Nathans Verhalten
darin ermuntert sieht, um die Hand
Rechas
an. Nathan reagiert so zurückhaltend darauf, dass der Tempelherr darin
eine klare Zurückweisung sieht. Und daran kann auch der Hinweis auf die
von Recha erwiderte Liebe nichts ändern. Nathan, der von der Entwicklung
überrascht zu sein scheint, will aber zunächst einmal die Identität des
Tempelherrn geklärt wissen, da er offenbar vermutet, dass zwischen Recha
und dem Tempelherrn verwandtschaftliche Beziehungen herrschen könnten.
Der Tempelherr hat keinerlei Verständnis für das von ihm als reine
"Ahnenprobe" gedeutete Ansinnen Nathans. Dennoch erklärt er auf
Nathans Hinweis, er habe einmal einen Tempelherrn namens Conrad von
Stauffen genannt, dass sein Name Curd von seinem Vater Conrad abgeleitet
sei. Nathan zeigt sich zunächst beruhigt, denn ihm scheint es gänzlich
unwahrscheinlich, dass ein an das Keuschheitsgelübde gebundener
Tempelherr gleichen Namens, einen Sohn gezeugt haben könnte. Über diese
Art, die Legitimität seiner Herkunft zu überprüfen, entrüstet sich der
Tempelherr, indem er Nathan entgegenhält, dass er durchaus auch ein
uneheliches Kind, ein Bastard oder Bankert, dieses Tempelherrn sein könne.
Als das Gespräch zu einem Streit zu werden droht, beschwichtigt Nathan
den Tempelherrn zunächst einmal damit, dass er seinen Antrag ja noch
keineswegs abgelehnt habe, nur sofort sehe er sich außerstande, ihm eine
Antwort zu geben. Die Antwort Nathans will der Tempelherr, der die
Einladung in Nathans Haus ablehnt, draußen abwarten.
>
III,10
Daja,
die weiterhin hofft, mit Hilfe des
Tempelherrn
nach Europa zurückzukommen, kann bei ihrem heimlichen Zusammentreffen
mit dem Tempelherrn hören, dass dieser
Recha
liebt. Dadurch sieht sie sich ermuntert, diesem die Wahrheit über Rechas
Herkunft mitzuteilen, zumal sie sich über die vermeintliche
Zurückweisung des Heiratsantrags durch
Nathan
empört. Auf ihre Enthüllung, Recha sei Christin, kann der Tempelherr,
sichtlich enttäuscht, zunächst nur spöttisch reagieren, da er offenbar
vermutet, Daja habe Recha heimlich zum Christentum bekehrt. Erst als
Daja erklärt, Recha sei ein Christenkind und getauft, und ihm bestätigt,
dass Nathan nicht der Vater Rechas ist, kann der Tempelherr die ganze
Tragweite der Enthüllungen erkennen. Die Vorstellung, der "weise, gute
Nathan" habe sich in dieser Weise gegen Gott und die Natur versündigt,
stürzt ihn so sehr in Verwirrung und erschüttert sein Bild von Nathan
derart, dass er dem jeden Augenblick möglichen Wiederzusammentreffen mit
Nathan aus dem Weg geht. Er bittet Recha, ihm auszurichten, dass sie
sich bei Saladin wieder sehen würden. Als Daja dem Tempelherrn am Ende
das Versprechen abringen will, sie selbst neben Recha nach Europa
mitzunehmen, weicht dieser allerdings aus.
*
4. Akt
*
>
IV,1
Daja,
die weiterhin hofft, mit Hilfe des
Tempelherrn
nach Europa zurückzukommen, kann bei ihrem heimlichen
Zusammentreffen mit dem Tempelherrn hören, dass dieser
Recha
liebt. Dadurch sieht sie sich ermuntert, diesem die Wahrheit über
Rechas Herkunft mitzuteilen, zumal sie sich über die vermeintliche
Zurückweisung des Heiratsantrags durch
Nathan
empört. Auf ihre Enthüllung, Recha sei Christin, kann der
Tempelherr, sichtlich enttäuscht, zunächst nur spöttisch
reagieren, da er offenbar vermutet, Daja habe Recha heimlich zum
Christentum bekehrt. Erst als Daja erklärt, Recha sei ein
Christenkind und getauft, und ihm bestätigt, dass Nathan nicht der
Vater Rechas ist, kann der Tempelherr die ganze Tragweite der
Enthüllungen erkennen. Die Vorstellung, der "weise, gute
Nathan" habe sich in dieser Weise gegen Gott und die Natur
versündigt, stürzt ihn so sehr in Verwirrung und erschüttert sein
Bild von Nathan derart, dass er dem jeden Augenblick möglichen
Wiederzusammentreffen mit Nathan aus dem Weg geht. Er bittet Recha,
ihm auszurichten, dass sie sich bei
Saladin
wieder sehen würden. Als Daja dem Tempelherrn am Ende das
Versprechen abringen will, sie selbst neben Recha nach Europa
mitzunehmen, weicht dieser allerdings aus.
>
IV,1
In den Kreuzgängen des Klosters findet der
Tempelherr
den
Klosterbruder, den er längere Zeit
gesucht hat. Dieser hat gerade noch in einem kurzen Selbstgespräch seinem
Unbehagen Luft gemacht, ständig im Auftrag des Patriarchen irgendwelche
Intrigen oder Machenschaften auf den Weg zu bringen, als ihn der
Tempelherr anspricht. In der irrigen Annahme, der Tempelherr habe seine
Meinung über den ihm ehemals zugetragenen Mordplan des
Patriarchen
doch noch geändert, ist ihm die erneute Begegnung mit dem Tempelherrn
mehr als suspekt. Erleichtert, aber nicht minder verwundert, nimmt er zur
Kenntnis, dass der Tempelherr den Patriarchen wegen einer anderen Sache um
Rat fragen will. Offenbar fürchtet er noch immer, dass der persönliche
Kontakt mit dem Patriarchen, den Tempelherrn dazu bringen könnte, seine
Meinung zu revidieren. Der Tempelherr, rundum enttäuscht von dem seiner
Ansicht nach nur vordergründig toleranten, auf reinen Lippenbekenntnissen
beruhenden Verhaltens von
Nathan, hat die
Überzeugung gewonnen, dass "Religion [...] auch Partei" ist.
Als er beginnen will, sich von dem Klosterbruder statt dem Patriarchen den
gewünschten (geistlichen) Beistand zu holen, unterbricht das Kommen des
Patriarchen das Gespräch der beiden.
>
IV,2
Bei seinem Zusammentreffen mit dem im ganzen Pomp auftretenden
Patriarchen
von Jerusalem in den Kreuzgängen des Klosters muss sich der
Tempelherr
zunächst die verhohlen vorgetragene Kritik des Patriarchen wegen seiner
Verweigerung des Mordplans gegen
Saladin
anhören. In diesem Zusammenhang stellt der Patriarch klar, dass er keine
Kritik am Machtanspruch der Kirche und keinen Zweifel an der Übereinstimmung
kirchlichen Handels mit der göttlichen Theodizee gestatte. Als ihm der
Tempelherr im Anschluss daran, den Fall
Recha
ohne Nennung irgendeines Namens vorträgt, lässt er keinen Einwand des
Tempelherrn mehr gelten, sondern wiederholt stereotyp, dass ein Jude, der
einen Christen zum Abfall vom rechten Glauben (Apostasie) verleitet habe,
auf dem Scheiterhaufen brennen müsse. Der Tempelherr, der diese letzte
Konsequenz nicht annehmen will, wird, als er sich vom Patriarchen
verabschieden will, von diesem aufgefordert, ihm den Namen des Juden
preiszugeben. Denn er wähnt sich darin sogar mit Saladin über die
Grenzen der Religion hinweg einig, dass Staat und Gesellschaft in ihren
Grundfesten erschüttert würden, wenn das integrierende Band des Glaubens
zerrissen würde. Mit dem Hinweis, er müsse vor Saladin erscheinen, kann
der Tempelherr weiteren insistierenden Fragen des Patriarchen ein Ende
setzen und erklären, es habe sich nur um einen hypothetischen Fall
gehandelt. Nach seiner Verabschiedung beauftragt der Patriarch, der dieser
Beteuerung misstraut, den Klosterbruder der Sache auf den Grund zu gehen.
>
IV,3
Während Sklaven die Geldstücke von
Nathans
Kredit in den Palast tragen, macht sich
Saladin
Gedanken über seinen weiteren Umgang mit den neuen Finanzmitteln. Bis die
erwarteten Tribute aus Ägypten eintreffen, nimmt er sich vor, äußerst
sparsam damit umzugehen und seine Gaben für die Armen einzustellen.
Einzige Ausnahme: Die Spenden, die am Heiligen Grabe eingehen, sollen
weiterhin zur Versorgung der christlichen Pilger eingesetzt werden.
Sittah
zeigt Saladin ein Gemälde ihres gemeinsamen verschollenen Bruders Assad,
dessen Aussehen sie mit dem des zum Sultan bestellten
Tempelherrn
vergleichen wollen. Der Bruder der beiden ist vor langer Zeit von einem
Ausritt nicht mehr zurückgekehrt. Gegen den Willen seiner Schwester
Lilla
hatte Saladin ihm erlaubt, alleine auszureiten. Aus Gram über den Verlust
des Bruders sei die ältere Schwester Sittahs danach gestorben. Sittah tröstet
Saladin, der sich für dieses Geschehen verantwortlich sieht, mit dem
Hinweis, dass man ja gar nicht wisse, was mit ihm geschehen, ob er nicht
letzten Endes noch am Leben sei. Ihm könne widerfahren sein, was jedem
Mann in so einer Lage passieren könne. Ehe sie ihre diesbezüglichen
Andeutungen fortsetzen kann, erscheint der Tempelherr vor dem Sultan.
>
IV,4
Während
Sittah verschleiert auf dem
Sofa liegt, empfängt
Saladin den
Tempelherrn,
in dem er erneut Züge seines verschollenen Bruders Assad zu erkennen
glaubt. Nachdem er ihm erklärt hat, dass er nicht nur begnadigt, sondern
auch frei sei, bietet ihm der Tempelherr aus Dankbarkeit seine Dienste an,
eine Geste, die Saladin um das Angebot seiner Freundschaft erweitert. Für
Saladin stellt es kein Problem dar, einen Christen in seinem Dienst und zu
seinem Freund zu haben, denn er sieht sich als in religiösen Dingen
tolerant. Als das Gespräch auf Nathan kommt, bringt der Tempelherr, dem
seine tiefe Enttäuschung über dessen Verhalten noch immer anzusehen ist,
seine Klage gegen
Nathan vor. Auch wenn
er vorgibt, sich mehr über sich, denn über Nathan zu ärgern, trägt das
Bild von Nathan, das er nun vor Saladin entwirft, alle Züge der
Verbitterung. Dass er sich Hals über Kopf in
Recha,
das Judenmädchen verliebt habe, sei sein eigener Fehler, dass er aber von
Nathan hinters Licht geführt worden sei, habe eine andere Qualität.
Nathans Verhalten gegenüber Recha, zeige "diesen Ausbund aller
Menschen" als "toleranten Schwätzer". So in die Sache
hineingesteigert, muss sich der Tempelherr gefallen lassen, von Saladin
zurechtgewiesen zu werden. Seine Warnung, Nathan nicht der christlichen
Obrigkeit zu denunzieren, kommt allerdings zu spät. So muss der
Tempelherr um Vergebung dafür bitten, in seiner Wut zunächst zum
Patriarchen gegangen zu sein. Am Ende des Gesprächs fordert Saladin, der
ihm Recha verspricht, den Tempelherrn auf, Nathan zu suchen und mit ihm
wieder vor ihm zu erscheinen.
>
IV,5
Sittah,
die während des ganzen Gesprächs von
Saladin
mit dem
Tempelherrn
schweigend zugehört hat, bestätigt ihm die große Ähnlichkeit mit
Assad. Zugleich hält sie ihm vor, dass er die Gelegenheit nicht
hinreichend genutzt habe, sich nach den Eltern des Tempelherrn zu
erkundigen. Es sei doch nicht auszuschließen, so deutet sie an,
dass bei den ihrem Bruder Assad seinerzeit nachgesagten besonderen
Vorlieben für "hübsche Christendamen" noch eine
Überraschung ans Tageslicht kommen könne. Einig sind sich beide,
dass
Nathan
Recha
dem Tempelherrn zur Frau geben muss. Und Sittah fordert ihren Bruder
auf, Recha unter seine eigene Vormundschaft zu nehmen, wofür sich
Saladin allerdings nicht recht erwärmen kann. Dennoch erlaubt er
Sittah, Recha in den Palast zu beordern, allerdings müsse dabei
jeder Eindruck vermieden werden, man wolle Nathan von Recha
gewaltsam trennen.
>
IV,6
Daja
konfrontiert
Nathan
mit Tätigkeiten zur Vorbereitung der Hochzeit
Rechas
mit dem
Tempelherrn.
Gleichzeitig gibt sie ihm zu verstehen, dass sie ihr Schweigen über
die Herkunft Rechas brechen werde, wenn Nathan sich ihrer Verbindung
mit dem Tempelherrn widersetzen sollte. Ihre Belehrungen über die
Sünde, die er begangen habe, will Nathan freilich nicht hören. Was
den Tempelherrn betreffe, so habe er im Prinzip überhaupt nichts
gegen ihn, benötige aber einfach noch ein paar Tage Zeit, die sie
ihm gewähren müsse. Ehe es zu Verabredungen zwischen Daja und
Nathan über diesen Zeitaufschub kommen kann, betritt der
Klosterbruder
die offene Flur in Nathans Haus.
IV,5
< IV,6 >
IV,7
Vom
Klosterbruder erfährt
Nathan,
dass er wegen seines Verhaltens gegenüber
Recha
von irgendjemandem beim
Patriarchen
denunziert worden ist. Der Klosterbruder gibt Nathan deutlich zu
verstehen, dass er sich vom Patriarchen für dessen christlichen
Fanatismus missbraucht sieht. Als ehemaliger Eremit sei er sei nur
notgedrungen in den Dienst des Patriarchen gelangt. Nathan, der sich
offenbar von der christlichen Obrigkeit entdeckt wähnt, wird vom
Klosterbruder deswegen schnell beruhigt. Dieser verrät ihm, dass er es
gewesen sei, der ihm als Reiterknecht vor achtzehn Jahren in Darun ein
Kind im Auftrag ihres Vaters, Wolf von Filnek, übergeben habe. Die Mutter
des Kindes, eine Stauffin und Schwester des Tempelherrn Conrad von
Stauffen sei zu diesem Zeitpunkt schon verstorben gewesen, der Vater nicht
viel später im Kampf um Askalon ums Leben gekommen. Erst als der
Klosterbruder Nathan zu verstehen gibt, dass er dessen über die langen
Jahre wirkende väterliche Liebe zu Recha höher einschätze als
christliche Orthodoxie, hat er Nathans Vertrauen gewonnen. Dieser erzählt
ihm, daraufhin sein bisher niemand anderem anvertrautes Schicksal. Nathans
Familie, seine Frau und seine sieben Kinder, waren wenige Tage vor der Übergabe
Rechas während eines von Christen durchgeführten Judenpogroms in Darun,
im Hause seines Bruders, verbrannt. Die Übergabe Rechas sei für ihn eine
Prüfung Gottes gewesen, die er dankbar auf sich genommen habe. Als der
tief beeindruckte Klosterbruder ausruft, Nathan habe sich dadurch als
wahrer Christ erwiesen, weist dieser darauf hin, dass sein Verhalten
solcher religiöser Etikettierung und einseitiger Vereinnahmung nicht bedürfe.
Was die Problematik um Rechas Herkunft anbelangt, ist Nathan aber durchaus
bereit, seine formellen Vaterrechte möglichen Verwandten zu überlassen.
Und um diese Fragen endgültig zu klären, bittet er den Klosterbruder,
das in dessen Besitz befindliche Brevier Wolf von Filneks zu holen, in dem
die Verwandtschaftsverhältnisse aufgezeichnet sind. Mit der Vermutung
Daja
könnte ihn beim Patriarchen angezeigt haben, sieht er Daja wieder auf
sich zukommen.
>
IV,8
Daja
teilt
Nathan
ganz aufgeregt mit, dass
Sittah
Recha
zu sich bringen lasse. Trotz der Tatsache, dass Nathan von der
Schwester des Sultans eigentlich nichts Bedrohliches erwartet, will
er doch sicherheitshalber selber bei den Boten Sittahs Genaueres
erfahren. Zuvor allerdings will er von Daja wissen, ob sie hinter
der Denunziation beim Patriarchen steckt. Doch als Daja auf seine
direkte Frage gänzlich überrascht und sichtlich empört reagiert,
scheint er seine Vermutung fallen zu lassen. Während Nathan zu den
Boten unterwegs ist, schwant Daja schon weiteres Unheil: Sie
befürchtet, dass auch
Saladin
Interesse an einer Verbindung mit der Tochter des reichen Nathan
haben könnte. Da sie damit ihre eigenen Interessen, mit Hilfe des
Tempelherrn
nach Europa zurückzukehren, in höchstem Maße gefährdet sieht,
entschließt sie sich nun, ihr Versprechen Nathan gegenüber ein
weiteres Mal zu brechen und Recha bei nächstbester Gelegenheit
reinen Wein einzuschenken.
*
5. Akt
*
>
V,1
In einem Zimmer des Palastes nimmt
Saladin
die Meldung seiner mameluckischen Reiter entgegen, dass die längst
erwarteten Tribute aus Ägypten endlich eingetroffen sind. Der
erste, der diese erfreuliche Nachricht meldet, lehnt die Belohnung
durch Saladin trotzig ab, weil er seinen Sultan erst darauf
aufmerksam machen muss. Der zweite Reiter wird dafür um so mehr
belohnt, auch wenn die Nachricht, die er bringt, für Saladin nichts
Neues mehr darstellt. Zugleich aber lässt dessen Bereitschaft,
seine Belohnung mit einem dritten Reiter, der im Wettstreit um die
Überbringung der guten Nachricht gestürzt war, zu teilen, Saladin
daran glauben, dass seine Männer seinem Vorbild an Freigiebigkeit
zu folgen trachten.
>
V,2
Emir Mansor, der die Karawane mit den
Tributen aus Ägypten nach Jerusalem geführt hat, trifft bei
Saladin
ein und berichtet von den Schwierigkeiten, die die Karawane auf ihrem Weg
überwinden musste. Nachdem Saladin ihn belohnt hat, befiehlt er ihm, mit
neuen Truppen sofort in den Libanon aufzubrechen, um den Großteil des
Geldes seinem Vater zu bringen. Dabei müsse er unterwegs mit Angriffen
der Tempelherren rechnen. Damit alles, wie gewünscht geregelt wird, will
sich Saladin persönlich darum kümmern.
>
V,3
Von seiner Audienz bei
Saladin zurückgekehrt,
wartet der
Tempelherr unter den Palmen
vor
Nathans Haus, um Nathans verbindliche
Antwort auf seinen Heiratsantrag zu erhalten. Die Belehrung, die ihm
Saladin erteilt hat, wirkt noch deutlich nach, so dass er sich darüber ärgert,
wie er sich Nathan gegenüber verhalten hat. Er will es nicht wahrhaben,
dass er selbst, mehr als er in seiner Wut noch Nathan zugeschrieben hat,
von blindem religiösen Fanatismus und Intoleranz getrieben worden sein könnte.
Klar steht ihm vor Augen, dass gerade das, was ihn an Recha so fasziniert,
Einflüsse ihres jüdischen Vaters und einer jüdischen Erziehung sind.
Denn der rein äußerlichen Attraktivität christlicher Frauen, das weiß
er aus Erfahrung, ist er bis dahin niemals erlegen. Während er sich
selbst beschwört, endlich seine Enttäuschung zu überwinden und auf
Saladins Vermittlung zu vertrauen, sieht er Nathan mit dem
Klosterbruder
kommen. Er nimmt daher an, dass Nathan doch vom Patriarchen entdeckt
worden sei und er dies verschuldet habe. Er macht sich deshalb Vorwürfe,
will sich aber auf die neue Situation einstellen und mit Nathan noch
einmal unter vier Augen sprechen.
>
V,4
Nathan
bedankt sich bei dem
Klosterbruder
für die Überlassung des Büchleins, in dem
Rechas
leiblicher Vater, Wolf von Filnek, seine verwandtschaftlichen
Beziehungen aufgezeichnet hat. Er lässt sich darüber hinaus noch
einmal von seinem Gesprächspartner versichern, dass der
Tempelherr,
den Nathan für einen jungen, edlen und offenen Mann hält, ihn beim
Patriarchen
angezeigt hat. Enttäuscht, aber noch immer ohne diesen im weiteren
Gespräch irgendwie zu verurteilen, vertraut Nathan auf die
Wahrheiten, die das Büchlein Wolfs von Filnek enthält. Mit diesem
macht er sich auf den Weg zu
Saladin.
Dabei ist er mit sich einig und seiner Sache offenbar so sicher,
dass ihn die Tatsache, der Patriarch könne seinen Namen erfahren,
noch kurzem Zögern, nicht mehr schreckt. Der Klosterbruder
versichert ihm allerdings trotzdem, seinen Namen nicht dem
Patriarchen zu verraten.
>
V,5
Nathan
und der
Tempelherr
begeben sich dem Wunsch
Saladins
gemäß
gemeinsam zum Palast. Auf dem Weg dahin gesteht der Tempelherr
Nathan, dass er den Fall dem Patriarchen vorgetragen habe, weil er
sich durch das, wie er sagt, "kalte" Verhalten Nathans
nach seinem Heiratsantrag zutiefst gekränkt gefühlt habe. Als ihm
dann in dieser Situation auch noch
Daja
das Geheimnis um
Recha
gelüftet habe, habe er eigensüchtige, von jüdischem Fanatismus
herrührende Motive bei Nathan vermutet. Nathan, der es dem
Tempelherrn zunächst nicht leicht macht, nimmt allerdings dessen
Entschuldigung an. Der Tempelherr, der befürchtet, der
Patriarch
könne Nathan Recha wegnehmen und ins Kloster schicken, wiederholt
seinen Heiratsantrag erneut. Dabei ist es ihm ausdrücklich gleich,
welche Religionszugehörigkeit Recha besitzt. Ja darüber hinaus,
fordert er Nathan auf, auch in Zukunft das Geheimnis ihrer
Abstammung vor Recha zu wahren. Zuletzt zieht er noch seinen letzten
Trumpf, um Nathans Einverständnis zu erlangen: Nur er könne Recha
für Nathan - und für sich selbst wohlgemerkt - noch retten. Doch
auch dieses Mal hält Nathan den Tempelherrn hin und verweist
darauf, dass seine Nachforschungen ergeben hätten, dass Recha einen
Bruder habe, von dessen Einwilligung alles abhinge. Der Tempelherr
sieht dadurch neue Verwicklungen auf sich zukommen und dreht nun
das, was er zuvor noch gegen Nathans Verhalten vorgebracht hat,
einfach um. Wenn Recha diesem christlichen Bruder übergeben werde,
verliere Recha, dieser von Nathan erzogene "Engel" alles
und werde schließlich christlich "verhunzt". Als der
Tempelherr daraufhin erwägt, mit Recha zu fliehen, macht ihn Nathan
darauf aufmerksam, dass sie sich ebenfalls schon im Palast Saladins,
bei
Sittah,
aufhalte.
>
V,6
In Sittahs Harem im Palast finden
Sittah,
die Schwester
Saladins,
und
Recha
schnell zu einem offenherzigen und freundschaftlichen Verhältnis
zueinander. Sittah zollt der jungen Frau Anerkennung für deren
kluges und frommes Wesen, das sie auf häufiges Lesen von Büchern
zurückführt. Recha erklärt ihr dagegen, dass sie ihr Wissen nicht
"kalter Buchgelehrsamkeit", sondern ihrem Vater
Nathan
verdanke, der es immer verstanden habe, ihr den Sinn der von ihm
vermittelten Wertvorstellungen und Wissenstatbestände rational
einsichtig und nachvollziehbar zu machen. Jetzt aber, so müsse sie
sich endlich Luft verschaffen, habe sie große Angst, ihren Vater zu
verlieren. Inständig bittet sie Sittah zu verhindern, dass ihr ein
anderer Vater aufgezwungen werde. Als Sittah Näheres erfahren will,
teilt ihr Recha mit, dass sie von
Daja
auf dem Weg in den Palast damit konfrontiert worden sei, dass Nathan
überhaupt nicht ihr Vater und sie selbst eine Christin sei. In
ihrer Verzweiflung wirft sie sich Sittah zu Füßen, wird aber
sogleich von dieser gebeten, sich wieder zu erheben, da Saladin
Sittahs Harem betritt.
>
V,7
Als
Saladin
zu
Sittah
und
Recha
kommt, fällt Recha vor ihm zu Boden und erhält dessen Versprechen,
ihr
Nathan
nicht als Vater zu nehmen. Dabei stimmt er mit ihr auch darin
überein, dass die Blutsverwandtschaft nicht allein maßgebend sein
könne. Zugleich bietet er sich selbst als einen Ausweg aus einem
möglichen Dilemma an. Sollte es tatsächlich zum Streit kommen,
dann sei er bereit, die Stelle ihres Vaters zu übernehmen, wenn sie
dies wünsche. Doch im Grunde sieht Saladin darin angesichts der
künftigen Verbindung Rechas mit dem
Tempelherrn
kein ernsthaftes Problem. Seine diesbezüglichen Andeutungen kann
die völlig aufgewühlte Recha aber in diesem Moment, als eine
Sklavin die Ankunft Nathans und des Tempelherrn meldet, nicht recht
verstehen.
>
V,8
Nach seiner Begrüßung durch
Saladin
sieht
Nathan, dass
Recha
offenbar geweint hat. Er will daher von ihr wissen, ob sie ihn noch immer
als Vater und er sie als Tochter ansehen könne. Als Recha dies in einer Form
bejaht, dass der Tempelherr glaubt, ihr eigentlich gar nichts zu bedeuten,
bittet er Saladin, weitere Vermittlungsversuche einzustellen. Dieser
fordert Recha auf, dem
Tempelherrn ihre
Liebe zu bekennen, um die Verbindung der beiden herbeiführen zu können.
Doch Nathan schreitet mit dem Hinweis ein, dass dazu zunächst Rechas
Bruder gehört werden müsse. Darauf erfährt der Tempelherr nun seine
wahre Identität. Sein Name sei, so bedeutet ihm Nathan, nicht Curd von
Stauffen, sondern Leu von Filnek. Sein Vater Wolf, der kein Deutscher
gewesen sei, sei mit einer Schwester des Tempelherrn Curd von Stauffen
verheiratet gewesen, habe mit ihr einige Zeit in Deutschland gelebt, sei
aber wegen des rauen Klimas dort wieder nach Palästina zurückgekehrt.
Ihn aber habe Wolf zur Erziehung dem Bruder seiner Frau, Curd von Stauffen,
in Deutschland überlassen. Als Nathan desweiteren enthüllt, dass der
Tempelherr der Bruder Rechas ist, erregt er damit allgemeines Erstaunen
und der Tempelherr ringt sichtlich um seine Fassung. Während Recha, alias
Blanda von Filnek, die neue Lage offenbar sogleich akzeptiert, muss Leu
sich einmal mehr von Saladin zurechtweisen lassen, ehe er in der Lage ist,
diese Umdeutung seiner Beziehung zu Recha hinzunehmen, in der
Geschwisterbeziehung gar eine Aufwertung der Bande zu erblicken, die ihn
nun mit Recha verbinden. Saladin, der wegen den Ausführungen Nathans über
Wolf von Filnek ins Nachdenken gekommen ist, kann mit Hilfe des Breviers
des Klosterbruders, das Nathan mit sich führt, die wahre Identität Wolfs
von Filnek lüften: Es handelt sich um seinen verschollenen Bruder Assad
und Leu und Blanda sind nichts anderes als dessen Kinder. In gegenseitigem
Einverständnis, das sich gestisch in Umarmungen aller Beteiligten ausdrückt,
löst sich der lange mögliche Konflikt.
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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
04.11.2020