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Hofmannswaldau (1616-1679): Beschreibung vollkommener Schönheit

Aspekte der Analyse und Interpretation


FAChbereich Deutsch
Glossar Literatur Autorinnen und Autoren Christian Hofmann von Hofmannswaldau (1618-1679)   Lyrische Texte Die Welt
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Barock (1600-1720)
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Petrarkismus und barocke Liebesauffassung
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Das Sonett "Beschreibung vollkommener schönheit" von »Christian Hofmann von Hofmannswaldau (1616-1679) gilt oft als ein Beispiel für den barocken ▪ Manierismus. womit der Sprachstil, vor allem auch der galanten Lyrik im Spätbarock als besonders "übertrieben", "schwülstig" und durch und durch "gekünstelt" abgewertet wird. Dabei handelt es sich im Kern um ein reines Geschmacksurteil, das jeder Rezipient für sich selbst fällen kann. Eine Textqualität lässt sich damit aber wohl kaum beschreiben.

Hinzukommt, dass auch die solcherart als manieristisch abgewertete Lyrik auf den gleichen poetologischen Grundlagen steht, wie andere hochgewertete Beispiele der barocken (Liebes-)Lyrik. Was die so gescholtene manieristische Lyrik aber leistet, ist nicht wenig, macht sie doch, indem sie die "Kunstgriffe ihrer Gestaltung im Sinne sprachlicher (und auch inhaltlicher) 'Artistik' überhöht" (Rädle (o. J.), "Schwanen-Schnee und Haar aus Gold") genau diese auch sichtbar macht. Dass genau dies auch zum Vergnügen des Lesers vorgeführt wird, der "Spaß" daran hat, wenn ein Autors in höchstem Maße geschickt mit dem ihm zu Verfügung stehenden Repertoire an festgelegten Motiven, Bildern und rhetorischen Strategien umzugehen versteht und ihn mit neuen Kombinationen und Anspielungen überraschen und damit auch unterhalten kann.

Das Spiel mit den Strukturen des petrarkistischen Schönheitspreises, dessen konventionalisierte Formen, Themen und Motive dem Publikum bekannt waren, gehören nicht nur dazu, sondern stehen angesichts ihrer Bedeutung dabei im Mittelpunkt.

Dabei folgt Hoffmannswaldau in seinem Sonett "Beschreibung vollkommener schönheit" zunächst einmal dem, was gemeinhin beim ▪ petrarkistischen Schönheitspreis und der ▪ petrarkistischen Frauenbeschschreibung erwartet werden darf. In einer asyndetischen Reihung (enumeratio) lobt er über 13 Verse hinweg in nur einem einzigen langen Satz mit den üblichen Stereotypen vor allem die körperlichen Vorzüge der angebeteten, aber nie erreichbaren Geliebten und folgt damit grundsätzlich der "antinomischen Konfiguration Geliebte-Liebender" (Niefanger 2006, S.109), konzentriert sich aber über die zwölf Verse ausschließlich auf den Schönheitspreis der Geliebten.

Erst der letzte Vers vollendet die Aufzählung zu einem syntaktisch korrekten Gesamtsatz. Zwölf der insgesamt dreizehn Aufzählungsglieder wird mit einem Zahlwort ("ein", "zwei" (bzw. unbestimmten Artikel "ein") am Versanfang verbunden, wobei das "ein" im Zusammenhang mit dem Begriff "Haar" im ersten Vers offenbar nur deshalb kombiniert wird, um das Spiel mit den Zahlen "eins" und "zwei" als Strukturprinzip durchhalten zu können.

Die Glieder der Aufzählung sind als grammatische Parallelismen mit jeweils einem Attributsatz (Relativsatz) verbunden, der in den meisten Fällen mit einem ▪ Relativpronomen an das Aufzählungsglied angefügt wird und Näheres über dieses aussagt.

Der Begriff Zierrat in Vers 13 fungiert in gewisser Weise als übergeordnete Kategorie für die beim Schönheitspreis ansonsten einzelnen aufgeführten Vorzüge der Geliebten. 

Dass sich Hoffmanswaldau mit seinem Sonett an der barocken Überbietungspoetik beteiligt, wird insbesondere an den verwendeten sprachlich-rhetorischen Mitteln und dem spürbaren Willen zu starker Stilisierung und origineller Formgebung erkennen. Rädle (o. J.), "Schwanen-Schnee und Haar aus Gold") hat dies beispielhaft wie folgt herausgearbeitet. Der Übersichtlichkeit halber ordnen wir ihre Analyseergebnisse in einer gegliederten Aufzählung an. Danach

  • verwendet Hoffmannswaldau die für den petrarkistischen Frauenpreis typische Pretiosenmetaphorik (Perlen, Rubin, Alabaster, Zierat)

  • personifiziert die dargestellten Körperteile als Handelnde: Das Haar "spricht trotz" (Vers 1), der Mund "führt rosen" und "heget perlen" (Vers 2)

  • verwendet im gesamten Sonett zahlreiche Hyperbeln. die nei der Auswahl der Prädikate eine starke Bewegung signalisieren: Rubin "bricht durch alabaster" (Vers 4), die zarten Arme der Dame haben "offt leuen hingericht" (Vers 8)

  • nutzt die Stilfigur der anticipatio in Vers 11 und 12: die Vokabel "grimm", "Ungemach", die eigentlich das Ergebnis der Handlung der Hände beschreibt, wird vorweggenommen und den Händen selbst als Attribut zugeordnet

Vor allem Hyperbeln durchziehen das ganze Sonett:

  • Das Weiß der Haut erscheint verdoppelt als "schwanen-schnee" (zusätzlich durch die Alliteration verziert) und sticht diesen ebenso verdoppelt "weit weit" zurück (Vers 5),

  • scheint "im paradieß gemacht" (Vers 13).

  • zusätzlich mit antithetischer Ausdrucksweise kombiniert: das "zünglein" erscheint im Diminutiv (Verniedlichung), vergiftet jedoch "tausend hertzen" (Vers 3), das "wort" der Dame ist "himmlisch", doch kann es zugleich "verdammen" (Vers 10).

  • auch die gelehrten Anspielungen auf die antike Mythologie werden hyperbolisch "übertrieben": Die Entlehnung der "Locke der Berenike" gewinnt dem ursprünglichen Mythos einen völlig neuen Aspekt ab. Diese Haarlocke wurde der Mythologie nach von ihrer Besitzerin, der ägyptischen »Pharaonin Berenike II., zum Dank für den Sieg ihres Gatten den Göttern geweiht und durch göttliche Einwirkung zum »Sternbild gemacht; von einer außerordentlichen Schönheit dieser Locke ist im Mythos nicht die Rede; diese Eigenschaft wird ihr in Hoffmannswaldaus Sonett durch die Verschränkung der "Verselbständigung" der Locke ("spricht trotz", Vers 1) mit dem Schema des petrarkistischen Schönheitspreises als überraschende neue Sicht zugesprochen.

  • Metapher von der "pracht der Flora" in Vers 6. Hier tritt das Rot der Wangen über die Zwischenstufe des Blühens in Gestalt der römischen Göttin der Blumen und Blüten auf.

Der Schönheitspreis dominiert das Sonett bis zu den beiden epigrammatischen Verszeilen am Ende. Die  "antinomische Konfiguration Geliebte-Liebender" (Niefanger 2006, S.109), die ansonsten Kennzeichen petrarkistischer Lyrik ist, kommt daher im Vergleich damit deutlich zu kurz. So wird denn auch "das Konzept der Schmerzliebe (...) zwar durch Reizwörter wie "gifft" (Vers 3), "blitze" (Vers 7), "verderben" (Vers 9), "bann" (Vers 11) bzw. "freyheit" (Vers 14) aufgerufen, im Sonett selbst jedoch kaum entwickelt. Die Wirkung der Geliebten und ihrer Schönheit, die sich in Petrarcas Sonett auf verhängnisvolle Weise allein auf den Sprecher konzentriert, bleibt bei Hoffmannswaldau infolge der allgegenwärtigen Hyperbolik im Allgemeinen: es sind "tausend hertzen", die ihre Schönheit in den Bann zieht, es sind "männer" ohne zahlenmäßige Spezifizierung, die ihrem Blick erliegen. In dieser Streuung ist eine Vorstellung von zerstörerischer Liebesqual nicht herzustellen, auch nicht durch das zusätzliche Aufrufen der topischen Vorstellung vom Irrsinn und Wahn des Liebenden in Vers 14 ("witz"). Der epigrammatische Schluß, der eine Allgemeingültigkeit des Inhalts suggeriert, macht vollends deutlich, daß in diesem Sonett allgemein Bekanntes, Topisches neu formuliert wird." Rädle (o. J.), "Schwanen-Schnee und Haar aus Gold") Zudem beinhalte er eine Pointe, die jenseits des Inhalts noch einmal auf die poetische Wortkunst des Gedichtes an sich verweist, wie Zymner (1995, S.24, zit. n. Rädle (o. J.), "Schwanen-Schnee und Haar aus Gold") )

»Die Schönheit bringe ihn um "witz" (also etwa ‘Einfälle’ und ‘Kombinationskunst’) und "freyheit", heißt es, obwohl der metaphern- und anspielungsreiche Text vorher genau das Gegenteil beweist. Der Sprecher zeigt in der Abschlußpointe seinen ‘Witz’, und er rückt das Sonett als ganzes gleichzeitig in eine Art kontrollierender Distanzierung. Es wird die Ohnmacht vor der Schönheit vorgegeben und gleichzeitig formal genau das Gegenteil demonstriert: Vollkommene Kunstbeherrschung nämlich.« 

Darüber hinaus entfernt sich Hoffmannswaldau auch sonst von den für die Laura-Sonette Petrarcas konstitutiven Liebeskonzeption. In der Beschreibung der Geliebten werde, so Rädle (o. J.) eine "Intimität hergestellt, die die sich nicht mit der Vorstellung von der entkörperlichten und vergöttlichten Laura in Petrarcas Sonett vereinbaren läßt. Die Verniedlichung des »Züngleins« und vor allem die farbenreiche und plastische Beschreibung der Brüste geben der Darstellung der Geliebten einen deutlich irdischen und erotischen Zug."

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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 23.12.2023

 
 

 
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