GErrn gesellt sich
gleich und gleich
[Eine Jungfraw klaget
über ihren
Alten
und kalten Mann.]
auf vorige Melodey.
1.
GErrn gesellt sich
gleich und gleich, Arm und Arme, Reich und Reich, Jung und Jung
zusammen, schön und schöne, fein und fein, Alt und Alte, Rein vnd Rein,
durch die Liebes=Flammen.
2.
Arm und Reiche werden
zwar, offtermahl ein Liebespaar, auch die Ungestalten, kriegen offt was
schön vnd fein, ja ein junges Mägdlein, freyt offt einen Alten.
3.
Eine kleine Weile nur,
schlägt doch diese Liebes=Uhr, die, wie Flut verschwimmet, wie ein
Schaum der erstlich göscht
1 und ein Füncklein bald verlöscht, ob es
gleich erst glimmet.
4.
Hätt' ich doch zuvor
gewust, was für eine kalte Lust, alter Männer hätten: Wär', ich wol all
mein Lebenlang, bracht in keines Alten Zwang, durch
Cupdidons2
Kätten3.
5.
Leider doch ist es
geschehn, vunnd ich muß sehr trawrig sehn, meinen alten
Jecken4, Schand
vnnd Jammer ist es doch, daß ich mich an solchem Joch, bey dem Alten
stecken.
6.
Bey dem Alten werd ich
alt, runzlicht, häßlich, kranck vunnd kalt, meine
Rosen=Wangen, werden
bleich und sind wie todt, meiner Lippen Purpurroht, ist auch fast
vergangen.
7.
Denn ich weine Tag und
Nacht, daß ich so ein Kreutz gemacht5, meines jungen Lebens,
nur vmb
schnödes Gelt vnnd Gut, welches doch
bey Liebes=Glut, alles ist
vergebens.
8.
Zwar ich dacht': ein
alter Mann, ja nicht lange leben kan;
Ey! er muß doch bald schnappen,
nach dem letzten Athem ja, den so kan ich völlig da, Geld und Gut
ertappen6.
9.
Komm' alsdann ein
Junges=Blut, so
sey mir der Reichthumb gut, seine Gunst zu kriegen; Dem
aus Liebe, Trew und Fleiß ich mich jhm, vnd er sich weiß,
mir fein zu
zufügen7.
10.
Was ich mache, doch
gar nicht, meinem Alten recht geschicht:
Bald bin ich geschmücket, gahr
zu schöne, bald zu schlecht, bald ist diß, bald das nicht recht, vnd
sich übel schicket.
11.
Zih' ich schöne
Kleider an, dänkt er, daß die neben=Bahn8, ich wol möcht außspähen:
Geh'
ich aus, so schawet er,
ob vielleicht auch mein Begehr, andern nach zu
gehen.
12.
Doch bey seinem Leben
nun, darff vnnd wil ich das nicht thun:
Würd' er aber sterben, deß ich
warte mit Gedult,
wolt ich eines Jungen Huld, Lieb vnd Gunst erwerben.
13.
Denn ich bin des
Lebens satt, vnd vom Trauern Kranck und Matt:
Ach! wie kan ich haben,
Freud, eh mich das
Glücke tröst, vnd vom Alten micht erlöst, daß er wird
begraben.
14.
Meinethalben mag er
zwar, lieber noch wol dieses Jahr, auch mit seinen Geldern, immer balde
wandern hin, weil ich wohl zu frieden bin, zun Elysern9 Feldern.
15.
Doch wenn jhn der Todt
begehrt, lieber nicht, als ich
jhn wehrt10, schätze in meinem Hertzen; So
komm ich in Tellus=Schoß11, eher als
sein Todt mich loß, macht von Pein
und Schmerzen.
(Quelle: Venus-Gärtlein.
Ein Liederbuch des XVII: Jahrhunderts. Nach dem Drucke von 1656,
herausgegeben von Max Freiherrn von
Waldberg, Halle a. S.: Max Niemeyer 1890, S. 19-21) - pd -
gemeinfrei)
Worterläuterungen:
1
göscht: gischt
2 Cupido: »Cupido
Amor, oft auch Cupido genannt; in der römischen Mythologie der Gott und die
Personifikation der Liebe (genauer: des Sichverliebens); wird meist als
halbwüchsiger Knabe mit einer gewissen schalkhaften Bosheit aufgefasst, der
mit seinen Pfeilen ins Herz trifft und dadurch die Liebe erweckt.
3 Kätten =
Ketten
4 Jeck =
einfältiger Narr
5 ein
Kreutz gemacht: redensartlich wohl im Sinne von "Jeder hat sein Kreuz zu
tragen", sein Schicksal tragen müssen; hier auch denkbar als Unterschrift
unter einen Ehevertrag
6
ertappen: erhaschen, erwischen
7 mir
fein zu zufügen: hier im Sinne von: mir alles recht machen, mich so
behandeln, wie ich will
8 neben=Bahn:
auf Abwege geraten
9 Elysern:
»Elysium,
in der griechischen Mythologie "Insel der Seligen"
10
als ich jhn werth: als ich
ihn (den Tode) erleiden werde
11
Tellus=Schoß: ital. Gottheit der Erde, die das
Saatkorn in ihrem Schoß sich entwickeln lässt, später als Terra Mater
(Mutter Erde) der griech. Gäa (s. d.) gleichgestellt, hier im Sinne von:
unter der Erde sein, begraben sein