ACh schoen Jungfraw
halt mir zu gut
Cavallier.
ACh schön Jungfraw halt
mir zu gut, warumb ich euch thu fragen, mit fragen man nicht irren thut,
ich bitt jhr wolt mirs recht zusagen, ob jhr wolt seyn die Liebste mein,
mein Weiblein in mein Kämmerlein, ob jhrs mit mir wolt wagen.
Jungfraw.
Ewer Frag hab ich
vernommen wol, kan drauff kein Antwort geben, daß ich sie euch
abschlagen sol, ist mir wahrlich nicht eben, ich wil fragen die Mutter
mein, vnnd wil sie nicht so muß es seyn,
einen Mann muß sie mir geben.
Tochter.
Ach Mutter Liebste Mutter
mein, gute Zeitung1 thu ich euch bringen, es hat ein
wacker Knäbelein,
thun in der Lieb gewinnen, er hat mir auch gesprochen an, ob ich jhn
wolte haben, zu einem Mann, auch Mutter raht zu den Dingen.
Mutter.
Ach Tochter
ich gläub du
seyst bethort, mit einem Mann zu nehmen, hab ich doch all mein Tage
nicht gehört,
ins Hertz solst du dich schämen, daß du so gerne hättest
einen Mann, ja warlich den hättest du lang solt han, für GOTT ja meinen
HErren.
Tochter.
Ach liebe Mutter sagts
mir recht, wie könt ihr solches wehren, so groß als ewr, ist meine
Mütz2,
darauff kan ich wol schweren, vnd
sind auch noch viel Jungfräulein, die
als meine, viel kleiner seyn, und thun doch Männer nehmen.
Mutter.
Ey habe die Pocken vnd
auch die Gicht,
mit einem Manne zu walten, bistu kein fünffzehn Jahr
noch nicht, wilst solche Schantz3 außhalten,
wenn du nu wehrst die achzehn Jahr, so sag ich hiermit füwar, nicht länger auffzuhalten.
Tochter.
Ach achzehn Jahr ist gar
zu lang, ach Mutter thut jhrs bedencken, jhr macht doch so
Angst und
Bang, vnd thut mein Hertze kräncken,
wahret jhr doch noch nicht
vierzehn Jahr, erstmahl das ewre Hochzeit wahr, ach Mutter last euch
lencken.
Mutter.
Ihr jungen Schnappen4 jhr
wißt gar wol, wenn jhr es nur wolt sagen, ich gläub jhr seyd gar Mannes
voll, euch gehört darnach zu fragen,
daß ich so jung nam einen Mann,
dasselbig wolt mein Vater han, ich durfft es jhm nicht versagen.
Tochter.
Dieweil es denn
auch wol
bekommen ist, in ewren jungen Jahren, so
saget mir doch zu dieser frist, warumb solt ich den sparen, ich erkenne meine Zeit! vnd ist nicht weit,
einen Mann zu nehmen,
vnd das ist Zeit, an mir ist nichts zu spahren.
Mutter.
Ach Tochter, lieber
erwarte nur, vermelte5 achzehn Jahr, alsdann so frey du immer zu,
vnd
kein halb Jahr mehr warte, denn du noch nicht kanst kündig seyn, was dir
wol mag gebühren, hinein, in eine große Haushaltung.
Tochter.
Ach Mutter es sey euch
abgeschlagen, achzehn Jahr die haben Sanct6
selten, ich wil nehmen wer
mir wil han, will nicht achten ewr schelten, sterb ich denn ein
Jungfräwlein rein, gibt es doch nicht die gelegenheit mein,
Flederwisch7
wollen nicht mehr gelten.
(Quelle: Venus-Gärtlein.
Ein Liederbuch des XVII: Jahrhunderts. Nach dem Drucke von 1656,
herausgegeben von Max Freiherrn von
Waldberg, Halle a. S.: Max Niemeyer 1890, S. 66-67) - pd -
gemeinfrei)
Worterläuterungen:
1
Zeitung: Nachricht, Neuigkeit
2 Mütz:
Frauenhaube
3 Schantz:
Blendung, Blendwerk, Mummenschanz
4
Schnappen: hier i. S. von frühreifen Mädchen; mit Schnappen wird
der eigentümlichen Klang bezeichnet, wenn der Auerhahn seinen Balzruf
anschlägt;
5 vermelte: h.
i. S. von die besagten bzw. die schon erwähnten (achtzehn Jahre)
6
Sanct: die Heiligen alle; ein aus dem Lat. sanctus
entlehntes, und im gemeinen Leben übliches Wort, welches nur den Namen der
Heiligen ausspricht und ein unveränderliches Beiwort benutzt wird;
7 Flederwisch:
das erste Glied eines Gänseflügels mit den daran befindlichen Federn, das
zum Staubwischen im Haushalt benutzt wurde; der Ausdruck dient aber auch
dazu, eine junge Frau, die in Bezug auf das andere Geschlecht sehr
zurückhaltend oder stolz war, zu kennzeichnen, indem man von ihr sagte, sie
habe nur Flederwische anzubieten. Sie würde nämlich jedem Freier mit einem
Flederwisch nachkehren. Am Ende jedoch müsse sie, da sie ohne einen Ehemann
verarme, ihre Flederwische auf dem Markt verkaufen.