ACh ich armes
Mägdlein klage
[Die kan keinen Mann bekommen]
1.
ACh ich armes Mägdlein
klage, daß nun meine besten Tage, leider sind geflossen hin, vnnd ich
ohne Mann noch bin.
2.
Meine Mutter in der
Tugend, weiß mich an zu aller Tugend, daß ich lernte Höffligkeit, wie in
Franckreich thun die Leut.
3.
Was hilfft michs, daß ich
mich schmücke, Auff All Mofisch neig vnd bücke, Speculiere Tag vnd
Nacht, wie ich höfflich sprechen mag.
4.
Was hilfftsdas der thewre
Schneider, mir auch macht viel thewre Kleider, hier zersetzt vndd dort
zerlapt, mich so wunderlich verkapt-.
5.
Daß ich auch die thewren
Kragen, siebenfach bespritzt muß tragen, daß ich kräuse meine Haar,
trag die Brüste offenbahr.
6.
Wenn ich vor dem Spiegel
stehe, mich von Haupt zu Fuß besehe. so ist gleichwol mein Gesicht, so
gar Ungerstalt noch nicht.
7.
Was in einem Ort kan
feilen, kan das andre dem mittheilen, ich seh an andern daß, jhnen auch
wohl mangelt was.
8.
So die Haare einen
zieren, können mein auch wol passieren, ist die Stirne rund und glat,
mein ist auch nicht scheff noch plat.
9.
Hat ein andre schöne
Augen, weiß ich auch daß meine taugen, ist der andern Nase fein, mein
ist nicht zu groß noch klein.
10.
Hat ein andre schöne
Wangen, so kan ich damit auch prangen, hat sie schönen Mund und Zähn,
hierin kan ich auch bestehn.
11.
Ich kan meinen Mund so
halten, dicht in Schrauben vnd in Falten, meinen Halß gerad vnd steiff,
als wie eine Orgelpfeiff.
12.
Ist ein andre schmahl von
Leibe, ich bins auch so lang ichs bleibe, hat ein andre zarte Hand, mein
finds auch auff ein End.
13.
Summa was an Leib vnd
Leben, einer andern ist gegeben, hab ich so gesund vnd frisch, als im
Wasser ist ein Fisch.
14.
Doch sind alle diese
Dinge, GOTT erbarm es, zu geringe, weil ich noch an keinen Mann, kommen
vnd gelangen kan.
15.
In die Kirche ich
fleissig gehe, vnd mich über all vmbsehe, ob mich etwann ein Gesell,
sitzen sieht an meiner Stell.
16.
Steht der Liebste aber
droben, So ist mein Andacht erhoben, bißweiln seh ich nach dem Chor, ob
er einmahl guckt hervor.
17.
Ich fahr auch offt
spatzieren, steh am Fenster vor der Thüren, auch mir ein Gewerbe mach,
hilfft doch alles nicht der Sach,
18.
Bitte jemand mich zu
Ehren, ich kom allzeit ohn beschweren, Gastgebot vnd Hochzeittag, ich
nicht gern verseumen mag.
19.
Mancher sich wol vor mir
neiget, Reverentz, mir Ehr erzeiget, scharret kratzet, als ein Hahn,
weiter wil er nicht daran.
20.
Man pflegt meiner nicht
zu schonen, tantzen springen, Pantilionen, macht mir müde Füß vnd Leib,
aber vngfreyt ich bleib.
21.
Man sagt mir von Liebes
Sachen, aber nicht von Hochzeit machen, sprechen wenn es klappen sol,
Jungfraw gestern war ich wol.
22.
Ob sich mancher schon
erbarmet, vnd zum Possen mich vmb Armet, küsset mich auch auff den Mund,
gehts doch nicht von Hertzen=grund.
23.
Wenns in Ehren kan
geschehen, vnd die Leut es nur nicht sehen, sonst auch anders nicht seyn
wil, halt ich als ein Lämgen still.
24.
Ob man nach vollbrachtem
Schmause, mich mit Music bringt ui Hause, oder macht ein Ständelein, daß
es scheint ein Ernst zu seyn.
25.
Ist es endlich so
beschaffen, daß ich muß alleine schlaffen, alte Weiber die ich brauch,
können mir nicht helffen auch.
26.
Man macht Kundschafft mit
mir immer, vnbesuchet bin ich nimmer, jeder wil mein Diener seyn, nur
umb Zeitvertreib allein.
27.
Aber mich einmahl zu
nehmen, wl kein Schlingel sich bequemen, geben viel des Abends vor,
morgen suchen sie das Thor.
28.
Nun bin ich so arm nicht
eben, ich hab gnug für mich zu leben, ist es schon nicht Land vnd Sand,
hab ich doch gut Bett Gewand.
29.
Vorhang, Kammertuch vnd Küssen, was die Jungfern haben müssen,
Schleyer, Seiden, Flachs und Woll, hab ich ganze laden vol.
30.
Hausraht, Kreuse, Kesel,
Kannen, Schüsseln, Grapen, Becken, Pfannen, Decken, Bankpfühl vnd was
mehr, man bedarff zur Noth vnnd Ehr.
31.
Ohne das was ich sonst
habe, welches Kleinod, Pfand vnd Gabe, meine Mutter mir erspahrt, vnd
ich auch mit Müh verwahrt.
32.
Sol so lang auch bleiben
liegen, biß ich einen werde kriegen, dem wil ichs zum Liebe Pfand,
trewlich lieffern in die Hand.
33.
Also darff ich mich nicht
schemen, möcht ich heut nur einen nehmen, eh mein Leinen Zeug verfliegt,
Schimmel oder Würmer kriegt.
34.
Eh ich möchte gar
veralten, eh mein Angesicht kriegf Falten, eh mir alles schrumpelt ein
vnd vergeht das Marck im Bein.
35.
Eh die Braut Kist wil
zerspalten, weil das Schloß noch was kan halten, eh es mir gar frist der
Rost, welches mir doch viel gekost.
(Quelle: Venus-Gärtlein.
Ein Liederbuch des XVII: Jahrhunderts. Nach dem Drucke von 1656,
herausgegeben von Max Freiherrn von
Waldberg, Halle a. S.: Max Niemeyer 1890, S. 96-100 - pd -
gemeinfrei)