Unter der Herrschaft
von
»Herzog Eberhard
Ludwig (1676 - 1733) wird der Einfluss der Landstände mit ihren
69 weltlichen und 14 kirchlichen Deputierten für einige Zeit zurückgedrängt.
Sie müssen 1724 in ihrem Streit mit dem Herzog um die
Finanzierung eines
stehenden Heeres, der seit 1698 währt, nachgeben und scheinen damit in
Bedeutungslosigkeit zu versinken. (vgl.
Sting 2005, S.495).
Doch als der Herzog im Oktober 1733, ohne einen
leiblichen Erben zu hinterlassen, überraschend an einem Schlaganfall stirbt,
geraten die absolutistisch geprägten Machtansprüche seiner Nachfolger unter
den wieder erstarkten Landständen bald ins Wanken.
Ehe die
(protestantischen) Landstände den neuen katholischen
»Herzog Carl Alexander (1664-1737) anerkennen,
lassen sie ihn zu verschiedenen Zeitpunkten fünf Mal die so genannten ▪
Religionsreversalien unterzeichnen,
mit denen er die Rechte der württembergischen protestantischen Landeskirche anerkennen muss.
Erst danach sind sie bereit, ihm zu huldigen.
Damit ist der Traum einer absolutistischen
Fürstenherrschaft in Württemberg wieder für einige Zeit verflogen. Die ▪
oligarchische "Ehrbarkeit", der ca. 30 einflussreichsten
Familiendynastien des Landes, gelangt damit, stärker denn je zuvor, wieder
zu ihren schon verloren geglaubten Machtpositionen.
Erst nach der Unterzeichnung einer entsprechenden Urkunde
kann der neue Herzog die Huldigung seiner beiden
Residenzstädte Stuttgart
und Tübingen Ende Januar/Anfang Februar 1734 entgegennehmen.
Von ▪
Ludwigsburg
ist als dritter Residenzstadt ist zu diesem Zeitpunkt offenbar schon keine
Rede mehr, denn der neue Herzog verlegt seine Residenz schon während der
Trauerzeit um den verstorbenen Fürsten wieder nach Stuttgart, lässt die
weiteren Ausbauarbeiten am ▪ Ludwigsburger Schloss stoppen und verfolgt weiter
keine städtebaulichen Ambitionen in Ludwigsburg.
Dem italienischen Baumeister
▪ Donato
Giuseppe
Frisoni (1683-1735) und dem Unternehmer ▪
Leopoldo
Retti (1704-1751) wird der Prozess gemacht und die Angehörigen der im Land
verhassten
Grävenitz-Partei* werden verhaftet.
Aber, auch wenn Herzog Carl
Alexander "von einem ausgesprochen absolutistischen Selbstverständnis und
Machtanspruch" erfüllt ist (Sting 2005,
S.155), kann er diese wohl auch wegen seiner häufigen Abwesenheit als
Truppenführer des Kaisers und wegen der bei seiner Herrschaftsübernahme
wiedererstarkten Landschaft nicht ohne weiteres erreichen.
Zudem sind die
Landstände kaum gewillt, die enormen Kosten der barocken Hofhaltung des
Herzogs, der dazu noch die Schulden seines Vorgängers übernommen hatte, zu
übernehmen, so lange der Herzog durch seine Weigerung, einen Landtag
einzuberufen, das Mitspracherecht der Landstände nicht in vollem Umfang
anerkennt.
Ohne die Genehmigung und Bewilligung der Landschaft einzuholen,
will der Herzog 1735 nach dem Friedensschluss im »Polnischen
Thonfolgekrieg (1733-1735), in dem er an der Seite des Kaisers in Wien
gegen Frankreich, Spanien und Sardinien zu Felde zieht, auch in
Friedenszeiten ein stehendes Heer von
12.000 Mann halten.
Ein stehendes Heer gibt es in Württemberg zwar schon
seit 1673, aber seine Truppenstärke beläuft sich um 1740 herum nur etwa auf
2.5000 Mann, eine kleine Truppe, mit der weder außen- noch innenpolitisch
betrachtet, wirklich Staat zu machen ist.
Über die Hälfte der Soldaten tut
als Hausdragoner in der herzoglichen Residenz Dienst, sorgt dort für den
Schutz des Landesherrn und die Sicherung der Stadtgrenzen. Da noch kein
nennenswerter Kasernenbau stattfindet, ist die Truppe meistens in
Privatquartieren untergebracht. (vgl.
Alt Bd. I, 2004, S.27)
Um die Aufstockung der Truppenstärke im stehenden Heer zu erreichen, agiert
Herzog Carl Alexander an den Ständen vorbei, versucht "über die
Amtsversammlungen im Lande und durch säbelrasselnde Drohungen seiner
Generäle zum Ziel zu gelangen." (Schönleber, S.90, zit. n.
Sting 2005, S.152)
Als im Land zudem auffällt, dass der Herzog
immer mehr Katholiken zu Offizieren seines Heeres ernennt, macht schnell das
Gerücht
von einer möglichen Rekatholisierung Württembergs die Runde.
Wenn auch
dieses Ziel weder vom Herzog noch von der päpstlichen Kurie angesichts der
Machtverhältnisse im Land und im Reich angestrebt wird, der Herzog hält sich
nämlich strikt an die Religionsreversalien, will Herzog Carl Alexander doch
eine Verfassungsänderung herbeiführen, die den Dualismus von Fürst und Land,
das Machtverhältnis von Fürst und Ehrbarkeit, neu bestimmen soll.
Allerdings
gelangt er dabei schnell zur Einsicht, dass daran offenbar wenig zu rütteln
ist und seine ihm verbleibende Lebenszeit setzt diesem Ansinnen bald ein
Ende.
Letzten Endes aber bleibt aber auch ihm nichts anderes übrig, als im Mai
1736 die Landstände nach
Ludwigsburg einzuberufen. Zu der von ihm angestrebten
Verfassungsänderung kommt es indessen nicht mehr.
Im März 1737 stirbt Herzog
Carl Alexander und hinterlässt seine 21 Jahre jüngere Frau »Maria
Augusta Sophia von Thurn und Taxis (1706-1756) mit den gemeinsamen 5
Kindern, von denen die Söhne alle den Namen Eugen tragen, zu Ehren des
»Prinzen Eugen (1663-1736), den der Herzog glühend verehrt hatte.
Von
dem Zweitnamen Gebrauch machen die Söhne allerdings später nicht. Als ihr
Vater stirbt, sind die Kinder zwischen 2 und 9 Jahren alt: ▪
Carl Eugen (geb.
1728), Ludwig Eugen ( geb. 1731), Friedrich Eugen (geb. 1732), Alexander
(geb. 1833, gest. 1734), Augusta Elisabeth (geb. 1734). Der 1729
zweitgeborene Sohn Eugen Ludwig war schon bald nach der Geburt verstorben.
In den weiter schwelenden Auseinandersetzungen mit der Ehrbarkeit wird
der Herzoginmutter
allerdings schnell jeder Einfluss auf die politischen Geschicke des Landes
sowie die Erziehung ihrer Söhne genommen. Die Söhne werden 1741, ihrer
persönlichen Sicherheit wegen, zur Erziehung an den Hof des Preußenkönig »Friedrich
II.(1712-1786), des Großen, in Potsdam gebracht.
Mit Hilfe
Friedrichs des Großen setzt »Maria
Augusta Sophia von Thurn und Taxis (1706-1756) im Januar
1744, einen Monat vor seinem
sechzehnten Geburtstag, die vorzeitige Volljährigkeitserklärung von ▪
Carl Eugen (geb.
1728)durch »Kaiser Karl VII.
(1697-1747) durch und damit seine Regierungsfähigkeit.
Auf dem Weg nach Hause in
sein Herzogtum verlobt er sich mit der noch nicht einmal zwölfjährigen
Ansbacher Prinzessin »Elisabeth
Friedrike Sophia von Brandenburg-Bayreuth (1732-1780), eine Verbindung,
die angesichts des evangelischen bzw. reformierten Glaubensbekenntnisses der
künftigen Herzogin die Zustimmung der württembergischen ▪
Ehrbarkeit findet,
zumal sie sich wegen der besonderen Beziehungen des neuen Herzogs zu Preußen
eine "Verminderung des österreichischen Einflusses auf das württembergische
Herzogtum" erhofft (Sting 2005,
S.482f.).
Wie sein Vater Carl Alexander unterzeichnet der junge Herzog die
▪
Religionsreversalien und erkennt den
▪ Tübinger Vertrag
Tübinger
Vertrag von 1514 an, ohne wohl im Geringsten abschätzen zu können, wie
sehr in diese Akte in seiner Hofhaltung und Regierungspraxis einschränken
würden.
Allerdings trachtet Carl Eugen, nichtzuletzt wegen seiner
▪ pompös
verschwenderischen Hofhaltung und seiner absolutistischer
Repräsentationslust unterworfenen "Bauwut", die ihn stets von der
Bewilligung von Finanzmitteln durch die Landstände abhängig machten, schon
bald darauf, ▪
eigene Finanzquellen zu erschließen.
ERLÄUTERUNGEN
Das württembergische Amt stellt eine "Institution zwischen Gemeinde und
Staat" dar, die als Körperschaft sowohl dem Staat als auch den Bewohnern des
Bezirks verantwortlich ist. Für die Zentralregierung und als Mitglied
der Landschaft (z. B. als Wahlkreis für den Landtag) ist das Amt eine
Verwaltungsbehörde, für die Einwohner des Bezirks eine politische
Körperschaft mit autonomer Verwaltung, die Grundbesitz erwerben, Steuern
erheben (den sog. "Amtsschaden") und für Gesundheit, Arme, die Feuerwehr und
die Instandhaltung von Wegen und Brücken sorgt. (vgl.
Vann
1986, S.220)
*Grävenitz-Partei:
Die
im mecklenburgischen Güstrow geborene
»Wilhelmine von Grävenitz (1686-1744) ist über 20 Jahre lang die
Mätresse von Herzog Eberhard Ludwig (1676-1733) gewesen; von ihrem älteren
Bruder Wilhelm Friedrich von Grävenitz (1679-1754), der als Kammerjunker am
Hof des Herzogs ist, wird sie an den württembergischen Hof gebracht und dort
vom Hofmeister Schafforst, der seit 1693 Hofmarschall und Geheimer Rat ist,
als Teil einer Intrige, die seine eigene Machtposition flankieren soll, mit
dem Herzog, der eine reine Vernunftehe eingegangen war, "verkuppelt". Auf
seiner Flucht vor der Franzosen im Jahre 1707 in die Schweiz gibt der Herzog
seiner Mätresse ein Eheversprechen und lässt sich Ende Juli des gleichen
Jahres in dem württembergischen Örtchen Oberhausen bei Bodelshausen von
einem Theologiestudenten "kirchlich zur rechten Hand" trauen. Der Herzog,
der die Anerkennung dieser Doppelehe durch den Geheimen Rat erwartet, erhebt
Wilhelmine von Grävenitz zur Gräfin von Urach und setzt ihr in einem
Ehevertrag jährlich 10.000 Gulden und eine jährliche Zahlung (Apanage) für
möglicherweise geborene Kinder aus, um ihr und ihnen einen standesmäßiges
Leben zu ermöglichen. Doch nicht nur seine Ehefrau Johanna Elisabetha gerät
darüber in Aufregung und verweigert die Scheidung, sondern auch im ganzen
Land herrscht darüber helle Empörung. Die Klage. die Elisabetha und ihr
Vater beim Kaiser In Wien gegen diese Doppelehe führen, zwingen Eberhard
Ludwig, um einer Amtsenthebung zu entgehen, einer Ungültigkeitserklärung der
Ehe mit Wilhelmine von Grävenitz im Juni 1708 zuzustimmen. Doch damit ist
die Affäre für den Herzog nicht zu Ende. Mit einer Scheinehe kann er die vom
Kaiser vom württembergischen Hof verbannte Märtresse wieder zurückholen. Der
verschuldete Witwer Johann Franz Ferdinand Graf von Würben ist gegen
entsprechendes Handgeld und der Ernennung zum Landhofmeister, Geheimrat und
Kriegsratpräsidenten ohne Ausübung seiner Ämter, aber gegen Bezahlung
versteht sich, bereit, Wilhelmine von Grävenitz offiziell zu heiraten und
dann für immer vom württembergischen Hof zu verschwinden. In der Folgezeit
erlangen Wilhelmine von Grävenitz, ihre Familie und ihre wichtigsten
Gefolgsleute wie der Dr. jur. Johann Heinrich von Schütz (1669-1732) und der
Oberhofmeister K. C. von Thüngen den maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke
im Land. Mit von Schütz und von Thüngen richtet Wilhelmine von Grävenitz das
neue Geheime Kabinetts- und Konferenzministerium ein, das sogar dem Geheimen
Rat vorgeordnet wird. Als von Thüngen 1724 stirbt, bilden nur noch von
Schütz und die Mätresse des Herzogs das Konferenzministerium. Systematisch
gehen beide daran, einheimische Familien wie die der Mensungen, Rühle und
Forstner aus ihren Ämtern der Regierung zu drängen und ihre Positionen mit
Mitgliedern der eigenen Familie oder Günstlingen zu besetzen. (vgl.
Sting 2005, S. 508ff.)
Dabei erweist sich Wilhelmine von Grävenitz, deren "Partei" ab 1711 "eine
fast unumschränkte Macht" innehat (ebd.,
S.510) in manchen Angelegenheiten (z. B. der Schutzbrief-Gewährung für
Juden in ihrer Grafschaft Freudental) durchaus "toleranter und pragmatischer
als die alteingesessene Bevölkerung mit ihren Ressentiments gegen alles
Fremdgläubige." (Oßwald-Bargende
1992, S.178, zit. n.
Sting 2005, S. 510) Als "maîtresse on titre" oder ""maîtresse regnante"
(bestallte oder regierende Mätresse) des Fürsten steht Wilhelmine von
Grävenitz im politischen und gesellschaftlichen Leben Württembergs zwar ganz
oben, aber zugleich mehrt sie mit ihrer Politik Tag um Tag auch das Lager
ihrer Gegner, die je länger sie agiert, auf ihren Sturz und den
Zusammenbruch ihrer Günstlingswirtschaft hinarbeiten. Als es im Frühjahr
1731 zum Bruch zwischen ihr und dem Herzog kommt, ist das sicher für viele
Zeitgenossen nicht mehr überraschend, zumal auch die äußeren Reize der
mittlerweile auch ins Alter gekommenen Mätresse ihre Wirkung auf den Herzog
verloren haben mögen. Jedenfalls söhnt sich Herzog Eberhard Ludwig im Sommer
1731 mit seiner Gemahlin Elisabetha wieder aus und nach dem Tod seines
Sohnes Friedrich Ludwig Ende November des gleichen Jahres lässt er seine
langjährige Mätresse endgültig fallen. Er verbannt sie auf ihre Besitzungen,
lässt sie nach ihrer unerwünschten Rückkehr an den Hof sogar verhaften und
mehrere Monate auf dem Hohenurach in Haft halten, ehe sie auf Vermittlung
des Kaisers freigelassen wird. Über Heidelberg und Mannheim zieht sie weiter
nach Berlin, wo sie sich unter den Schutz des Preußenkönigs stellt und
nahezu in Vergessenheit geraten im Oktober 1744 stirbt. Acht Jahre zuvor
(1736) hatte sie ihre letzten Besitzungen in Württemberg, ihre Güter
Freudental und Unterboihingen, und ihre Rechte auf Wetzheim, sowie 100.000
Gulden, die die Landschaft ihr geschuldet hatte, gegen eine Abfindung von
152.300 Gulden abgetreten. Ihre urprüngliche Forderung nach 300.000 Gulden
hatte die Landschaft abgelehnt. Ihre Begründung: Für das Mensch wird nichts
bezahlt. (vgl.
Sting 2005, S. 511)
▪
Württemberg zur Zeit Herzog Carl Eugens (1728-1793)
▪
Konkurrenzkampf und Prasserei: Absolutistische Repräsentation
von Macht
▪
Fürst und Land - Verfassung in Württemberg
▪
Versailles in Schwaben: Ludwigsburg zur Zeit Carl Eugens
▪
Höfische Festkultur zur Zeit Carl Eugens
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
10.09.2023