[...] Die Nationalversammlung ist ein überlebtes Erbstück
bürgerlicher Revolutionen, eine Hülse ohne Inhalt, ein Requisit aus den
Zeiten kleinbürgerlicher Illusionen...
... Wer heute zur Nationalversammlung greift, schraubt die Revolution bewusst
oder unbewusst auf das historische Stadium bürgerlicher Revolutionen
zurück; er ist ein verkappter Agent der Bourgeoisie oder ein unbewusster
Ideologe des Kleinbürgertums ... Auch diese Parole der gegenrevolutionären
Demagogie übernehmen gehorsam sozialistische Führer, ohne zu merken,
dass die Alternative eine demagogische Fälschung ist.
Nicht darum handelt es sich heute, ob Demokratie oder Diktatur. Die von
der Geschichte auf die Tagesordnung gestellte Frage lautet: bürgerliche
Demokratie oder sozialistische Demokratie. Denn die Diktatur des
Proletariats, das ist die Demokratie im sozialistischen Sinne. Diktatur
des Proletariats ... das ist der Gebrauch aller politischen Machtmittel
zur Verwirklichung des Sozialismus, zur Expropriation der
Kapitalistenklasse - im Sinne und durch den Willen der revolutionären
Mehrheit des Proletariats, also im Geiste sozialistischer Demokratie.
Ohne den bewussten Willen und die bewusste Tat der Mehrheit des
Proletariats kein Sozialismus. Um dieses Bewusstsein zu schärfen, diesen
Willen zu stählen, diese Tat zu organisieren, ist ein Klassenorgan
nötig: das Reichsparlament der Proletarier in Stadt und Land.
Die Einberufung einer solchen Arbeitervertretung an Stelle der
traditionellen Nationalversammlung der bürgerlichen Revolution ist an
sich schon ein Akt des Klassenkampfes, ein Bruch mit der geschichtlichen
Vergangenheit der bürgerlichen Gesellschaft, ein mächtiges Mittel zur
Aufrüttelung der proletarischen Volksmassen, eine erste offene schroffe
Kriegserklärung an den Kapitalismus.
(aus:
Huber,
Dokumente, Bd. III, S. 26)
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Plakat des Spartakusbundes nach den Wahlen
ur Weimarer
Nationalversammlung im Januar 1919
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
22.09.2023