Der •
Spartakusbund entsteht aus der Gruppe Internationale, zu
der sich nach der Zustimmung der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion
zu den Kriegskrediten am 4. Juli 1914, Gegner der "Burgfriedenspolitik"
zusammenschließen.
Vor allem wegen der neuen patriotischen
SPD-Parteilinie wird am 5. März 1915 dieser Zusammenschluss auf
der ersten Reichskonferenz der Gruppe Internationale vollzogen. Ihr
gehören neben •
Rosa Luxemburg (1870 -1919) und
•
Karl Liebknecht (1871-1919) auch »Franz
Mehring (1846-1919),
Wilhelm Pieck (1876-1960) , »Clara
Zetkin (1857-1933) und andere prominente Kriegsgegner an.
Sie sehen
in der Bewilligung der Kriegskredite durch die sozialdemokratische
Reichstagsfraktion einen Verrat an der in zahlreichen Kundgebungen vor
dem Krieg beschworenen internationalen Solidarität der Arbeiterbewegung.
In ihren Augen ist die patriotische Stimmung zu Beginn des Krieges, von
der sich auch unzählige sozialdemokratische Anhänger und Mandatsträger
hinreißen lassen (vgl.
Winkler 1993/2005, S,19), in Wahrheit sogar mehr als ein
"Burgfriede" mit der kaiserlichen Regierung, es ist offene Kapitulation.
Die linke sozialdemokratische Parteiopposition um Rosa Luxemburg
fürchtet im Gegensatz zum Parteivorstand und der Parteimehrheit weder
Parteispaltung, massive staatliche Repression und Ächtung durch die
öffentliche Meinung, die sie im Falle einer Ablehnung unter Umständen
auf die Seite der Kriegsgegner des Reiches gestellt hätten. Und die
Gefahr eines Bürgerkrieges wird von den "vaterlandslosen Gesellen" am
linken Rand der SPD angesichts der Folgen eines imperialistischen
Krieges in Kauf genommen, der allein auf deutscher Seite etwa 2
Millionen Soldaten das Leben kostet. Selbst wenn man den
"Verratsvorwurf" angesichts der Überlegungen der SPD-Parteiführung, über
die gezeigte nationale Solidarität Hindernisse aus dem Weg zu räumen,
"die der sozialen und politischen Gleichberechtigung der Arbeiter nach
wie vor entgegenstanden" (ebd.
S.18), ist der von der SPD im Juli eingeschlagene Kurs Preisgabe
eines fundamentalen Konzepts der marxistisch orientierten
Arbeiterbewegung, des Konzepts vom imperialistischen Krieg nämlich, an
dessen Durchführung die Arbeiterklasse in einer von der
Kapitalistenklasse politisch beherrschten Gesellschaft "objektiv" kein
Interesse haben kann.
So hatte es bis vor dem Kieg auch die internationale Vereinigung
der sozialdemokratischen und sozialistischen Parteien, die 1889
gegründete
»Sozialistische Internationale gesehen, ehe auch ihre
Mitgliedsparteien sich, eine nach der anderen, am Beginn des Krieges vom
proletarischen Internationalismus lossagen, sich hinter ihre nationale
Regierung stellen und ihre Parteigänger, wenn auch in der Regel ohne
große Begeisterung und ohne lauthals verkündete annexionistische
Interessen, auf die Schlachtfelder ziehen lassen.
Trotz ihrer fundamentalen Kritik an der Politik der SPD spaltet sich
die Gruppe
nicht von der Sozialdemokratie ab, sondern bemüht sich zunächst darum,
den Widerstand gegen die Burgfriedenspolitik und den Kampf gegen
den imperialistischen Krieg innerhalb der Partei zu organisieren. Ihre
Mitglieder halten in den Parlamenten und auf Parteiversammlungen aller
Ebenen flammende Reden gegen den Krieg, verbreiten Flugblätter und
sorgen auch, wenn die staatlichen Behörden dies unterbinden wollen, auf
illegalen Wegen für die Verbreitung von Referentenmaterialien und
Informationsbriefen. Auch die Organisation erster
Antikriegsdemonstrationen geht wohl auf ihr Konto. Im Jahr 1915 soll die
Gruppe schon Verbindung zu oppositionellen Gruppen in ca. 300 dt. Orten
besessen haben. (vgl.
Sachwörterbuch der Geschichte Deutschlands und der deutschen
Arbeiterbewegung, Berlin 1969, Bd. I, S. 756)
Nachdem die Gruppe
am 30. Oktober 1914 mit einem in der Schweizer Zeitung "Die Bergwacht"
erschienenen Artikel ihre Kritik an der Sozialistischen Internationale
verschärft und noch weiter von der SPD-Führung abrückt, gerät sie
mehr und mehr ins Fadenkreuz staatlicher Überwachung und Verfolgung.
Zahlreiche Anhänger werden inhaftiert oder, was offenbar ein besonders
beliebtes Mittel ist, zum Militärdienst eingezogen, die Veröffentlichungen der Partei konfisziert.
Ab 1916 beginnt sich die Gruppe reichsweit zu
organisieren und wird Anfang des Jahres in
Spartakusgruppe umbenannt. Unter der
Federführung Rosa Luxemburgs erscheinen jetzt die »"Spartacusbriefe",
deren bewusste Anspielung auf den Anführer eines gleichnamigen
Sklavenaufstandes im Römischen Reich (vgl. »»Spartacus)
der Gruppe den populären Namen gibt.
Außer
•
Karl Liebknecht (1871-1919), der schon im Anfang Dezember 1914 als
erster sozialdemokratischer Reichstagsabgeordneter gegen die
Kriegskredite gestimmt hatte, votierten ein Jahr später 19 weitere
Parlamentarier wie er gegen die Bewilligung von Kriegskrediten.
Als eine
Gruppe von 18 gemäßigten Linken (Zentristen)
am 24. März 1916 gemeinsam mit Karl Liebknecht und Otto Rühle gegen die
Bewilligung des Notetats der Regierung stimmt, werden die 18 Dissidenten
um Hugo Haase, neben Friedrich Ebert Parteivorsitzender, mit 58 gegen 33
Stimmen aus der SPD-Reichstagsfraktion ausgeschlossen. Sechs Tage später
gründen sie die Sozialdemokratische Arbeitsgemeinschaft,
die sich aber weiterhin als Teil der SPD ansieht. ( •
Aktionsprogramm
der Sozialdemokratischen Arbeitsgemeinschaft 1916)
Im Gegensatz zur Spartakusgruppe
bleibt aber das Parlament, nicht die Straße, das Terrain, auf der sie
sich gegen den Krieg wehrt. Da die Gegensätze zwischen der
Sozialdemokratischen Arbeitsgemeinschaft und ihrer Partei weiter an
Schärfe gewinnen, wird sie, wie die äußerste Linke um Karl Liebknecht
auch, am 18. Januar 1917 aus der Partei ausgeschlossen.
Die
ausgeschlossene Sozialdemokratische Arbeitsgemeinschaft ruft daraufhin
Anfang Februar 1917 zu einer Reichskonferenz der sozialdemokratischen
Parteiopposition auf und wird damit zur eigentlichen Keimzelle der im
April des gleichen Jahres in Gotha neu gegründeten •
Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD).
Auch der die Spartakusgruppe tritt unter dem Vorbehalt, ihre
organisatorische Eigenständigkeit in der neuen Partei bewahren zu
können, der USPD bei, die sich klar links von der
Mehrheitssozialdemokratie (MSPD) positioniert. Bis zum Januar 1919
besitzt sie nach einem wirklich beachtlichen Mitgliederzustrom 300.000
Mitglieder (vgl.
Kolb 1984, S.10).
Am 11. November 1918 benennt sich die Spartakusgruppe, nachdem
Karl Liebknecht nach Verbüßen einer Gefängnisstrafe wieder die Führung übernommen
hat, in Spartakusbund um. Dies
geschieht wohl auch, um
eine deutlichere Abgrenzung gegenüber der
zentristischen Parteiführung
der USPD zu signalisieren. Als der Krieg zu Ende ist, verfügen die
Spartakisten über eine eigenständige Organisation, die reichsweit
agiert und agitiert.
Auch in ihren neuen Partei, die mehrheitlich gemäßigten Sozialisten wie
»Eduard
Bernstein (1850-1932), »Hugo
Haase (1863-1919) und »Karl
Kautsky (1854-1938) folgt, befinden sich die Spartakisten
allerdings in der Minderheit. Sie begrüßen die sozialistische »Oktoberrevolution
und die Machtübernahme in Russland durch die »Bolschewiki
unter »Wladimir
Iljitsch Lenin (1870-1924) und »Leo
Trotzki (1879-1940) und verschreiben sich einer »Räterepublik
nach russischem Muster.
Folgerichtig bejahen sie auch die Auflösung des Parlamentes in
Russland durch die Bolschwiki, auch wenn Rosa Luxemburg dabei durchaus
Bedenken hat. Sie
rückt zudem in einem wichtigen Punkt vom "Leninismus"
ab. Das in der Parteivorstellung Lenins dominierende Konzept der
avantgardistischen Kaderpartei, mit ihrer Heraushebung einer mehr oder
minder großen Gruppe von Berufsrevolutionären, sowie die strikte
Organisation der "Partei neuen Typs" auf der Basis des so genannten
•
demokratischen
Zentralismus, werden von ihr nicht geteilt, weil sie
fürchtet, dass daraus eine neue Art von Diktatur entstehen könnte.
Als die Matrosen der deutschen Hochseeflotte Anfang November in Kiel
(3.11.1918) meutern, werden zwar einige der Forderungen der Spartakisten
übernommen, mancherorts finden sie in der Folge auch Eingang in die
programmatischen Ausführungen von Arbeiter- und Soldatenräten in
Deutschland, doch erfolgt dies im Allgemeinen spontan und ohne dass
Spartakisten dabei eine führende Rolle gespielt hätten.
Als die Unruhen auf das Deutsche Reich
übergreifen, kommt es am 9. 11.1918 zur so genannten
Doppelausrufung der Republik
in Berlin. Während der Sozialdemokrat »Philipp
Scheidemann (1865-1939) vom einem Balkon des deutschen Reichstags
aus, eine "deutsche demokratische Republik" ausruft, proklamiert Karl
Liebknecht im Berliner Tiergarten die "freie sozialistische Republik"
(•
Doppelausrufung
der Republik durch Scheidemann (SPD) und Liebknecht
(Spartakusbund), 9.11.1918).
Was manchem auf den
ersten Blick vielleicht gar nicht so weit auseinander zu scheint,
offenbart freilich einen tiefen politisch-ideologischen Graben der in
vollkommen gegensätzlichen Gesellschaftskonzepten mündet:
Parlamentarische demokratische Republik und kapitalistische
Wirtschaftsordnung auf der einen (Scheidemann) und direkte
Rätedemokratie und Sozialismus (Liebknecht). Am 14. Dezember 1918
veröffentlicht der Spartakusbund in seinem neuen Zentralorgan "Rote
Fahne" eine von Rosa Luxemburg verfasste programmatische
Erklärung ( •
Was
will der Spartakusbund?), die die dem sozialistischen Ziel mit einer
Reihe von aktuellen Forderungen näherkommen will.
Auf ihrem Reichskongress
vom 29. bis 31. Dezember 1918
gründen die Spartakisten gemeinsam mit den »»Internationalen
Kommunisten Deutschlands (IKD) am 1. Januar 1919 die •
Kommunistische Partei Deutschlands (KPD).
Beim Ausbruch der
Novemberrevolution 1918 sind die Spartakisten aber "ein kleines
Häuflein", zählen vielleicht einige Tausend Anhänger. (vgl.
Kolb 1984, S.9) "Die eifrigsten Verfechter der Parole "Alle Macht
den Räten" hatten in kaum einem Arbeiterrat einen Sitz gewonnen.
Ebendeshalb gingen sie auf die Straße und entfesselten sie in ihrer
revolutionären Ungeduld eine ungezügelte Versammlungsagitation; sie
suchen auf diese Weise Stärke vorzutäuschen, die sie in Wirklichkeit
nicht besaßen." (ebd.,
S.10)
Trotz alledem: Der Spartakusbund erhebt in der
Novemberrevolution seine Stimme lautstark für die
Beseitigung des kaiserlichen Militarismus und fordert die
Sozialisierung der Schlüsselindustrien. Mit seiner Losung "Alle Macht
den Räten" zielt er auf die Errichtung einer sozialistischen
Räterepublik. Folgerichtig agitiert der Bund, auch wenn dies seine
Führer anders sehen, gegen die Einberufung
einer Nationalversammlung mit dem von dieser vorgezeichneten Weg in die
parlamentarische Republik und will die Bevölkerung zur Weiterführung der
Revolution mit dem Ziel einer sozialistischen Umgestaltung von Staat,
Wirtschaft und Gesellschaft gewinnen.
1 Zentrismus: in der
sozialistischen Literatur verwendeter Begriff für gemäßigte Marxisten,
die sich auf bestimmte Positionen der marxistischen Gesellschaftstheorie
berufen, andere den von ihnen dargestellten besonderen oder geänderten
Bedingungen der Entwicklung des Kapitalismus anpassen (revidieren);
meist mit einem reformorientierten pragmatischen politischen Ansatz, dem
insbesondere das von Lenin propagierte revolutionäre Konzept zur
Machtübernahme durch das Proletariat (Diktatur des Proletariats) im
bolschewistischen Sinne fremd ist. Wichtigster Theoretiker Karl Kautsky.
Abb,: Plakat des Spartakusbundes nach der Wahl zur
Nationalversammlung 1919, Quelle: Wikipedia
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
07.12.2024