docx-Download -
pdf-Download
[…] Wenn jetzt allenthalben in Deutschland ein chaotisches
Durcheinander herrscht, so trägt die Verantwortung dafür nicht die
Revolution, die die Macht der herrschenden Klassen zu beseitigen suchte,
sondern diese herrschenden Klassen selbst und der Brand des Krieges, der
von den herrschenden Klassen entzündet worden ist. „Ordnung und Ruhe muss
herrschen“ so ruft uns die Bourgeoisie zu, und sie meint damit, dass das
Proletariat vor ihr kapitulieren solle, um diese Ordnung und Ruhe
wiederherzustellen; dass das Proletariat seine Macht in die Hände
derjenigen zurückgeben solle, die jetzt unter der Maske der Revolution die
Gegenrevolution vorbereiten. Gewiss, eine revolutionäre Bewegung lässt
sich nicht auf glattem Parkettboden durchführen; es setzt Splitter und
Späne in dem Kampfe um eine neue und höhere Ordnung der Gesellschaft und
einen dauernden Frieden der Menschheit.
Dadurch, dass die Regierung den alten Generälen und Offizieren die
Kommandogewalt zu dem Zwecke der Demobilisation der Armee zurückgegeben
hat, hat sie die Demobilisation erschwert und zerrüttet. […]
Sie haben die
Soldatenräte eigenmächtig abgesetzt, sie haben schon in den ersten Tagen
der Revolution das Tragen von roten Fahnen verboten und die roten Fahnen
von öffentlichen Gebäuden herunterreißen lassen. Alle diese Vorgänge
kommen auf das Schuldkonto der Regierung, die, um die »Ordnung« der
Bourgeoisie aufrechtzuerhalten, in Wahrheit die Revolution erstickt, wenn
es sein muss, in Blut.
Und da wagt man, uns anzuklagen, dass wir es seien, die den Terror, den
Bürgerkrieg und das Blutvergießen wollen; da wagt man, uns zuzumuten, wir
sollten auf unsere revolutionäre Aufgabe verzichten, damit die Ordnung
unserer Gegner wiederaufgerichtet werde! Nicht wir sind es, die
Blutvergießen wollen. Aber sicher ist es, dass die Reaktion, sobald sie
die Macht dazu hat, sich keinen Augenblick besinnen wird, die
Revolution
im Blut zu ersticken. […]
Nein! Wir wollen, dass sich der Umbau der Gesellschaft und der Wirtschaft
ohne Unordnung und in aller Friedlichkeit vollziehe. Und wenn Unordnung
und Bürgerkrieg entstehen sollten, so werden einzig und allein diejenigen
die Schuld tragen, die ihre Herrschaft und ihren Profit stets mit
Waffengewalt befestigt und erweitert haben und die auch jetzt wieder
versuchen, das Proletariat unter ihr Joch zu beugen.
Also nicht zur Gewalt und nicht zum Blutvergießen rufen wir das
Proletariat auf; aber wir rufen es auf zu revolutionärer Tatbereitschaft
und zur Entfaltung all seiner Energie, auf dass es den Neubau der Welt in
seine Hände nehme. Wir rufen die Massen der Soldaten und Proletarier dazu
auf, an dem Ausbau der Soldaten- und Arbeiterräte tatkräftig fortzuwirken.
Wir rufen sie dazu auf, die herrschenden Klassen zu entwaffnen, sich
selbst aber zu bewaffnen zum Schutze der Revolution und zur Sicherung des
Sozialismus. Das allein gibt uns die Gewähr für die Erhaltung und für den
Ausbau der Revolution im Sinne der
unterdrückten Volksklassen. […]
Jetzt versucht man von sozialpatriotischer und bürgerlicher Seite, das
Volk von dieser seiner geschichtlichen Mission abspenstig zu machen, indem
man ihm die Gefahren der Revolution schwarz und gruselig an die Wand malt;
indem man in den blutigsten Farben die Not und Zerstörung, den Aufruhr und
Schrecken schildert, von denen die Umwälzung der gesellschaftlichen
Verhältnisse angeblich begleitet sein wird. Aber diese Schwarzmalerei ist
vergebene Liebesmüh! […]
Jetzt greift man die Spartakusleute mit allen erdenklichen Mitteln an. Die
Presse der Bourgeoisie und der Sozialpatrioten, vom »Vorwärts« bis zur
»Kreuz-Zeitung«, strotzt von den abenteuerlichsten Lügen, von den
frechsten Verdrehungen, von Entstellungen und Verleumdungen. Was schimpft
man uns nicht alles nach? Dass wir den Terror verkünden; dass wir den
blutigsten Bürgerkrieg entfesseln wollten; dass wir uns mit Waffen und
Munition ausrüsten und den bewaffneten Aufstand vorbereiten. Mit einem
Wort: dass wir die gefährlichsten und gewissenlosesten Bluthunde der Welt
seien. Diese Lügen sind leicht
zu durchschauen. […]
(aus: Karl Liebknecht, Was will der Spartakusbund?
Rede in den Unionsfestsälen in der Hasenheide in Berlin, 23. Dezember
1918, in: ders., Ausgewählte Reden und Aufsätze, Berlin (DDR) 1952,
S.505-520)
docx-Download -
pdf-Download
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
07.12.2024