Emotionen nehmen großen Einfluss auf Menschen.
Sie wirken sich auf ihr
gesamtes Handeln und Verhalten aus. Gefühle können sich auf die Art
und Weise der
▪
Wahrnehmung, auf die
▪
Aufmerksamkeit, auf die
Einschätzung von Risiken, auf Entscheidungen und allgemeines
Problemlöseverhalten, auf das Verhalten gegenüber dem Mitmenschen (z.B.
Zusammenhang von Mitleid und Hilfsbereitschaft) auswirken.
Ebenso große
Bedeutung haben Emotionen aber auch für die Informationsspeicherung und
das ▪ Lernen überhaupt. Insbesondere der Effekt positiver Gefühle
stehen heute mehr und mehr im Fokus der Lern- und Sozialpsychologie.
Denn: "Ob man glücklich oder unglücklich ist, beeinflusst alles im
Leben. Menschen, die glücklich sind, fühlen sich sicherer in der Welt,
treffen leichter Entscheidungen, bewerten Bewerber auf eine
Arbeitsstelle positiver, sind kooperativer und leben ihre Leben
gesünder, energischer und zufriedener (Lyubomirsky
et al. 2002; Myers 1993). Sind sie trübsinning und brüten ständig über ihren
Problemen, erscheint ihr Leben insgesamt deprimierend. Hellt sich ihre
Stimmung auf, dann denken sie auch über anderes nach und ihre Gedanken werden spielerisch und kreativ
(Fredrickson
2002). Ihre Beziehungen, ihr Selbstbild und ihre Zukunftserwartungen
wenden sich zum Besseren." (Myers
2005, S.556) (▪ Merkmale von
Kreativität)
Die Meinungen darüber, wie der Begriff Emotion zu definieren ist, gehen
zum Teil weit auseinander. Man kann sich jedoch zur Begriffsklärung an die folgenden
Arbeitsdefinitionen
handeln:
Definition 1 (Schmidt-Atzert
1996, S.21):
"Eine Emotion ist ein qualitativ näher beschreibbarer Zustand, der
mit Veränderungen auf einer oder mehreren der folgenden Ebenen
einhergeht: Gefühl, körperlicher Zustand und Ausdruck."
Definition 2 (
Meyer/Schützwohl/Reisenzein 1993,
S.23f.):
"1. Emotionen sind Vorkommnisse von zum Beispiel Freude, Traurigkeit,
Ärger, Angst, Mitleid, Enttäuschung, Erleichterung, Stolz, Scham,
Schuld, Neid sowie von weiteren Arten von Zuständen, die den genannten
genügend ähnlich sind. 2. Diese Phänomene haben folgende Merkmale gemeinsam: (a) Sie sind
aktuelle Zustände von Personen; (b) sie unterscheiden sich nach Art oder
Qualität und Intensität [...]; (c) sie sind in der Regel objektgerichtet
[...]; (d) Personen, die sich in einem der genannten Zustände befinden,
haben normalerweise ein charakteristisches Erleben (Erlebensaspekte
von Emotionen), und häufig treten auch bestimmte physiologische
Veränderungen (physiologischer
Aspekt von Emotionen) und Verhaltensweisen (Verhaltensaspekt
von Emotionen) auf."
Emotionen
haben Philosophen und Wissenschaftler in den verschiedenen Kulturen schon
seit Urzeiten beschäftigt. In der europäischen Antike und im Mittelalter
hielten die meisten Denker Emotionen allerdings für etwas Negatives. Ihnen
schob man entweder die Verantwortung für alles Leiden auf der Welt zu oder
stellte sie als mit aller Macht zu bekämpfenden Widersacher der Vernunft
dar.
In der deutschen
▪
Aufklärung ging
Immanuel Kant (1724-1804)
sogar so weit, Gefühle mit einer Geisteskrankheit zu vergleichen. Kein
Wunder, dass er das Emotionale abgrundtief verachtete (vgl.
Ulich/Mayring 1992, S.18f.)
Danach bestimmte die klassische Affektenlehre
bis ins 20. Jahrhundert hinein, die Vorstellungen über Gefühle. Auf ihrer
Grundlage sollte die Moral den Sieg über die Leidenschaften davontragen.
Dass zu einer solchen Kontrolle von Affekten in erster Linie Männer, und
zwar solche, die der Oberschicht angehörten, in der Lage sein sollten,
entsprach den Vorstellungen einer patriarchalisch organisierten
bürgerlichen Gesellschaft. Lange Zeit, bis in die zweite Hälfte des 20.
Jahrhunderts hinein, stellten also die Kontrolle und die Beherrschung von
Gefühlen einen maßgeblichen kulturellen Leitwert dar, "der erst beim
Wechsel in die »hedonistische Gesellschaft« in der zweiten Hälfte des 20.
Jahrhunderts seine Verbindlichkeit und Relevanz endgültig verliert." (Schierl
2001, S.117) Die
Psychologie kümmerte sich
lange kaum um Emotionen. Erst Anfang der sechziger Jahre des 20.
Jahrhunderts beginnt man sich allmählich wissenschaftlich dafür zu
interessieren und im Laufe der Zeit eine eigene Fachrichtung, die
Emotionspsychologie, zu etablieren.
In der neueren Emotionspsychologie geht man auf der Grundlage
neurobiologischer Erkenntnisse davon aus, dass Emotion und Kognition nicht
unabhängig voneinander funktionieren können (vgl.
Ulich 1989, S. 27,
Coleman 1997, S.48).
Neurologische Untersuchungen haben diese Einheit von Verstand und Gefühl
nachweisen können. So hat sich gezeigt, dass Menschen mit einer bestimmten
Schädigung des Gehirns im Bereich des präfontalen Cortex ihre
Emotionalität verloren haben. Zugleich aber waren sie, obwohl ihr Verstand
ansonsten unversehrt geblieben ist, nicht mehr dazu in der Lage, rational
begründete Entscheidungen zu treffen (Damasio
1995,
Damasio 2000). Verstand und
Gefühl, Rationalität und Emotion, stehen demnach in einem
komplementären Verhältnis
zueinander.
Aus dieser spezifischen Komplementarität leitet sich der Gedanke an die so
genannte "emotionale Intelligenz"
ab: "Erkenntnisse wie diese lassen Damasio zu der kontraintuitiven
Auffassung gelangen, dass Gefühle normalerweise für Rationalität
unerlässlich sind; sie weisen uns zunächst in die richtige Richtung,
wo dann die nüchterne Logik von größtem Nutzen sein kann. Während die Welt
uns vor kaum überschaubare Wahlmöglichkeiten stellt [...], schickt der
emotionale Erfahrungsspeicher, den wir im Leben erworben haben, Signale
aus, die die Entscheidung vereinfachen, indem sie von vornherein gewisse
Optionen ausschließen und andere hervorheben. In diesem Sinne, meint
Damasio, ist das emotionale Gehirn am rationalen Denken genauso beteiligt
wie das denkende Gehirn. Die Emotionen besitzen demnach eine Intelligenz, die in praktischen Fragen
von Gewicht ist. In dem Wechselspiel von Gefühl und Rationalität lenkt das
emotionale Vermögen, mit der rationalen Seele Hand in Hand arbeitend,
unsere momentanen Entscheidungen. Umgekehrt spielt das denkende Gehirn
eine leitende Rolle bei unseren Emotionen." (Coleman
1997, S.48) Denken geschieht, so wird vertreten,
nie ohne Beteiligung von Gefühlen, denn rein kognitive Botschaften sind
gar nicht möglich, da sie weder Relevanz bilden , noch Aufmerksamkeit
wecken können. Solange Botschaften, die sich an den Verstand richten,
selbst wenn sie mehrere hundert Mal wiederholt werden, keinen emotionalen
Eindruck, keinen "affektiven Stempel" (Imprint) hinterlassen, werden sie
nicht beachtet. Dies gilt aber umgekehrt auch für die Emotionen, die stets
auf irgend eine Art und Weise, und seien es nur Raum- und Zeitstrukturen,
an die Kognition gebunden sind. (vgl.
Ciompi 1992, S.171, vgl.
Schierl 2001, S.119)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
17.12.2023
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