Ein allgemeines Modell der Kommunikation
Für
»Roman
Jakobson (1896-1982) besteht ein Kommunikationsprozess aus den
nachfolgenden Elementen:
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Im Mittelpunkt seine Modells, das auf dem dreigliedrigen »Organon-Modell
(1934) der Sprache von »Karl
Bühler (1879-1963) aufbaut, steht die Nachricht bzw.
Botschaft, die ein Sender an einen Empfänger
sendet. Dabei benutzt der Sender ein bestimmtes
Kontaktmedium (z.B. Telefon, Internet) über das die
Nachricht in einer für Sender und Empfänger gemeinsamen Sprache
(verbaler und nonverbaler Kode) gesendet wird. Dabei
bezieht sich die Nachricht jedoch nicht allein auf das,
was gerade gesagt wird, sondern auch auf außersprachliche
Bezugsgrößen, den sogenannten Kontext.
Auf der Grundlage dieser verschiedenen Elemente des
Kommunikationsprozesses hat Jakobson sechs verschiedene
Funktionen der Sprache unterschieden.
Sprachfunktionen im Kommunikationsmodell von Jakobson
Jakobson unterscheidet sechs verschiedene Sprachfunktionen, die
meistens allerdings nicht isoliert voneinander auftreten. In der
Regel dominiert eine der aufgeführten Sprachfunktionen bei der
Sprachverwendung.
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-
Bei der
Darstellungsfunktion der Sprache (referentielle
Funktion) ("Das Haus ist weiß."; "1 + 1 = 2";
"Bei der menschengemachten globalen Erwärmung wird, ohne
verschärfte Klimaschutzmaßnahmen, damit gerechnet, dass die
Temperatur vom Ende des 20. bis Ende des 21. Jahrhunderts um
4 bis 5 °C steigt.") geht es um den Bezug der Sprache auf die
Welt, darum, was die Sprache darüber aussagt bzw. mitteilt.
-
Die
Ausdrucksfunktion der Sprache (expressive Funktion,
auch: emotive Funktion)
("super!","cool!")
orientiert sich an dem, was ein Sprecher bei Sprechen über
sich selbst aussagt, anders ausgedrückt: wie er selbst zu
dem Gesagten steht.
-
Bei der
phatischen
Funktion der Sprache ("verstehst du mich?", "hast du
mitbekommen, was ich gesagt habe?") geht es darum, wie und auf
welche Weise der Kontakt zu einem anderen hergestellt und
intensiviert wird und damit auch um die Frage, was die
Sprache leistet, um die Aufmerksamkeit des jeweiligen
Adressaten nicht zu verlieren. Im Mittelpunkt steht dabei
das Kontaktmedium zwischen Sprecher und Hörer mit der Frage:
Verstehst du mich?
-
Die
Appellfunktion der Sprache (appellative Funktion,
auch:
konative Funtion
("los!", "auf geht's!")
ist ihre Eigenschaft, mit Sprache andere zu beeinflussen und
auf sie einzuwirken.
-
Die
metasprachliche Funktion der Sprache ("was bedeutet
das?", "was soll das sagen?") zielt auf die
Fähigkeit der Sprache, sich selbst sprachlich zum Thema zu
machen, also auf einer Metaebene, statt auf der Objektebene,
über Sprache selbst zu reden.
-
Die
poetische Funktion der Sprache macht die sprachliche
Botschaft durch verschiedene ästhetisch-stilistische und
ästhetisch-rhetorische Mittel zum Gegenstand der Reflexion
über die Sprache und ihre Inhalte. Im Mittelpunkt steht
dabei also das Sprachzeichen selbst, das auf eine von der
alltäglichen Sprachverwendung abweichende formale Struktur
aufweist, wie z. B. durch die Verwendung bestimmter ▪
rhetorischer Mittel
und z. B. durch von dem normalen Sprachgebrauch abweichende
syntaktische Strukturen. Dabei bezieht sich die poetische
Funktion nicht nur auf poetische bzw. literarische Texte,
sondern kann sich natürlich auch im Alltag zeigen, wenn wir
Alliterationen oder
onomapoetische Wörter etc. benutzen.
Die poetische Funktion der Sprache und ihre Bedeutung für die
Literaturwissenschaft
Auf die Literaturwissenschaft hat die von Jakobson mit
linguistischen Kategorien beschriebene poetische bzw.
literarische Sprachverwendung bis heute einen großen Einfluss,
wenngleich manche seiner formalistischen Positionen,
insbesondere seine unzureichende Beachtung der Kontexte
(extratextueller bzw. sozial-historischer, innertextlicher und
intertextueller Kontext), für literarische Texte heute meist als
irreführend angesehen wird. Ein Beispiel dafür ist die
Dramentheorie von Wolfgang
Pfister
(1977), der bei der
▪
Analyse der dramatischen Rede und des
▪
Korrespondenzbezugs
zwischen Sprache und Figur zur Erläuterung der
Polyfunktionalität der dramatischen Rede auf die von Jakobson
herausgearbeiteten Sprachfunktionen zurückgreift.
Jakobson beschreibt die poetische bzw. literarische
Sprachverwendung mit linguistischen Begriffen, da diese mit
sprachlichen Strukturen zu tun habe. Dabei besteht für ihn das
Besondere der poetischen Sprachverwendung, das, was davon
unterscheidet, wie man sie im Alltag verwendet, darin "dass die
»poetische Funktion« »das Prinzip der Äquivalenz von der Achse
der Selektion auf die Achse der Kombination« überträgt (Jakobson
1960, S.100). Das heißt, dass die syntagmatische Reihung
(»Kombination«) der Wörter im Text, die in nicht-literarischer
Sprache durch das »Prinzip der Kontiguität« charakterisiert ist
(also dadurch, dass die einzelnen Wörter einzig den
syntaktischen und semantischen Sprachregeln gemäß kombiniert
werden dürfen), nun nach dem ansonsten allein die Auswahl
(»Selektion«) aus dem entsprechenden Paradigma von semantisch
austauschbaren Wörtern (»Äquivalenzklasse«) bestimmenden
»Prinzip der Äquivalenz« vollzogen wird." (Rühling
1996,82008, S.42)
Was in der alltäglichen Sprachverwendung also gewöhnlich z. B.
nach bestimmten Satzbauplänen zum Zweck der Verständigung
formuliert ist oder mit Wörtern ausgedrückt wird, deren
Bedeutung mehr oder minder festgelegt ist, wird bei der
poetischen Sprachverwendung dadurch ignoriert, dass sie sie neue
Verknüpfungen herstellt, in der Terminologie Jakobsons
Äquivalenzen zwischen benachbarten sprachlichen Einheiten.
Das Besondere der poetischen Sprache und damit der Literatur
besteht für Jakobson darin, "dass im Text formale Bezüge
hergestellt werden: etwa durch die Wiederholung einzelner
Klänge, Wörter, Motive oder anderer Strukturelemente." (ebd.,
S.43) Allerdings kommen solche strukturellen »Isotopien«,
wie sie Jakobson definiert, zwar in literarischen Texten
häufig vor, dennoch stellen sie offenkundig "weder notwendige
noch hinreichende Eigenschaften von Literatur" dar. (ebd.)
Mit der Herausstellung der poetischen Funktion der Sprache
verschiebt Jakobson auch den Gegenstandsbereich der
Literaturwissenschaft, für die es dann "nicht mehr entscheidend
(ist), wer etwas aussagt, sondern es zählt vor allem die Art und
Weise der Darstellung." (Wiemann
1996/32001, S.21) Diese Akzentverschiebung
erlaubt auch, dass die Bedeutung des Kontaktmediums aufgewertet
wird. So bleibt z. B. nach der traditionellen hermeneutischen
"Werklehre", bei dem der ideelle Gehalt eines Textes auch dann
erhalten bleibt, wenn er, wie z. B. bei einer
Literaturverfilmung in ein anderes Medium transponiert wird,
gegenüber seinem ursprünglichen Text erhalten. Mit dem Blick auf
das jeweilige Medium allerdings ist dies mehr als fraglich.
Stattdessen ist davon auszugehen, dass dabei bei Produktion und
Rezeption nicht nur andere Bedeutungen entstehen, sondern diese
auch mit jeweils besonderen Fragestellungen untersucht werden
müssen. (vgl.
ebd.) Dies kann u. a. auch dadurch geschehen, dass man im
Sinne der empirischen Literaturwissenschaft davon ausgeht, dass
Texte "ihre Bedeutung nicht (besitzen), sondern die Leser
der Texte (...) diese Bedeutung (konstruieren)". (Spree
1966/32001, S.198)
Die Bedeutung der Kontexte für literarische Texte
Wie schon erwähnt, hat man Jakobson von seiten der
Literaturwissenschaft vorgehalten, dass bei ihm die Bedeutung
des Kontexts bei der Nachricht, insbesondere bei ihrer
literarisch textlichen Gestalt kurz kommt.
Dabei müsse man zunächst einmal zwischen Kontexten
unterscheiden, die selbst Texte seien und und
extratextuellen Kontexten, die sich auf die
außersprachliche Realität, z. B. auf die sozialen und
historischen Bedingungen beziehen, unter denen ein bestimmter
Text entstanden und welche Bezüge er zur Lebenswelt seines
Autors hat (sozial-historischer
Kontext) beziehen. (vgl.
Wiemann 1996/32001, S.22)
Bei Bezügen eines Textes auf andere Texte seien
innertextuelle von intertextuelle Kontexte auseinanderzuhalten.
Zum innertextuellen Kontext
gehören die Bezüge zwischen Textstellen in einem bestimmten
Text. Intertextuell ist ein
Kontext, der aus den Bezügen zu anderen Texten gebildet wird.
Der
kommunikationspsychologische Anschluss an Jakobsons
kommunikationstheoretischen Überlegungen
Roman Jakobsons
kommunikationstheoretischen Überlegungen haben vielfältige
Auswirkungen auf unterschiedliche Bereiche gehabt, die hier nur
gestreift werden können, die im Kontext dieser Webseite eine
Rolle spielen. Beispiel dafür ist z. B. das ▪
kommunikationspsychologische ▪
Vier-Seiten-Modell Friedemann Schulz von Thuns.
Gert Egle. zuletzt bearbeitet am:
18.12.2023
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