Der
Begriff Karikatur leitet
sich vom italienischen Verb caricare (beladen)
bzw. von caricatura, einem Fachbegriff der Malerei ab, der
etwa "Überladung" bzw. "Übertreibung" bedeutet.
Als Bildsatire zielt sie, "durch die Übertreibung der allgemein
menschlichen oder der aktuellen politischen und sozialen Realitäten,
auf Kritik am Dargestellten." (Rösch
2007, S.234)
Im Deutschen ersetzt
das Wort Karikatur nach und nach die Begriffe Zerrbild oder
Spottbild, die beide aber durchaus noch unterschiedliche
Akzente haben.
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Das
Zerrbild ist, unabhängig von dem
Medium mit bzw. in dem es gestaltet ist, im Allgemeinen "eine
überladene und zugespitzte Darstellung eher individueller
Personen und ihrer Eigenschaften" (»Wiktionary,
20.10.2011), akzentuiert wird dabei "das zentrale
Darstellungsprinzip: die Verzerrung", das meistens durch
Reduktion, Übertreibung oder Entstellung realisiert wird (Riszovannij
2008, S.17)
-
Das
Spottbild dagegen ist "direkt gegen
bestimmte Gruppen, Institutionen in einer eher typisierenden Form
mit dem Ziel" gerichtet, "das Dargestellte zu schmähen,
bloßzustellen, zu verunglimpfen." (»Wiktionary,
20.10.2011). Das Spottbild zielt also deutlicher auf die Wirkung.
Wissenschaftlich
ist trotz der Verbreitung und multifunktionalen Verwendung von
Karikaturen nicht eindeutig beantwortet, was man darunter zu
verstehen ist. Sie werden auch in den verschiedenen ▪
Fachwissenschaften unterschiedlich betrachtet. Dementsprechend
fallen auch ▪ Typologien von
Karikaturen verschieden aus.
Das hängt zum Teil auch damit zusammen,
dass der Begriff der Karikatur oft auf die politische Karikatur
eingeengt wird. So aufgefasst, ist oder war eine Karikatur,
zumindest so lange die Printmedien dominierten, ein ▪
Funktionstyp der ▪
journalistischen Pressegrafik, genauer gesagt eine ▪
Kommentargrafik.
Aber bekanntlich ist es höchst umstritten,
was eigentlich das Poltische ausmacht bzw. wo der
Kommunikationsbereich des Politischen beginnt und wo er endet.
Wird der Karikaturbegriff auf die politische Karikatur eingegrenzt, bleiben die eher der "normalen
Alltagswelt" zugeordneten, "humoristischen"
Cartoons außen vor.
Aber auch die Definition
dessen, was man unter Humor zu verstehen
hat, und insbesondere die Frage, was "humoristisch", "lächerlich"
oder "komisch" überhaupt bedeutet, ist in der Wissenschaft
umstritten.
Mihály
Riszovannij
(2008, S.39) fasst die visuelle Karikatur jedenfalls als eine "humoristische
Gattung" auf, "weil sie den Leser aufgrund ihrer speziellen
Darstellungs- und Pointierungstechniken zum Lachen bringt."
Stellvertretend für
viele andere Definitionen stehen die nachfolgenden
Definitionen der
politischen Karikatur, wie sie von
Franz Schneider
(1988, S.4) und
Thomas Knieper
(2002, S.98) formuliert werden (zit. n.:
Lenk 2010)
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"Die politische
Karikatur ist eine graphische oder graphisch-textliche
Verfremdung von Aktualität, wobei die Verfremdungsanalyse durch
den Betrachter zu einer Denk- bzw. Kombinationsleistung drängt,
die dank der Verwendung komischer Verfremdungsmittel oft mit
Lachen betont wird." (Franz
Schneider (1988, S.4)
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"Die politische
Karikatur ist ein visueller Kommentar und damit eine meinungsbetonte journalistische Darstellungsform. [...] Formal ist die
politische Karikatur ein verfremdendes und verdichtendes
bildkünstlerisches Verfahren, das sich durch primär
handgraphische Technik, eine graphisch-satirische
Verkehrssprache und die Anwendung von Witztechniken auszeichnet.
[...] Auf Seiten des Publikums fördert sie die (politische)
Meinungs- und Willensbildung und dient zudem der Unterhaltung
und Rekreation." (Thomas
Knieper (2002, S.98)
Kleinster gemeinsamer Nenner oder integrative Definition?
Die Gründe dafür, dass es bis heute eigentlich "keine
einheitliche, allgemein gültige und von der Mehrheit akzeptierte
Karikaturdefinition gibt, die in den Grundwerken bzw.
Nachschlagewerken kodifiziert vorläge" (Riszovannij
2008, S.14), hat verschiedene Gründe.
Es gibt keine für die
Erforschung von Karikaturen zuständige wissenschaftliche
Fachdisziplin und der Begriff, der im Laufe der Zeit in verschiedene
Sprachen Eingang gefunden hat, "veränderte sich als Lehnwort und
nahm unterschiedliche Bedeutungen an mit entsprechend vielfältigen
Referenzobjekten." (ebd.)
Zudem steht das Karikieren im
allgemeinen Sprachgebrauch für ein Verfahren bzw. eine
Darstellungstechnik, die "grundsätzlich medienunabhängig" ist, mit
der Folge, dass auch der Begriff Karikatur "bis heute auf jede (auch
musikalische oder szenische) Darstellung anwendbar [ist]." (ebd.)
Angesichts des herrschenden Definitionswirrwarrs, auf das an
dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden kann, könnte man sich wohl mit dem begnügen, was von Angelika
Plum (1998,
S.29) "als kleinster gemeinsamer Nenner" bezeichnet
wird: [...]
dass die Karikatur die Konzentration auf ein übertriebenes,
ungemein augenfälliges Bild und eine Mischung von Komik und Grauen
ist." (vgl.
Thomsen
1983)
Mihály
Riszovannij
(2008, S.21) versucht sich dennoch an einer
integrativen Definition visueller (piktoraler) Karikaturen, die sowohl
die prototypische Form der grafisch gestalteten Karikatur als auch
die Fälle, bei denen nur das eine oder andere Merkmal zutrifft,
erfassen soll:
"Karikaturen sind Zeichnungen, in denen Personen, Handlungen
und Ereignisse vor dem Hintergrund der Verletzung ästhetischer
oder verhaltensbezogener Normen, in kritischer Absicht durch
Reduktion, Übertreibung oder Überladung verzerrt und/oder durch
Inkongruenzen unterschiedlicher Art pointiert dargestellt
werden, was beim Rezipienten Lachen unterschiedlicher Form
auslösen kann." (Riszovannij
2008, S.21)
Nach Riszovannij wird eine prototypische Karikatur, eine Karikatur also, die "die
zentralen Merkmale der Kategorie gleichermaßen aufweist" (Adamzik
2004, S. 47), durch das Vorhandensein der vier
Eigenschaften Zerrbild, Pointe, Kritik und Lachen bestimmt. Das
karikierende Verfahren als Darstellungstechnik kann aber außer für
eine politische Karikatur, auch für eine Bildsatire oder einen
Bildwitz verwendet werden. (vgl.
ebd.,
S.22)
Ein Bildwitz bzw. eine
Witzzeichnung bringt direkt zum
Ausdruck, dass es sich um einen Witz handelt und gestaltet die
Pointe verbal oder in seinem Bildteil. Ein Bildwitz kann, muss aber
nicht gleichzeitig ein Zerrbild sein, Karikaturen, die eine Pointe
enthalten, stellen aber zugleich auch Bildwitze dar. Wenn man von
Bildsatiren oder satirischen Zeichnungen spricht, dann steht
dabei im Vordergrund, dass etwas lächerlich gemacht werden soll. Wie
das geschieht, ist eigentlich egal, ob dabei karikierende
Darstellungsverfahren zum Einsatz kommen oder nicht, spielt ebenso
wenig eine Rolle wie die Frage, ob es zum Lachen kommt oder nicht.
Häufig sind gerade "politische Karikaturen" eher als
gesellschaftspolitische Bildsatiren aufzufassen, die eher als "Denk-
und Mahnbilder bzw. furchterregende Feindbilder" fungieren, denn als
Spottbilder. (vgl.
ebd.,
S.21, Hervorh. d. Verf.)
So wichtig Klarheit darüber sein mag, welche Merkmale eine
prototypische Karikatur
auszeichnen, erweisen sich die meisten Karikaturen als
Mischformen, wie
Riszovannij
(2008, S.21) betont: "So enthält ein karikierender Bildwitz eine
Pointe durch Entstellung des Abbildes, dieser können aber weitere
Pointen folgen, die nicht auf Verzerrung beruhen müssen. In der
Karikatur als Bildsatire erfolgt die Bloßstellung nur zum Teil durch
Verzerren und Entstellen, während in der Satire als Bildwitz die
kritische Pointe durch sozial relevante Inszenierungen (mit oder
ohne Verzerrung) entsteht."
Karikaturen lassen sich für vielfältige Zwecke
instrumentalisieren und sind beileibe nicht immer "das
intellektuelle Florett des Esprits gegen Unrecht und Macht", wie
Manfred
Brösamle-Lambrecht (2004, S.9) betont. Hier reicht der Verweis
auf die Propagandakarikaturen in der nationalsozialistischen
Wochenzeitung "Der Stürmer", in dem seit 1925 eine meist
antisemitische Karikatur auf der Titelseite als Aufmacher diente
(vgl. Buntz 2004,
S.24), um den Mythos von der aufklärerischen, stets progressiven,
gegen überholte Konventionen kämpfenden Karikatur ein für alle mal
ad acta zu legen (vgl.
Plum 1998,
S.7ff.) Der Karikaturist ist eben nicht per se ein "Krieger der
Wahrheit und Aufklärung" oder "Anwalt der Unterdrückten, wie
zahllose Beispiele belegen können. (ebd.,
S.7) Die "Gleichung Karikatur = Aufklärung"
(ebd.,
S.15) konnte und kann eben nur dann aufgehen, wenn "propagandistisch
missbrauchte oder reaktionäre oder opportunistische Karikatur[en]"
ausgeklammert werden.
(ebd.)
Am Ende
ihrer Ausführungen über den Mythos von der aufklärerischen Funktion
der Karikatur kommt Angelika
Plum (1998,
S.22) daher zum Schluss: "In der Literatur wird weitgehend
ignoriert, dass die Karikatur nicht immer nur Hintergründe offenlegt
und zur (Auf-)Klärung eines politischen Sachverhalts beitragen will,
sondern sehr schnell auch Agitation betreibt und unter Zuhilfenahme
psychologischer Mittel lediglich an Emotionen rührt, statt an den
Verstand. In diesen Fällen leistet die Karikatur einer verkürzten,
irrationalen Sicht der tatsächlich komplexen Wirklichkeit Vorschub."
Indessen überschüttet nicht jede Karikatur
ihr Objekt mit beißendem Spott. Es gibt auch
Karikaturen, die ihr Objekt nicht der Lächerlichkeit preisgeben
wollen, sondern bestimmte Mängel und "Macken" mit feiner
humoristischer Ironie darstellen. Häufig wird dafür der Begriff
Cartoon verwendet.
Es spricht jedoch auch
manches dafür zwischen Cartoons und Comics auf der einen und der
´Karikatur auf der anderen Seite zu unterscheiden. Während die
beiden erstgenannten, so
Plum (1998,
S.28), "gezeichnete Witze" seien und als "Konsumgüter" (Bornemann
1972) fungierten, impliziere die Karikatur stets Kritik. Inwieweit
diese Trennung wirklich stringent ist, sei dahingestellt.