Visuelle
▪ Karikaturen sind aus dem heutigen Unterricht kaum mehr wegzudenken.
Sie können methodisch-didaktischen Zielen dienen, indem sie z.B. als
Einstiegsmotivation, zur Veranschaulichung eines Sachverhalts, für
den Problemaufriss oder zur Ergebnissicherung und Lernkontrolle verwendet werden.
(z.B. im Geschichtsunterricht: vgl.
Reeken 2007,
S.164)
Sie können aber natürlich auch selbst Gegenstand
der Beschreibung und Analyse sein. In
Präsentationen können sie die
Aufmerksamkeit auf bestimmte Aspekte lenken oder aber einfach auch
zur Auflockerung beitragen. In der Schule kommen sie wohl am meisten in
geisteswissenschaftlichen Fächern wie
▪ Geschichte,
▪ Deutsch,
▪
Politik/Gemeinschaftskunde/Sozialkunde und Religion/Ethik zum
Einsatz.
Aber: Auch wenn das Zeichensystem von Karikaturen im Allgemeinen
so "einfach, klar und verständlich" gestaltet wird, "dass ein
Rezipient aufgrund seiner Alltagserfahrung und seiner kulturellen
Einbindung keine Verständnisschwierigkeiten hat" (Grünewald
1999), muss die Analyse und Beschreibung von Karikaturen,
insbesondere wenn es sich um historische Karikaturen handelt, mit
Schülerinnen und Schülern eingeübt werden.(vgl.
Pandel 1999,
vgl. Soeren
2004, S.47)
Dabei sollte sich die Arbeit mit Karikaturen im
Unterricht nicht auf die rezeptionsorientierte Analyse oder die
Rekonstruktion beschränken (Karikaturrezeptionskompetenz),
sondern auch Gegenstand der produktiven Auseinandersetzung werden
(Karikaturproduktionskompetenz).
Wenn
Karikaturen so behandelt werden, dann können z. B. zielgerichtete
Textbeifügungen für vorgefundene Bilder angefertigt werden oder auch
Veränderungen am Bildmaterial selbst vorgenommen werden oder sogar
eigene zeichnerische Versuche gemacht werden.
Denn, "dabei wird
deutlich", wie Dietrich
Grünewald
(1999, S,456) betont, "dass politische Karikaturen nicht
Selbstzweck sind, sondern zielgerichtete, satirische Kritik, die bei
allem Lustgewinn etwas bewirken will, die über das Lachen betroffen,
nachdenklich, im optimalen Fall politisch aktiv machen will."
Die Karikatur in verschiedenen Fachwissenschaften
In
der Literaturwissenschaft
werden
Karikaturen meistens als Form der
Satire
aufgefasst oder dem Komischen zugerechnet.
Gero von Wilperts einschlägiges »Sachwörterbuch der Literatur« greift
zur Definition des Begriffes auf den des Zerrbildes zurück, "das
durch Überbetonung einzelner, dennoch erkennbarer Charakterzüge
komisch oder satirisch wirkt." Es diene "durch die einseitige
Verzerrung neben dem Spott oft auch der Kritik mit der Absicht,
durch Aufdeckung verurteilenswerter Schwächen und Missstände auf
politischem, sozialem oder sittlichem Gebiet zu deren Abstellung
anzuregen." (Sachwörterbuch
5. Aufl. 1969, S,378f.)
Neben den zeichnerischen Karikaturen kennt die Literaturwissenschaft
also auch literarische Karikaturen. Man findet sie als Typen-Karikaturen
z. B. in den Charakterkomödien »Molières
(1622 - 73), in »Shakespeares
(1564 - 1616) »Falstaff
oder auch in »Cervantes'
(1547 - 1616) »Don
Quijote. Als unpersönlich-unpolitische Charakter-Karikatur hat
sie »Wilhelm
Busch (1832 - 1908) mit seinen Zeichnungen gestaltet. Als
groteske Karikatur des Menschlichen ist die Karikatur sogar in das »absurde
Drama gelangt. (vgl.
Sachwörterbuch, ebd. S.379) Auch die literarischen Karikaturen
bedienen sich dabei des eingangs erwähnten
karikaturistischen
Verfahrens.
Auch die literarischen Karikaturen gehören als Kunstform zum Gesamtbereich des
"Satirisch-Komischen", genauer jenem Bereich von "literarischen,
bildlichen, filmischen usw. Äußerungen, die moralische Verfehlungen,
bestimmte Sitten und Gebräuche, persönliche Eigenheiten,
Überzeugungen usw. kritisch, polemisch und spöttisch in der Absicht
auf Besserung oder auch lediglich der witzigen Wirkung halber
thematisieren." (Trappen 2006, S.361)
In der Geschichtswissenschaft gehören Karikaturen zu den
Bildquellen, deren Beschreibung und Analyse bzw. Interpretation
besondere Sorgfalt und spezifischer Methoden und gedanklicher
Operationen bedarf. Dabei geht es stets "um die Erschließung
gespeicherter Inhalte, die Rekonstruktion von Repräsentationen
bekannter Personen, sozialer, ethnischer, religiöser Gruppen,
politischer oder kultureller Phänome usw. in einem bestimmten
Kontext oder in ihrer Entwicklung und Veränderung." (Riszovannij 2008,
S.24)
Um allerdings zu verstehen, wie eine Karikatur etwas "gegen
den Strich bürstet", wie sie ein Problem zuspitzt, wohlwollend oder
bösartig kommentiert, wie sie die Dinge verkürzt, übertreibt oder
untertreibt, ist in der historischen Distanz ebenso wenig
"automatisch" zu erkennen, wie die Wahrnehmung und Interpretation
(zeitgenössischer) Stilmittel wie
Übertreibung,
Paradoxie,
Ironie, Komik,
Parodie, Witz
und Sarkasmus. (vgl. Einleitung zu: Gegen den Strich - Karikaturen
zu zehn Themen, in: Politik & Unterricht 3/4 (2005), S.3 bzw.
2(1978), S.2)
Der aus historischer Distanz rezipierende Betrachter
verfügt eben nicht mehr über die Alltagserfahrung des
zeitgenössischen Rezipienten, der ihm Inhalt, Gestaltung und Aussage
in einem bekannten Zeichensystem oft unmittelbar zugänglich macht.
So müssen z. B. bestimmte
Personifikationen aufgelöst und
Symbole gedeutet werden oder es müssen Eigenschaften erkannt werden,
die in einschlägigen Mensch-Tier-Vergleichen stecken. Außerdem
müssen u. U. natürliche und politische
Metaphern
entschlüsselt werden.
Dass dies alles fundierte Kenntnisse des
historischen politisch-sozialen Kontextes verlangt und die Fähigkeit
in diesen bildlichen Zeugnissen die karikierten historischen
Personen und Persönlichkeiten (wieder-) zu erkennen, versteht sich
fast von selbst. (vgl.
Pandel 1999,
vgl. Soeren
2004, S.47f.)
Auch wenn das Zeichensystem von Karikaturen im Allgemeinen durchaus "einfach, klar und verständlich" gestaltet ist (Grünewald
1999), muss die Analyse und Beschreibung von Karikaturen,
insbesondere wenn es sich um historische Karikaturen handelt, mit
Schülerinnen und Schülern eingeübt werden. (vgl.
Pandel 1999,
vgl. Soeren
2004, S.47)
In der Politikwissenschaft gelten bis zu
einem gewissen Grad die gleichen Prinzipien. Und auch die
Bildende Kunst, besonders die Kunstgeschichte, wird neben ihrer
Akzentsetzung im ästhetischen Bereich der politisch-sozialen
Kontextualisierung ihrer Betrachtungen stärkeres Gewicht geben
müssen (vgl. Plum
1998, S.7
"Karikaturen sollten sowohl Mittel des Unterrichts sein
(Motivationseinstieg, Veranschaulichung, Dokumente parteilicher
historischer Standpunkte und Argumentationen, Reflexe auf politische
Prozesse) als auch bewusst Gegenstand sein. Der erste emotionale
Anstoß, die spontane Reaktion sind wichtig. Doch bleibt die Aufgabe,
die Sicherheit im kritischen Umgang mit Karikaturen zu fördern, ein
wichtiges Ziel. Die visuelle Satire soll nicht nur untersucht,
sondern auch selbst produziert werden: zunächst mit zielgerichteten
Textbeifügungen für vorgefundene Bilder, dann durch Veränderungen
von Bildmaterial, schließlich mit eigenen zeichnerischen Versuchen.
Dabei wird deutlich, dass politische Karikaturen nicht Selbstzweck
sind, sondern zielgerichtete, satirische Kritik, die bei allem
Lustgewinn etwas bewirken will, die über das Lachen betroffen,
nachdenklich, im optimalen Fall politisch aktiv machen will."
(Dietrich Grünewald, Bild und Karikatur, in: Wolfgang W. Mickel
(Hrsg.), Handbuch zur politischen Bildung, Schriftenreihe der
Bundeszentrale für politische Bildung Band 358, Bonn 1999, S. 456.)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
15.01.2024
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