Visuelle
Karikaturen gehören heute zu Bildtexten, die
in unterschiedlichen Fächern zum Gegenstand des Unterrichts gemacht
werden. Dementsprechend unterscheidet sich auch im Einzelnen der Umgang
mit ihnen im Unterricht. Dabei wird je nach Disziplin auch auf andere
wissenschaftlich fundierte Analysemodelle Bezug genommen. Zugleich gibt
es aber viele Gemeinsamkeiten. Hier sollen wenige Grundzüge vorgestellt
werden, die einen gewissen Überblick geben können.
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Weit verbreitet
sind (massen-)kommunikationstheoretisch fundierte
Analysemodelle, wie sie z. B. vor allem im
historisch-politischen Unterricht verwendet werden (▪
Analyse mit Hilfe der erweiterten
Lasswell-Formel. Sie sind zwar nicht mehr an der
Einseitigkeit des Kommunikationsvorgangs vom Sender zum
Empfänger orientiert, behalten aber die Konzeption der
Mehrstufigkeit der Kommunikation bei. Zugleich bleibt die
konstruktive Leistung des Empfängers bei der Rezeption
weitgehend ausgeklammert.
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Werden
Karikaturen in der
historischen Publizistik zum Gegenstand der Forschung,
z. B. wenn die Geschichte bestimmter satirischer Zeitschriften
wie der deutsche »Kladderadatsch,
der österreichische »Kikeriki,
die deutschen »Fliegenden
Blätter, der englische »Punch,
das russische »Krokodil,
der französische »Le
Charivari, der deutsche »Simplizissimus)
untersucht werden, dann stehen bei der Analyse einzelner
Karikaturen Inhalt und Funktion im Mittelpunkt. Untersucht
werden dann statt strukturaler Gesichtspunkte Aspekte wie
Motive, Feindbilder u. ä. m.
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Der
Kunstgeschichte geht es bei
ihren Analysen von Karikaturen vornehmlich darum, die Entstehung
der Karikatur als Gattung im Bereich der Bildenden Kunst oder
aber den Stellenwert von Karikaturen im Gesamtwerk eines
Künstlers zu untersuchen.
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Auch die
Volkskunde befasst sich mit
Karikaturen, stellt aber dann gewöhnlich den Inhalt der
Karikaturen, den sie als wichtiges Zeugnis der Volkskultur
ansieht, in den Mittelpunkt und befasst sich daher nur wenig mit
den Strukturen von Karikaturen.
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Die
Literaturwissenschaft
befasst sich im Allgemeinen, auch wenn das
Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft den
Bildsatiren unter dem Lexikoneintrag "Karikatur" durchaus
Beachtung schenkt (vgl.
Rösch 2007),
nur wenig mit visuellen Karikaturen. Gewöhnlich rückt sie
stärker die so genannten
literarischen Karikaturent in ihr Blickfeld, die als
Kunstform zum Gesamtbereich des "Satirisch-Komischen" gehören,
genauer zu jenem Bereich von "literarischen, bildlichen,
filmischen usw. Äußerungen, die moralische Verfehlungen,
bestimmte Sitten und Gebräuche, persönliche Eigenheiten,
Überzeugungen usw. kritisch, polemisch und spöttisch in der
Absicht auf Besserung oder auch lediglich der witzigen Wirkung
halber thematisieren." (Trappen
2006, S.361)
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In der
Linguistik befassen sich die
Text- und
Pragmalinguistik mit Karikaturen. Auch wenn sie das
Kommunikat
"Karikatur" zum Gegenstand ihrer Forschung machen, "verlaufen
die selbstgezogenen Grenzen meist entlang des verbalen Kodes und
grenzen damit die Linguistik ab." (Riszovannij
2008, S.25)
Während davon
auszugehen ist, dass im historisch-politischen Unterricht aus
mancherlei fachdidaktischen und fachmethodischen Gründen die ▪
Analyse mit Hilfe der erweiterten
Lasswell-Formel weiterhin dominieren wird, könnte, insbesondere
im Deutschunterricht, ein Ansatz an Bedeutung gewinnen, der
Karikaturen als multikodales Zeichensystem auffasst. (vgl.
Riszovannij
(2008)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
15.01.2024
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