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Didaktische und methodische Aspekte

Kompetenzen

Karikaturen analysieren

 
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Liste der Bildungsstandards "Sich mit Texten unterschiedlicher medialer Form und
Theaterinszenierungen auseinandersetzen" mit Textmarken zur Verlinkung

Es ist gewiss zu positiv und vor allem undifferenziert, wenn behauptet wird, dass das Zeichensystem von ▪ Karikaturen im Allgemeinen  so "einfach, klar und verständlich" gestaltet sei, "dass ein Rezipient aufgrund seiner Alltagserfahrung und seiner kulturellen Einbindung keine Verständnisschwierigkeiten hat" (Grünewald 1999), sie zu verstehen.

In der Schule jedenfalls erfordert das Analysieren von ▪ Karikaturen in den verschiedenen Unterrichtsfächern weitere, und zwar  unterschiedliche Kompetenzen.

Das gilt vor allem, wenn es sich um historische Karikaturen handelt, mit Schülerinnen und Schülern eingeübt werden. (vgl. Pandel 1999, vgl. Soeren 2004, S.47)

Aber auch im Deutschunterricht müssen, wenn Karikaturen nicht nur zur Motivation z. B. beim Unterrichtseinstieg verwendet werden, sondern ihre Analyse im Zusammenhang mit unterschiedlichen Schreibaufgaben vorgenommen werden muss, neben prozessbezogenen auch domänenspezifische Kompetenzen erworben und angewendet werden.

In den ▪ KMK-Bildungsstandards für das schriftliche Abitur (BISTA-AHR-D 2012) fallen diese in den ▪ KompetenzbereichSich mit Texten und Medien auseinandersetzen und bewegen sich, je nach Definition des Begriffs Karikatur und seiner Textfunktion im Bereich der ▪ Auseinandersetzung mit pragmatischen Texten.

Als eigenständige Schreibform wird die Analyse von Karikaturen im Allgemeinen nur Gegenstand von ▪ Lern- und/oder ▪ Übungsaufgaben sein.

Im Kontext des ▪ materialgestützten Schreibens sind Karikaturen im Materialienpool gängige Bildtexte, die beim Schreiben argumentativer Texte unter Bezugnahme auf Informationen Begründungen und Argumente der zum Aufgabenset gehörenden Materialien ausgewertet und berücksichtig werden müssen. Welche Rolle Karikaturen dabei schreibdidaktisch zugedacht wird, ob als Impuls zu einer Debatte oder als einen kritischen Beitrag dazu, hängt dabei von der Schreibaufgabe selbst ab.

Allgemein geht es im Deutschunterricht im mündlichen und schriftlichen Umgang mit Karikaturen um Kompetenzen im Umfeld der Analyse und Beschreibung ▪ diskontinuierlicher Texte, zu denen Karikaturen auf der Grundlage des erweiterten Textbegriffs als Bild-Text-Kombinationen zählen, bei bei denen das Geäußerte mit der Abbildung, die dazu gehört, "eine Einheit bildet und somit den Text erst konstituiert." (Gansel/Jürgens 2002, S.14) In diesem Sinne stellen Karikaturen (Sonderfall: Karikaturen "Ohne Worte") ▪ komplexe Texte dar. Als Bildsatire zielt sie, "durch die Übertreibung der allgemein menschlichen oder der aktuellen politischen und sozialen Realitäten, auf Kritik am Dargestellten." (Rösch 2007, S.234)

Als ▪ bildliche Darstellungen (depiktionale Darstellungen, visuelle Bilder) werden sie mit bestimmten Schemata (Wahrnehmungsschemata, kognitive Schemata) wie auch andere depiktionale Repräsentationen von Sachverhalten verarbeitet.

Mag sein, dass es einer Mehrheit von Menschen, die an den gängigen gesellschaftlichen und politischen Diskursen zumindest passiv teilhat, mit entsprechend verständlich gestalteten Karikaturen eine Bedeutung zu konstruieren, die der Intention ihres Autors bzw. ihrer Autorin nahekommt, Voraussetzung dafür ist allerdings entsprechendes Weltwissen. Dieses und andere Formen des Wissens benötigen, je nach Karikatur, auch Schülerinnen und Schüler, die Karikaturen analysieren und beschreiben sollen (z. B. Faktenwissen, prozedurales Wissen, thematisches Wissen, Sprachwissen).

Nur auf der Grundlage dieses Wissens, das auch zur  ▪ pragmatischen (Bild-)Kompetenz gehört, bei der es darum geht, das piktoral, referentiell,  exemplifikatorisch und funktional im Bild Mitgeteilte situationsbezogen zu interpretieren, kann es nämlich gelingen, Karikaturen zu verstehen.

Ohne entsprechende Bildkompetenzen erworben zu haben, sind Karikaturen ohnehin nicht zu verstehen. Daher lohnt sich ein differenzierter Blick darauf, welche Teilkompetenzen dabei auch bei Karikaturen eine Rolle spielen.

Neben den für Bildverstehen grundlegenden Kompetenzebenen (▪ perzeptuelle, ▪ plastische und ▪ signitive Kompetenz) dürften im Umgang mit Karikaturen, ohne die Bedeutung der anderen Kompetenzen grundsätzlich herabzuspielen, vor allem die ▪ referentielle, die ▪ funktionale und ▪ pragmatische Kompetenz besonderes Gewicht haben.

Der Stellenwert von Karikaturen im Unterricht

Visuelle ▪ Karikaturen sind aus dem heutigen Unterricht, am meisten wohl in geisteswissenschaftlichen Fächern wie ▪ Geschichte, ▪ Deutsch, ▪ Politik/Gemeinschaftskunde/Sozialkunde und Religion/Ethik, nicht mehr wegzudenken. Sie können damit verschiedenen didaktischen Zielen dienen und diese mit unterschiedlichen Methoden verfolgen.

So werden sie häufig als Mittel zur Herstellung von Motivation beim Einstieg in eine Unterrichtsstunde eingesetzt. Mit Karikaturen werden aber auch Sachverhalte veranschaulicht. Sie dienen dem Problemaufriss oder zur Ergebnissicherung und werden auch zur Lernkontrolle verwendet. (z.B. im Geschichtsunterricht: vgl. Reeken 2007, S.164)

Sie können aber natürlich auch selbst Gegenstand der Beschreibung und Analyse sein. In Präsentationen können sie die Aufmerksamkeit auf bestimmte Aspekte lenken oder aber einfach auch zur Auflockerung beitragen. In der Schule kommen .

Dabei sollte sich die Arbeit mit Karikaturen im Unterricht nicht auf die rezeptionsorientierte Analyse oder die Rekonstruktion beschränken, sondern auch Gegenstand der produktiven Auseinandersetzung werden. Wenn Karikaturen so behandelt werden, dann können z. B. zielgerichteten Textbeifügungen für vorgefundene Bilder angefertigt werden oder auch Veränderungen am Bildmaterial selbst vorgenommen werden oder sogar eigene zeichnerische Versuche gemacht werden. Denn, "dabei wird deutlich", wie Dietrich Grünewald (1999, S,456) betont, "dass politische Karikaturen nicht Selbstzweck sind, sondern zielgerichtete, satirische Kritik, die bei allem Lustgewinn etwas bewirken will, die über das Lachen betroffen, nachdenklich, im optimalen Fall politisch aktiv machen will."

Die Karikatur in verschiedenen Fachwissenschaften

In der Literaturwissenschaft werden Karikaturen meistens als Form der Satire aufgefasst oder dem Komischen zugerechnet.

Gero von Wilperts einschlägiges »Sachwörterbuch der Literatur« greift zur Definition des Begriffes auf den des Zerrbildes zurück, "das durch Überbetonung einzelner, dennoch erkennbarer Charakterzüge komisch oder satirisch wirkt." Es diene "durch die einseitige Verzerrung neben dem Spott oft auch der Kritik mit der Absicht, durch Aufdeckung verurteilenswerter Schwächen und Missstände auf politischem, sozialem oder sittlichem Gebiet zu deren Abstellung anzuregen." (Sachwörterbuch 5. Aufl. 1969, S,378f.)

Neben den zeichnerischen Karikaturen kennt die Literaturwissenschaft also auch literarische Karikaturen. Man findet sie als Typen-Karikaturen z. B. in den Charakterkomödien »Molières (1622 - 73), in »Shakespeares (1564 - 1616) »Falstaff oder auch in »Cervantes' (1547 - 1616) »Don Quijote. Als unpersönlich-unpolitische Charakter-Karikatur hat sie »Wilhelm Busch (1832 - 1908) mit seinen Zeichnungen gestaltet. Als groteske Karikatur des Menschlichen ist die Karikatur sogar in das »absurde Drama gelangt. (vgl. Sachwörterbuch, ebd. S.379) Auch die literarischen Karikaturen bedienen sich dabei des eingangs erwähnten karikaturistischen Verfahrens.

Auch die literarischen Karikaturen gehören als Kunstform zum Gesamtbereich des "Satirisch-Komischen", genauer jenem Bereich von "literarischen, bildlichen, filmischen usw. Äußerungen, die moralische Verfehlungen, bestimmte Sitten und Gebräuche, persönliche Eigenheiten, Überzeugungen usw. kritisch, polemisch und spöttisch in der Absicht auf Besserung oder auch lediglich der witzigen Wirkung halber thematisieren." (Trappen 2006, S.361)

In der Geschichtswissenschaft gehören Karikaturen zu den Bildquellen, deren Beschreibung und Analyse bzw. Interpretation besondere Sorgfalt und spezifischer Methoden und gedanklicher Operationen bedarf. Dabei geht es stets "um die Erschließung gespeicherter Inhalte, die Rekonstruktion von Repräsentationen bekannter Personen, sozialer, ethnischer, religiöser Gruppen, politischer oder kultureller Phänome usw. in einem bestimmten Kontext oder in ihrer Entwicklung und Veränderung." (Riszovannij 2008, S.24)

Um allerdings zu verstehen, wie eine Karikatur etwas "gegen den Strich bürstet", wie sie ein Problem zuspitzt, wohlwollend oder bösartig kommentiert, wie sie die Dinge verkürzt, übertreibt oder untertreibt, ist in der historischen Distanz ebenso wenig "automatisch" zu erkennen, wie die Wahrnehmung und Interpretation (zeitgenössischer) Stilmittel wie Übertreibung, Paradoxie, Ironie, Komik, Parodie, Witz und Sarkasmus. (vgl. Einleitung zu: Gegen den Strich - Karikaturen zu zehn Themen, in: Politik & Unterricht 3/4 (2005), S.3  bzw. 2(1978), S.2)

Der aus historischer Distanz rezipierende Betrachter verfügt eben nicht mehr über die Alltagserfahrung des zeitgenössischen Rezipienten, der ihm Inhalt, Gestaltung und Aussage in einem bekannten Zeichensystem oft unmittelbar zugänglich macht.

So müssen z. B. bestimmte Personifikationen aufgelöst  und Symbole gedeutet werden oder es müssen Eigenschaften erkannt werden, die in einschlägigen Mensch-Tier-Vergleichen stecken. Außerdem müssen u. U. natürliche und politische Metaphern entschlüsselt werden.

Dass dies alles fundierte Kenntnisse des historischen politisch-sozialen Kontextes verlangt und die Fähigkeit in diesen bildlichen Zeugnissen die karikierten historischen Personen und Persönlichkeiten (wieder-) zu erkennen, versteht sich fast von selbst. (vgl. Pandel 1999, vgl. Soeren 2004, S.47f.)

Auch wenn das Zeichensystem von Karikaturen im Allgemeinen durchaus "einfach, klar und verständlich" gestaltet ist (Grünewald 1999), muss die Analyse und Beschreibung von Karikaturen, insbesondere wenn es sich um historische Karikaturen handelt, mit Schülerinnen und Schülern eingeübt werden. (vgl. Pandel 1999, vgl. Soeren 2004, S.47)

In der Politikwissenschaft gelten bis zu einem gewissen Grad die gleichen Prinzipien. Und auch die Bildende Kunst, besonders die Kunstgeschichte, wird neben ihrer Akzentsetzung im ästhetischen Bereich der politisch-sozialen Kontextualisierung ihrer Betrachtungen stärkeres Gewicht geben müssen (vgl. Plum 1998, S.7

 

 

 

"Karikaturen sollten sowohl Mittel des Unterrichts sein (Motivationseinstieg, Veranschaulichung, Dokumente parteilicher historischer Standpunkte und Argumentationen, Reflexe auf politische Prozesse) als auch bewusst Gegenstand sein. Der erste emotionale Anstoß, die spontane Reaktion sind wichtig. Doch bleibt die Aufgabe, die Sicherheit im kritischen Umgang mit Karikaturen zu fördern, ein wichtiges Ziel. Die visuelle Satire soll nicht nur untersucht, sondern auch selbst produziert werden: zunächst mit zielgerichteten Textbeifügungen für vorgefundene Bilder, dann durch Veränderungen von Bildmaterial, schließlich mit eigenen zeichnerischen Versuchen. Dabei wird deutlich, dass politische Karikaturen nicht Selbstzweck sind, sondern zielgerichtete, satirische Kritik, die bei allem Lustgewinn etwas bewirken will, die über das Lachen betroffen, nachdenklich, im optimalen Fall politisch aktiv machen will." (Dietrich Grünewald, Bild und Karikatur, in: Wolfgang W. Mickel (Hrsg.), Handbuch zur politischen Bildung, Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung Band 358, Bonn 1999, S. 456.)

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 15.01.2024

 
 

 
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