Der
kontextuelle Ansatz
setzt sich von "den exzessiven Tendenzen des
▪
Dekonstruktivismus" (Steinmetz
1995, S.478) ab, macht sich aber wesentliche Erkenntnisse daraus zu eigen.
Aus diesem Grund ist es auch nicht ganz unproblematisch, diesen Ansatz den
▪ antihermeneutischen Modellen zuzuordnen. Aber auf der anderen Seite sind die Unterschiede zu den
▪
hermeneutischen Ansätzen,
insbesondere auch dem
werkimmanenten Ansatz,
zu eindeutig.
Wenn es Grundzug der dekonstruktivistischen Extremposition
ist, dass jede feste Bedeutung
eines Textes negiert wird und sich daraus ein nahezu unendlicher
Auslegungsspielraum ergibt (Prinzip
unendlicher Intertextualität), dann bemüht sich der kontextuelle
Ansatz die jeweiligen Kontexte und ihre Konstruktion bei der
Bedeutungserzeugung genauer zu betrachten.
Kontextuelle Interpretationspraxis wendet sich gegen die vom
Dekonstruktivismus vorgenommene De- und Enthistorisierung literarischer
Werke, erkennt aber an, dass die Auslegungsvielfalt literarischer Werke
"unvermeidliche Wirkung des Interpretierens selbst ist." (Steinmetz
1995, S.479)
Die
Kontextgebundenheit oder Kontextabhängigkeit jeder
Interpretation ist dabei eine Überzeugung, die der kontextuelle Ansatz mit
dem literaturwissenschaftlichen Dekonstruktivismus teilt und die die
antihermeneutische Grundausrichtung beider Interpretationsansätze
verdeutlicht.
Denn wenn es immer noch nicht die "richtige" Interpretation
eines literarischen Textes gibt, dann liegt das eben nicht daran, dass noch
nicht die "richtigen" Instrumente, Ansätze oder Modelle zur Interpretation
entwickelt worden sind, sondern schlicht daran, dass sich literarische Texte
nicht auf einen Sinn festlegen lassen.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
13.09.2022