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Die Literaturreform von Martin Opitz

Grundmomente des Reformprogramms


FAChbereich Deutsch
Glossar
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Martin Opitz (1597-1639) gilt als Begründer und einer der wichtigsten Vertreter der ▪ "Kunstdichtung", wie man die anspruchsvolle volkssprachliche Literatur im Gefolge seiner ▪ Literaturreform immer wieder nennt. Dabei kann der Begriff "Kunstdichtung" aus verschiedenen Gründen heute nur noch als wertneutraler ▪ Arbeitsbegriff dienen.

Das literarische, sprachliche und kulturpolitische Reformprojekt, das außer Opitz auch andere vorwiegend protestantische Humanisten, in deutscher Sprache intellektuell anspruchsvoll zu dichten, sollte sich in ▪ klarer Abgrenzung zu den beiden Traditionslinien der Dichtung in Deutschland, der neulateinischen Gelehrtendichtung und der volkssprachlichen "Popularliteratur" (Willems 2012, Bd. I, S.72)etablieren.

Um dieses Ziel zu erreichen, galt es nach Ansicht dieser Humanisten  "die deutsche Sprache im humanistische(n) Sinne literaturtauglich" (Meid 2008, S.5) zu machen.

Ein nicht gerade gering ambitioniertes Unterfangen, wenn man bedenkt, dass neben einer ▪ Reihe anderer Vorbehalte in Deutsch oft "nicht einmal gesagt werden konnte, was sprachlich richtig und was falsch war" (Wels 2018, S.37f.). Fraglich, ob dem Reformprojekt der allmähliche Durchbruch gelungen wäre, wenn nicht zugleich die ▪ Entwicklung des frühmodernen Staates einen soziokulturellen Wandel nach sich gezogen hätte, die der Reform von den neuen Mächtigen, den Fürsten und ihren Zentren an den Höfen die erforderliche Rückendeckung gegeben hätten. Insgesamt betrachtet, eine günstige historische Win-Win-Situation für die Fürsten und die gelehrten "Kunstdichter". (vgl. Jaumann 2002, S.198)

Auf der Tagesordnung des Reformprojekts stand zunächst der Nachweis, dass sich in Deutsch die vor allem aus Italien bekannten Formen, insbesondere im Bereich der Lyrik, ebenso gestalten ließen.

Ein Sonett und/ oder der Alexandrinervers mit seinem sechshebigen Jambus und der Mittelzäsur nach der dritten Hebung, die als Ausdruck höchster lyrischer Gestaltungskunst der Zeit angesehen wurden, mussten sich, das war die Überzeugung der Reformer, doch auch für deutsche Gedichte verwenden lassen, wenn man den Vorbildern aus Italien, allen voran dem von »Francesco Petrarca (1304-1374), folgte.

Wenn es zugleich gelang, die poetischen und rhetorischen Prinzipien der noch in neulateinischem Kontext stehenden Poetik des italienischern Humanisten, Dichters und Naturforschers »Julius Caesar Scaliger (1484-1558) zu übernehmen oder an die Erfordernisse einer anspruchsvollen volkssprachlichen Dichtung anzupassen, musste, so die Überzeugung der reformfreudigen Humanisten, der "Anschluss an die Elitenkultur des gemeineuropäischen gelehrten Späthumanismus" (Jaumann 2002, S.200) eigentlich zu schaffen sein.

Neben anderen Aspekten musste dazu eine Reform der deutschen Verslehre, insbesondere der Metrik, zustande kommen, um die sich vor allem Martin Opitz verdient machte. Ihm ist es u. a. zu danken, dass die Versmaße (Metrik) lyrischer Texte statt an den Längen von Silben wie bei den antiken Versmaßen fortan am natürlichen alternierenden Betonungsakzent der deutschen Sprache ausgerichtet wurden.

Das kulturpolitische Reformprogramm von Martin Opitz

Worum es Martin Opitz ging, war aber mehr als das. Schon einige Jahre bevor er mit seinem Hauptwerk, dem "»Buch von der Deutschen Poeterey" (1624) ein bahnbrechendes Regelwerk für die weitere Entwicklung einer neuen, anspruchsvollen, deutschsprachigen Literatur niedergeschrieben hat, hat er in einer 1617 während seiner knapp einjährigen Zeit am dortigen Gymnasium ( Schönaichianum) in Beuthen erschienenen und als Rede in lateinischer Sprache abgefassten Schrift (Aristarchus sive de contemptu linguae Teutonicae, kurz: Aristarch) klar gemacht, worum es ihm ging. Schon zu diesem Zeitpunkt plädierte er in klarer Abgrenzung von allen bis dahin vorhandenen Zeugnissen der deutschsprachigen Poesie im Kirchen- oder Liebeslied, beim Meistergesang oder in Sprüchen und Schwänken, für eine neue, neuartige deutsche "Kunstpoesie":

"Hinfort muss also Jedermann wissen: es steht nichts im Wege, dass auch unsere Sprache aus dem Dunkel auftauche, und ans Licht gezogen werde, diese schöne, feine kräftige Sprache, die ihres Vaterlandes, der Amme so vieler gewaltiger Helden, so würdig ist, die Sprache, welche unverfälscht und unvermischt' im Verlaufe schon so vieler Jahre' auf uns gekommen ist. Sie müsst ihr lieben, wenn ihr nicht gegen den Himmel eures Vaterlandes, das heißt gegen euch selbst, Feindschaft hegt, an ihrer Ausbildung müsst ihr arbeiten, darin müsst ihr euch als Männer zeigen. Hier ist Rhodus, hier springet." (zit. n. Garber 2014,  S.288)

In seinem 1624 veröffentlichten Hauptwerk, das »Buch von der Deutschen Poeterey, das als "kulturpolitisches Programm und als Manifest eines Aufbruchs" ( Jaumann 2002, S.193) zu verstehen ist und das "mit Fug und Recht als Gründungsurkunde der  neueren deutschen Literatur angesehen werden kann" (Niefanger 32012, S.100), sind seine Ausführungen "über das Regelwerk und Handwerkszeug des dichterischen Meisters" in das ihm zugrundeliegende kulturpolitische Reformkonzept integriert. Dieses zielte auf eine "aus Tugend, Politik und Sprache integrale Einheit" ("Eine intakte Sprache und Literatur gibt es nur unter intakten politischen Verhältnissen." (Garber 1976, S.135, zit. n. Jaumann 2002, S.196)

Lange hat man dem Buch von der Deutschen Poeterey, in dem vieles nicht wirklich neu war, nicht die ihm gebührende Beachtung geschenkt.

Dementsprechend gehört es auch bis heute zum "guten Ton" der Literaturkritik darauf hinzuweisen, dass die neulateinischen Poetik (1561) des italienischern Humanisten, Dichters und Naturforschers »Julius Caesar Scaliger (1484-1558) etliches von dem enthielt, was Opitz in seinem Werk zusammenfasste.

Martin Opitz aus der historischen Distanz mangelnde Originalität vorzuhalten, trifft hingegen das Neue dieser Übertragung auf deutsche Verhältnisse nicht, zumal Deutschland in dieser Zeit ohnehin versuchte, auf zahlreichen Gebieten den verlorengegangenen politischen und kulturellen Anschluss an die Entwicklung anderer Länder wie Italien, Franreich, England oder die Niederlande zu finden.

Opitz blieb unter den gesellschaftlichen Bedingungen seines Lebens, wie schon erwähnt, nichts anderes, als bei seinem kulturpolitischen Programm "auf eine Verknüpfung des Literaturbetriebs mit dem Adel und der höfischen Kultur, und zwar im Sinne wechselseitiger Leistungen, sozusagen eines Gebens und Nehmens" (Jaumann 2002, S.198) zu setzen.

Ohne die Verankerung seines kulturpolitischen Programms bei den Mächtigen der Zeit, von denen sich viele ja auch in den Vereinigungen, wie der »Fruchtbringenden Gesellschaft wiederfanden, waren die sprach- und kulturreformerischen Ambitionen eines Martin Opitz nicht zu machen.

Seine Reform war insofern eine "Reform von oben", und zwar im doppelten Sinne: Zum einen war sie auf die Unterstützung durch die Mächtigen der ▪ Ständegesellschaft angewiesen, die von den von ihnen Begünstigten Loyalität einforderten. Zum anderen schloss sie die "von unten" kommende Volkspoesie in einer "hochselektiven Entscheidung" (ebd., S.200) von der Entwicklung einer neuen Kunstdichtung aus, bei der es auch darum ging, den "Anschluss an die Elitenkultur des gemeineuropäischen gelehrten Späthumanismus" (ebd.) zu gewinnen und dessen Vorstellungen zu den dominanten Standards der neuen "Höhenkammliteratur" zu machen.

Dass man Opitz später zum "Vater der deutschen Dichtung" stilisierte und damit eine  ▪ "Gründungslegende der deutschen Literatur" (Niefanger 2012, S.18) schuf, die bis heute nachwirkt, ist etwas, was Opitz schon zu Lebzeiten u. a. wegen seiner  ▪ sozialen Aufstiegsambitionen in der Ständegesellschaft seiner Zeit aktiv gefördert und mitgestaltet hat.

Doch das Netz dieser fein gestrickten "Gründungslegende" zeigt inzwischen Löcher und kann auch ▪ mit gewichtigen Argumenten als weitgehend widerlegt angesehen werden.

Aber: Auch wenn die Produkte der neuen deutschsprachigen Kunstdichtung aus verschiedenen Gründen keine wirklich hohe Verbreitung fanden – sie waren ja ohnehin nur von gelehrten Schriftstellern für andere gelehrte und hochgebildete Personen gedacht – kam es mit ihnen in einem fließenden Übergang zu einer "Neubesetzung literarischer Felder" (Bourdieu 2001), flankiert durch erfolgreiche und populäre Poetiken wie das 1624 erscheinende Hauptwerk das »Buch von der Deutschen Poeterey oder die ein Jahr später publizierten drei Bände der weltlichen und geistlichen »Poemata von Martin Opitz. (vgl. Niefanger 32012, S.15)

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 23.12.2023

 
 

 
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