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Formen des erörternden
Schreibens
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Freiere Formen
Stellungnahme eine Form des Erörterns?
Die
▪ schriftliche
Stellungnahme stellt eine sehr gebräuchliche
▪ (schulische)
Schreibform dar. Als eigenständige schulische Schreibform wird
im Allgemeinen eine ▪
kritische Stellungnahme
zu einem Geschehen, Sachverhalt,
einem Problem oder einer Meinungsäußerung (allesamt
sprechakttheoretisch auch als Voräußerungen zu verstehen) erwartet.
Schreibaufgaben werden dabei oft ▪
mit einer vorgegebenen
Kommunikationssituation verbunden, um problemlösende
Schreibprozesse zu initiieren und für die insgesamt allerdings
durchaus komplexe ▪
Schreibmotivation zu nutzen.
Ob man die schriftliche Stellungnahme auch zum ▪
erörternden Schreiben zählen will, hängt von den Grenzen ab, die
der Begriff des Erörterns ziehen soll.
Eine Stellungnahme kann auf Mehrperspektivität verzichten
Vergleicht man die ▪
freien Problem- und Sacherörterung mit der Stellungnahme so
ist der grundlegende Unterschied zwischen beiden darin begründet:
Die Stellungnahme verlangt im Gegensatz zur ersteren "noch
kein
mehrperspektivisches Erörtern" (Fritzsche
1994, S.124, Hervorh. d. Verf.). Das Modaladverb "noch"
erscheint indessen zu sehr an der Vorstellung orientiert, dass eine
Stellungnahme im Kern nur als Vorform der als höherwertig
angesehenen klassischen Formen erörternden Schreibens angesehen
werden kann.
Dieser Auffassung wird hier ausdrücklich nicht gefolgt.
Stattdessen wird die eingeständige Bedeutung der Schreibform betont,
die sich in das Spektrum der verschiedenen Formen erörternden
Schreibens mit spezifischen Merkmalen und Funktionen einordnen
lässt. Und selbst wenn man didaktisch in berücksichtigt, dass die ▪
Stellungnahme entwicklungspychologisch gesehen von jüngeren
Jugendlichen eher zu bewältigen ist als die Aufgaben, die mit dem
mehrperspektivisch angelegten Erörtern bei der ▪
freien Problem- und Sacherörterung verbunden sind, bleibt
die eigenständige Bedeutung der Schreibform und vor allem ihre
Einbettung in andere Textmuster, dass die Stellungnahme eben mehr
ist als nur der "kleine Bruder" oder die "kleine Schwester" der
klassischen Formen erörternden Schreibens.
Einige Merkmale der Stellungnahme und der freien Problem- und
Sacherörterung sollen dies weiter verdeutlichen:
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Stellung-Nehmen
dient weniger als bei der ▪
freien Problem- und Sacherörterung der eigenen
Selbstaufklärung in einem
(epistemisch-)heuristischen
Schreibprozess,
-
Beim
schriftlichen Stellung-Nehmen soll der Schreiber bzw. die
Schreiberin also im Allgemeinen keine neue Erkenntnisse
gewinnen, sondern ein begründetes subjektives Statement
abgeben.
-
Der Trend zur
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Subjektivierung des erörternden Schreibens, die mit diesen
▪ neueren
und ▪
freieren Formen erörternden Schreibens einhergeht, führt
dazu, dass ein ▪
linear-entwickelndes Textordnungsmuster
wie bei der schriftlichen Stellungnahme in der Schule immer
mehr Raum gewinnt. So wird es zum Schreiben, das mehr am
subjektiven Erleben orientiert ist und den argumentativen Text
danach ausrichtet und strukturiert und am Ende steht eine
wirklich persönliche Stellungnahme.
-
▪
Schreibaufgaben, die durch die
Einbettung des Schreibens in eine bestimmte
Kommunikationssituation problemlösendes Schreiben im Auge haben,
zielen hingegen auf ein ▪
linear-dialogisches Textordnungsmuster, das zur Klärung von
etwas Strittigem sowohl Gefühle, gedankliche Konzepte und
sprachliche Äußerung/Gestaltung unter dem kommunikativen Aspekt
eines spezifischen Adressatenbezugs in einen funktionalen
Zusammenhang bringen soll.
-
Andererseits muss
man dabei auch die Grenzen der schriftlichen Stellungnahme
sehen, die auf das übliche
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formal-systematische Textordnungsmuster beim Erörtern
verzichtet, bei der die Form die Textstruktur bestimmt (vgl.
Feilke 1988). Der Vorwurf des "mangelnden Tiefgangs" geht indessen
an der Sache vorbei. Inwieweit sich mit der weiteren
Subjektivierung des Erörterns auch die
▪
Fähigkeit zur Perspektivenübernahme beim Schreiben verloren geht,
ist eben schwer zu beurteilen.
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Entscheidend wird
in diesem Zusammenhang sein, dass die schriftliche Stellungnahme
▪
Geltungsansprüche beim Argumentieren einlöst und den
▪
Regeln vernunftorientierter Argumentation
folgt, damit z. B.
▪
Tatsachenbehauptungen am Ende nicht als bloß "rausgehauene"
Statements den Charakter von "Fake-News"
annehmen können.
Aufgabenstellung bei der freien Problem- und Sacherörterung und der
schriftlichen Stellungnahme
Bei der schriftlichen Stellungnahme als eigenständige schulische
Schreibform wird im Allgemeinen eine
▪
kritische Stellungnahme zu einem Geschehen, Sachverhalt, einem
Problem oder einer Meinungsäußerung erwartet.
Dabei weist die Themenstellung oftmals Ähnlichkeiten mit
▪
Impuls- oder
▪
Zitat-Themen auf, wie sie bei der ▪
freien Problem- und Sacherörterung vorkommen.
Die Länge dieses
"Impuls-Textes" kann dabei natürlich unterschiedlich ausfallen,
sollte aber keine intensive Erschließung oder Wiedergabe eines
Sachtextes (pragmatischen
Textes) erfordern, wie dies bei Texterörterung
oder
▪
Textanalyse geboten ist. Im Zentrum sollte die Darstellung einer
Kommunikationssituation stehen,
Wenig hilfreich sind Themenstellungen wie die folgenden, die wohl
besser als Problemerörterungen zu bewältigen.
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Stellungnahme:
Es gibt kaum ein Thema, das die Menschen so erregt wie die
Frage, ob es nicht vernünftig wäre, von einem bestimmten Alter
an den Führerschein zurückzugeben. Die Befürworter einer
Altersgrenze für Autofahrer verlangen Gesundheitstests, die
Gegner weisen darauf hin, dass Ältere viel weniger Unfälle
verursachen als jüngere Menschen. Was meinen Sie zu den
Argumenten der Befürworter und Gegner? Wie stehen Sie im
Allgemeinen zu einer Altersgrenze für Autofahrer?
-
Immer wieder wird
gefordert, dass junge Menschen bereits mit 17 Jahren in
Begleitung eines Führerscheininhabers fahren dürfen. Die
Führerschein-Ausbildung könnte dann mit sechzehneinhalb Jahren
begonnen werden. Mit 17 Jahren gäbe es die Prüfbescheinigung und
mit 18 den Führerschein. Verfassen Sie eine Stellungnahme,
aus der hervorgeht, was Sie von diesen Vorschlägen halten.
Die beiden Beispiele zeigen, wie nah sich die Schreibaufgaben für die freie Problem- und
Sacherörterung und die Stellungnahme kommen können. Daher müssen Sie
▪ mit Bedacht konzipiert werden.
Wie im ersten Fall sichtbar, lässt sich die Stellungnahme so von
der Erörterung nicht mehr abgrenzen. Im zweiten Fall macht der
Arbeitsauftrag dagegen deutlich, dass es nicht um ein
mehrperspektivisches Abwägen von Argumenten und Gegenargumenten
geht, sondern um die begründete Darlegung des eigenen Standpunktes
zu dem Problem. Auch wenn die ▪
kommunikative Einbettung der Schreibaufgabe aus verschiedenen
Gründen vorzuziehen ist, dürfte die ▪
allgemeine Schreibaufgabe zu einer Stellungnahme mit der
Formulierung "... was Sie von diesen Vorschlägen halten" deutlich
genug markiert sein.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
30.12.2023
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