▪
Württemberg zur Zeit Herzog Carl Eugens (1728-1793)
▪
Konkurrenzkampf und Prasserei: Absolutistische Repräsentation
von Macht
▪
Fürst und Land: Dualistischer
Ständestaat in Württemberg- Verfassung in Württemberg
▪
Versailles in Schwaben: Ludwigsburg zur Zeit Carl Eugens
▪
Höfische Festkultur zur Zeit Carl Eugens
Als
»Herzog Carl Alexander (1664-1737) im März 1737 stirbt, hinterlässt
er seine 21 Jahre jüngere Frau »Maria
Augusta Sophia von Thurn und Taxis (1706-1756) mit den gemeinsamen 5
Kindern, die zu dieser Zeit zwischen 2 und 9 Jahren alt sind. ▪
Carl Eugen (geb.
1728), der älteste der vier Söhne, wird im minderjährigen Alter von neun
Jahren Thronfolger.
Die Rache der Stände am Hofjuden von Herzog Carl Alexander
Die schon
schwelenden Auseinandersetzungen zwischen Herrschaft und Landschaft,
die wegen Machtansprüche Carl Alexanders und seiner ausufernden
Finanzbedarfs zustande gekommen waren, hatten mit den illegalen
Finanzaktionen seines Geheimen Finanzrates »Joseph
Süß Oppenheimer (1698-738) den ganzen Hass der Stände und der ▪Ehrbarkeit
auf sich gezogen.
Dieser belieferte
als
»Hof-
und Kriegsfaktor den Hof mit Luxuswaren aus aller Herren
Länder, kaufte für das Heer Munition und Proviant im Ausland,
verschaffte seinem Herrn Kapital an allen Bank- und Börsenplätzen
Europa, machte sich Gedanken, wie er aus dem Land selbst mehr für
seinen Herrn herausholen konnte, um dessen Hofhaltung und
Unternehmungen zu finanzieren. Das Amt wurde an den verschiedenen
Höfen oft von Juden ausgeübt, die zu dieser Zeit auch als
Hofjuden bezeichnet worden sind. Das
Hofjudentum leistete dabei einen nicht zu unterschätzenden Beitrag
zur ▪
Entwicklung des frühmodernen Staates im Absolutismus und seiner
»merkantilistischen
Wirtschaftsform. (Stern
2001, S.12)
Gewöhnlich spielte
die Religion des Hofjuden keine große Rolle. Joseph Süß Oppenheimer,
der später nach seiner Verhaftung Jud Süß genannt wurde - die Nazis
drehten 1940 einen »antisemitischen
Propagandafilm mit diesem Titel - , stellte sich wie alle
Amtsträger seiner Art ganz in den Dienst seines Herrn und stellte
ihm, so wie dies die Hofjuden gewöhnlich taten, in einer besonderen
persönlichen und menschlichen Beziehung zwischen Fürst "alle seine
Kapazitäten leistungsbereit und aufopfernd seinem Fürsten zur
Verfügung." (ebd.,
S.15) Das unbedingte Vertrauensverhältnis, das dieser Beziehung
zugrunde lag, resultierte dabei offenbar nicht nur aus den
gemeinsamen Interessen, sondern bei allem sonst Trennenden aus dem
Leben "in der gleichen Isolation: der Fürst, auf Grund seiner
Unnahbarkeit und Allmacht, der Hofjude auf Grund seiner Religion und
Herkunft, die ihn von der übrigen Gesellschaft ausschloss." (ebd.)
»Joseph
Süß Oppenheimer (1698-738) war ein »kurpfälzischer
Schutzjude, der im Gegensatz zu nur zeitweise Zugereisten, als
Ortsansässiger unter dem Schutz der Obrigkeit stand. waren, In
seinem Dienst für
»Herzog Carl Alexander (1664-1737) sehr erfolgreich
und stand für eine moderne »merkantilistische
Wirtschafts- und Handelspolitik, die auch ihn selbst reich
machte. Ohne jeden jeden Skrupel verschaffte er seinem Herrn durch
"Ämterkauf, Münzverschlechterung, jede Form von Bestechung und
gesetzloser Bereicherung" (Walter
1987, S.35) die nötigen finanziellen Mittel.
Nach dem Tod von
»Herzog Carl Alexander (1664-1737) am 12. März 1737 und in der Zeit der
Vormundschaftsregierung für seinen Thronfolger ▪
Carl Eugen (1728-1793)
entlud sich der ganze aufgestaute Hass der ▪
Ehrbarkeit gegen Joseph
Süß Oppenheimer.
Schon in der Nacht
vom 12. auf den 13. März 1737 wurde er verhaftet und auf die Festung
Hohenneuffen gebracht. Man bildete eine Inquistionskommission
gegen ihn, setzte ihn unzähligen Verhören aus, kerkerte ihn nach der
Eröffnung eines Kriminalprozesses Ende März ab dem 30. April 1737
auf dem »Hohenasperg
ein. Verhaftungen und Verhöre, die zum Teil mit Folter verbunden
waren, zogen sich bis zum Jahresende hin.
Nach dem
Todesurteil wegen "Hochverrats" gegen ihn - man konnte ihm keines
der ihm sonst zur Last gelegten Tatbestände (Majestätsbeleidigung,
Beraubung der staatlichen Kassen, Amtshandel, Bestechlichkeit,
Schändung der protestantischen Religion und sexuellen Umgang mit
Christinnen) zweifelsfrei als Verbrechen nachweisen - wird er am 4.
Februar oben auf dem zwölf Meter hohen Galgen - je höher der
Galgen, desto schimpflicher die Strafe - öffentlich vor
zehntausenden von Zuschauern auf dem Marktplatz von Stuttgart
hingerichtet.
Die Leiche des
Hingerichteten blieb sechs Jahre lang in einem Käfig hängen, bis
Carl Eugen 1744 die sterblichen Überreste an Fuß des Galgens
verscharren ließ. Das Exempel, das die Ehrbarkeit an Joseph Süß
Oppenhauer hatte exerzieren lassen, hatte ausgedient.
Der Streit um die Vormundschaft des Thronfolgers
Als
»Herzog Carl Alexander (1664-1737) stirbt, sind dessen Pläne einer ▪
Verfassungsänderung,
mit der er den ▪ Dualismus
von Fürst und Land, das Machtverhältnis von Fürst und der
oligarchischen ▪ Ehrbarkeit,
zu seinen Gunsten neu bestimmen wollte, vom Tisch und die Stände
wegen der Unmündigkeit seines gerade mal neun Jahre alten Sohnes und
Thronfolgers ▪
Carl Eugen
(1728-1973) sind für einige Zeit obenauf.
Auf Drängen der
Landstände trat der Herzog »Carl
Rudolf von Württemberg-Neuenstadt (1667-1742) als Neffe des
Vaters von Carl Alexander, der als nächster männlicher Verwandter (»Agnat)
dafür in Frage kam, die Vormundschaft an, die er aber aus
Krankheitsgründen schon im August des folgenden Jahres 1768 wieder
ab- und an Herzog »Carl
Friedrich II. von Württemberg-Oels (1690-1761) abgab, die dieser
bis zum Regierungsantritt Carl Eugens im
1744 ausübte. Beide
Landesadministratoren kamen den Landständen entgegen, so dass sich
das Verhältnis von Fürstenhaus und Land in dieser Zeit deutlich
entspannte.
Bei der Erteilung
der Vormund- und Regentschaft an diese beiden Herzöge, die den
diesen Titel aber nur als eine Art Ehrentitel trugen, setzten sich
die Landstände über das Testament des verstorbenen Herzogs hinweg.
Dieser hatte nämlich verfügt, dass neben seinem Cousin »Carl
Rudolf von Württemberg-Neuenstadt (1667-1742), seine Witwe »Maria
Augusta Sophia von Thurn und Taxis (1706-1756) und der katholische
Bischof von »Würzburg
und »Bamberg,
»Karl
Graf von Schönborn (1674-1746), der 1737 als
»Reichsvizekanzler
für den habsburgischen Kaiser »Karl
VI. (1685-1740) in Wien, der »Reichshofkanzlei,
der obersten Behörde des
»Heiligen
Römischen Reiches vorstand, gemeinsam die Regentschaft
übernehmen sollten. Allerdings war die Einsetzung eines
ausländischen, dazu noch katholischen Mitregenten in Württemberg für
die protestantischen Stände unannehmbar und auch
verfassungsrechtlich nicht möglich. (vgl.
Sting 2005,
S.175).
Unumstritten war
die die Regelung der Vormundschaft daher nicht, weil sich in der
Frage der Mitregentschaft des Würzburger Bischofs ganz
grundsätzliche Fragen für Württemberg und seine weitere Entwicklung
stellten.
Gleich nach dem Tod
»Herzog Carl Alexander (1664-1737) kommt es zu
Auseinandersetzungen über die die Vormundschaft bei der sich zwei
Parteien auch als konfessionelle Lager gegenüberstanden. Auf der
einen Seite formierte sich die katholische Partei, angeführt von
der Herzogin-Mutter »Maria
Augusta (1706-1756) unterstützt vom katholischen Österreich und von
Resten der Partei um den gestürzten
Süß Oppenheimer.
Auf der anderen
Seite stellten sich die Landstände und der neue Administrator »Carl
Rudolf von Württemberg-Neuenstadt (1667-1742), die sich nicht
nur beharrlich weigerten, die Testamentsverfügung des verstorbenen
Herzogs anzuerkennen, sondern auch in einer mehr oder minder
konzertierten Aktion darangingen, die alten Parteigänger
»Herzog Carl Alexanders (1664-1737) wie z. B.
Süß Oppenheimer (sein Todesurteil wird von dem neuen Regenten
unterzeichnet) und andere hohe Beamte der Vorgängerregierung und aus
der höfischen Umgebung der Herzogin-Witwe aus dem Amt zu jagen oder
zu verhaften. (vgl. Walter
1987, S.36)
Im Laufe des Jahres
1737 einigte man sich dann doch in einer Art Vergleich. Die
Herzogin-Mutter durfte sich danach "Obervormünderin" nennen und auch
"die Erziehung der Kinder, die Wahl der dazu nötigen Lehrer und
Geistlichen wurden ihr zugestanden" sowie "die freie Ausübung
der katholischen Religion". (ebd.
S.37) Ihren politischen Einfluss auf die Geschicke des Landes
musste sie dafür allerdings preisgeben.
Da die Mutter des
Thronfolgers aber ohnehin meistens auf Reisen im Ausland befand und
das höfische Leben unter dem "ältlichen und trockenen Herzog von
Württemberg-Neuenstadt" (ebd.)
wenig abwechslungsreich war, begann für den neunjährigen ▪
Carl Eugen
(1728-1973) eine neue Lebensphase. Von seinen ausschließlich
protestantischen Lehrern hatte er sich mit Latein, Deutsch,
Mathematik, Fechten, Klavierspiel, Mythologie, Geschichte der
Baustile, Münzkunde und württembergischer Geschichte und Sittenlehre
zu beschäftigen. (vgl.
ebd.)
Das "Idealbild
dieser Erziehung", die ihm dabei zuteil wurde. orientierte sich an
dem Bild eines "gewandte(n) Hofmann(es)" (ebd.
S.38), für den körperliche Ertüchtigung beim Fechten, Reiten
oder Tanzen und das Erlernen höfischer Umgangsformen so wichtig war,
wie eine solide Schulbildung.
Nach der Übergabe
der Regentschaft an »Carl
Friedrich II. von Württemberg-Oels (1690-1761) im Jahr 1738, in
das auch das öffentliche
Todesurteil gegen Süß Oppenheimer fiel, unternahm die
Herzogin-Mutter aber erneut Vorstöße, um die Erziehung Carl Eugens
und seiner Brüder dem Einfluss der protestantischen Landstände zu
entziehen. Dazu entließ sie einige Beamte im Umfeld von Carl Eugen
und ersetzte sie mit loyalen Gefolgsleuten, wie z. B. den Baron und
Oberst der
»Garde
du Corps »Rudolph
von Laubsky (1700-1754), der fortan für alle Erziehungsfragen
der drei Prinzen verantwortlich wurde.
Die Erziehung Carl Eugens am Hof Friedrichs des Großen in Preußen
1641 bis 1644
Auch wenn Württemberg selbst nur eine ▪
Macht dritten
Ranges war und im Konzert der Großmächte der Zeit nicht wirklich
mitspielen konnte, war seine Rolle vor allem dann nicht unbedeutend,
wenn die Großmächte aus verschiedenen machtpolitischen Interessen
heraus in eine militärische Auseinandersetzung miteinander gerieten.
Hier ging es für Württemberg aber immer auch darum, wenn es sich in
solche Konflikte verwickeln ließ, nicht unter die Räder zu kommen
und gegebenenfalls vor- und umsichtig zu taktieren.
Im »österreichischen
Erbfolgekrieg (1740-1748) sieht sich das Land einer
durchaus kritischen Situation gegenüber und soll Farbe bekennen, ob
es an der Seite der österreichischen Königin »Maria
Theresia (1717-1780) und ihrer britischen und niederländischen
Verbündeten oder an der Seite des brandenburg-preußischen Königs »Friedrich
II. (1712-1786) und seiner Verbündeten (Bayern,
Spanien, Sachsen, Frankreich, Schweden, Neapel, die Kurpfalz und
Kurköln) stand, deren Herrscher alle Anspruch auf mindestens Teile
des Reiches geltend machten.
Maria Theresia, die sich nach dem Aussterben aller männlicher Linien
der Habsburger aufgrund verschiedner Regelungen (sog. »Pragmatische
Sanktion und Erbfolgepakt) berechtigte Hoffnungen machte, als
rechtmäßige Erbin der »
habsburgischen Erblande zu gelten, sah sich aber nach dem
Tod »Karls
VI. (1685-1740) mit der Tatsache konfrontiert, dass zwar die
weibliche Erbfolge grundsätzlich akzeptiert wurde, welche Frau aber
die Nachfolge antreten sollte, Maria Theresia als Tochter Kaiser »Karls
VI. (1685-1740). oder eine der Töchter seines 1711 verstorbenen
älteren Bruders Kaiser
»Joseph
I. (1678-1711, Kaiser 1705-1711),
dem Karl VI. auf den Thron gefolgt war. Josephs I. jüngste
Tochter »Maria
Amalia (1701-1756) war seit 1722 mit bayerischen
»Wittelsbacher
»Karl
Albrecht (1697-1745), dem
»Kurfürsten
von Bayern, und die ältere
»Maria
Josepha (1699-1757) mit
Friedrich August (1696-1763), dem
»Kurfürsten
von Sachsen verheiratet.
Beide Kurfürsten lehnten die »Pragmatische
Sanktion ab, die die Erbfolge zugunsten Maria Theresia geregelt
und nach langem Hin und Her auch international anerkannt war, und
erhoben Anspruch auf die habsburgischen Erblande. Im Kampf um das
Gesamterbe Habsburgs, das schon der junge Friedrich II, der kurz
nach seiner Thronbesteigung Ende Mai Mitte Dezember 1940 in die das
habsburgische Schlesien "in jugendlicher Ungeduld" und dem "Willen
zum Ruhm" (Schilling
1994a, S.287) eingefallen war, um Preußen auf Kosten der
Habsburger zu vergrößern und und "eine Neuverteilung der
politischen Gewichte in Deutschland und Europa" (ebd.,
S.288) vorzunehmen, war der Auftakt zu dem Österreichischen
Erbfolgekrieg geworden, der mit dem Einmarsch bayrisch-französischer
Truppen nach Oberösterreich im Sommer 1741 begann und mit dem
Aachener Friede 1748 beendet wurde. Mit dem Ende "eines der letzten
großen Erbfolgekriege Alteuropas" (ebd.,
S.296) - die Kaiserwürde war schon 1745 nach dem kurzen
Zwischenspiel des Wittelsbacher Kaisertums »Karls VII. von 1742-45 an
die Habsburger zurückgefallen - wurde auch die "Umstrukturierung des Mächteeuropas" (ebd.,
S.297) vollzogen, der den Dualismus im Alten Reich zwischen Preußen
und Österreich ebenso begründete wie die Pentarchie der großen
europäischen Mächte (Großbritannien, Frankreich, Österreich,
Preußen, Russland), die bis ins 19. Jahrhunderte die Geschicke der
europäischen Welt bestimmte.
Württemberg spielte in dieser Auseinandersetzung keine Rolle,
fürchtete aber stets in die Auseinandersetzung zwischen Preußen und
Österreich hineingezogen zu werden. Der Administator »Carl
Friedrich II. von Württemberg-Oels (1690-1761) tat dazu alles,
um "strikte Neutralität zu wahren" (Walter
1987, S.40), fürchtete aber offenbar, dass die Habsburger auch
gegen seinen und der Landschaft Willen den unmündigen Carl Eugen an
einen katholischen Hof bringen könnten, so wie es ja auch die
Herzogin-Mutter gerne gehabt hätte. So wurde der Thronfolger zu
seinem Schutz zunächst im August 1741 einmal auf die Festung
Hohentwiel gebracht, die außerhalb des württembergischen
Territoriums lag, und von da auf die Festung Hohenurach, ehe er
Anfang November wieder nach Stuttgart zurückkehrte, wo inzwischen
Herzogin-Mutter, die eine Weile in Berlin gewesen war, in der
Erziehungsfrage ihrer Söhne eine 180-Grad-Wendung vollzogen hatte.
Sehr zur Zufriedenheit des Administrators und der Stände verfolgte
»Maria
Augusta (1706-1756) nämlich fortan den Plan, den unmündigen Thronfolger und seine beiden
Brüder am protestantischen Hof »Friedrichs
II. (1712-1786) von Brandenburg-Preußen erziehen zu lassen.
Dieser war gerade als Sieger aus verschiedenen Schlachten des
1. Schlesischen Krieges (1740-1742) gegen das habsburgische Wien
hervorgegangen, und hatte ohnehin ein Interesse daran, auch unter
den Staaten des Alten Reiches Freunde und Verbündete zu finden. Und
das Land und die Herzogin-Mutter schuf schließlich auch mögliche
dynastische Verbindungen mit dem zur Großmacht aufsteigenden
Preußen, das damit "aus dem Schatten Habsburgs" herausgetreten war
und seinen "Stern am Firmament der europäischen Mächte erstrahlen" (Schilling
1994a, S.288) ließ. Als der dreizehnjärige Carl Eugen von dem
förmlichen Vertrag hörte, der dem württembergischen Thronfolger in
Berlin ein Haus, ein Lustschloss (Oranienburg) und einen Jagdbezirk
für den für diese Zeit neugebildeten Hofstaat, zu dem über 40
Personen zählten, hörte, scheint er offensichtlich sehr begeistert
gewesen zu sein. (vgl.
ebd., S.43f.)
Der Tagesablauf Carl Eugens in Berlin war auf die weitere Erziehung
des Thronfolgers ausgerichtet, die nach einem von dem Geheimen Rat
Johann Gerhard Bilfinger entworfenen und vom württembergischen
Regenten und der Herzogin-Mutter gebilligten Erziehungsplan erfolgte
und damit sowohl von katholischer als auch protestantischer Seite
Zustimmung gefunden hatte. Der Erziehungspaln orientierte sich dabei
grundsätzlich an der üblichen Standeserziehung, bei der
gesellschaftlich-höfische Elemente gegenüber wissenschaftlichen
Elementen den Vorrang genossen (Schilling
1994a, S.314) und an dem chevaleresken Curriculum der
Ritterakademien in Tanz, Reiten und diplomatischen Finessen" (Schilling
1994a, S.337).
Besonderes Augenmerk lag dabei darauf, dass der jugendliche Herzog
seine religiösen Pflichten nach dem katholischen Ritus sorgfältig
erfüllte (längeres Morgengebet, Bibellektüre und täglicher Besuch
der katholischen Messe und eine Stunde Religionsunterricht pro Tag).
Aber auch Elemente der Aufklärungspädagogik hatten Eingang in den
Erziehungsplan gefunden: mit der in den wichtigsten Originalsprachen
stattfindenden Lektüre der von der Aufklärung so hochgeschätzten
traditionell lehrhaft-moralischen Fabeln sollten ihm leicht zu
erfassende moralische Grundsätze vermittelt werden. Dazu kam
Staatsrecht und die Naturrechtslehre und die Vermittlung von
Grundwissen in Mathematik, Geometrie und Erdkunde. Und schließlich
stand auch die körperliche Ertüchtigung als sehr wichtiges "Fach"
auf dem Plan. (vgl. Walter
1987, S.45ff.). Eine militärische Ausbildung erhielt Carl Eugen
allerdings nicht, auch wenn er schon im Jugendalter ehrenhalber von
»Friedrich
II. (1712-1786). zum preußischen Generalmajor und von »Maria
Theresia (1717-1780) von Österreich ein Dragonerregiment
verliehen bekam. (vgl.
ebd. S.52) So
konsequent wie gedacht konnte der genau austarierte Erziehungsplan
aber nicht umgesetzt werden.
Das lag auch daran, dass »Maria
Augusta Sophia von Thurn und Taxis (1706-1756), die Anfang
Februar 1742 mit großem Gefolge nach Berlin gekommen war, die
Verlobung Carl Eugens mit einer Nichte des Preußenkönigs, der damals
gerade zwölfjährigen »Elisabeth
Friedrike Sophia von Brandenburg-Bayreuth (1732-1780), einfädelte.
Fortan musste der württembergische Thronfolger, wo es nur ging, auf
Empfängen und Hoffesten dabei sein, an der die "lebenslustige Witwe"
(ebd. S.50)
ohnehin großen Gefallen hatte. So fiel angesichts der neuen Umstände
und der damit verbundenen Präsentationspflichten der strenge
Unterricht nach dem Erziehungsplan immer wieder ins Wasser und Carl
Eugen "(entwickelte) eine ausgesprochene Neigung für das höfische
Gesellschaftsleben" (ebd.
S.51), das ihm mit seinen "Hoffesten, Jagden, Redouten, Konzerten,
Spazierritten, Opernbesuchen und Bällen" (ebd.)
nicht nur erlebnisorientierte Abwechslung sondern auch vielfältige
Möglichkeiten zur Selbstdarstellung bot, Verhalten, das in seinem
Alter und in seiner Stellung ohnehin nichts Außergewöhnliches war.
Seit dem April 1743 bis zur Abreise Carl Eugens aus Berlin in sein
Herzogtum am 8. Februar 1744 zog sich ein machtpolitisches Gerangel
mit Intrigen verschiedener Kräfte um die Vormundschaft für Carl
Eugen. Dabei ging es vor allem um die unterschiedlichen
Interessengruppen im In- und Ausland (z. B. Frankreichs, denen eine
zu enge Verbindung zwischen den protestantischen Mächten Preußen und
Württemberg ein Dorn im Auge war und den Interessen Preußens und der
Landschaft in Württemberg, die an dieser Verbindung nicht nur
festhalten, sondern sie durch die Hochzeit des katholischen Carl
Eugen mit der protestantischen »Elisabeth
Friedrike Sophia von Brandenburg-Bayreuth (1732-1780) noch stärken
wollten. Dass dabei die Herzogin-Mutter, "die ohnehin noch eine
Rechnung mit der Regierung und den Landständen in Württemberg
begleichen wollte" (ebd.,
S.54) erneut unter den Einfluss der antipreußischen Partei geriet
und wieder die Interessen ihres katholischen Hauses in den
Vordergrund zu stellen begann, war eigentlich nicht weiter
verwunderlich. Mit den ja von den Ständen ausdrücklich gebilligten
Heiratsvereinbarungen für Carl Eugen hatte sie schließlich ein
Druckmittel gegen die Landstände in der Hand und drohte auch mit
deren Annullierung.
Friedrich II. war aber längere Zeit nicht gewillt, den auf Rückkehr
drängenden Carl Eugen wieder nach Württemberg ziehen zu lassen. Dass
dies 1744 dennoch geschehen konnte, lag daran, dass alle Parteien
von der frühzeitigen Mündigkeitssprechung des württembergischen
Thronfolgers zu profitieren glaubten, die die Aufhebung der
preußischen Vormundschaft und die vorzeitige Rückkehr Carl Eugens
nach Württemberg ermöglichte.
Mit Hilfe
Friedrichs des Großen setzt »Maria
Augusta Sophia von Thurn und Taxis (1706-1756) im Januar
1744, einen Monat vor seinem
sechzehnten Geburtstag, die vorzeitige Volljährigkeitserklärung von ▪
Carl Eugen (geb.
1728) durch den aus dem bayerischen Geschlecht der »Wittelsbacher
stammenden »Kaiser Karl VII.
(1697-1747) durch und damit seine Regierungsfähigkeit. Friedrich
II. gab dem jungen Fürsten mit seinem ▪
Fürstenspiegel
Ermahnungen und Ratschläge auf den Weg, die diesen vor möglichen
Fehlern bewahren und offenbar eine Erziehung nachholen sollten, "die
der Prinz in Berlin eben nicht erhalten hatte." (ebd.,
S.59)
Auf dem Weg nach Hause in
sein Herzogtum verlobte sich ▪
Carl Eugen mit der noch nicht einmal zwölfjährigen
Ansbacher Prinzessin »Elisabeth
Friedrike Sophia von Brandenburg-Bayreuth (1732-1780). Diese Verbindung
fand angesichts des evangelischen bzw. reformierten Glaubensbekenntnisses der
künftigen Herzogin auch die Zustimmung der württembergischen ▪
oligarchischen Ehrbarkeit,
zumal sie sich wegen der besonderen Beziehungen des neuen Herzogs zu Preußen
eine "Verminderung des österreichischen Einflusses auf das württembergische
Herzogtum" erhoffte (Sting 2005,
S.482f.).
Wie sein Vater Carl Alexander unterzeichnet der junge Herzog die
▪
Religionsreversalien und erkennt den
▪
Tübinger
Vertrag von 1514 an, ohne wohl im Geringsten abschätzen zu können, wie
sehr ihn diese Akte in seiner Hofhaltung und Regierungspraxis einschränken
würden.
▪
Württemberg zur Zeit Herzog Carl Eugens (1728-1793)
▪
Konkurrenzkampf und Prasserei: Absolutistische Repräsentation
von Macht ▪
Fürst und Land - Verfassung in Württemberg
▪
Versailles in Schwaben: Ludwigsburg zur Zeit Carl Eugens
▪
Höfische Festkultur zur Zeit Carl Eugens
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
10.09.2023
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