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Studentenleben in der frühen Neuzeit (1350-1789) - Textauswahl

Die Deposition

Max Bauer (1926)

 
GESCHICHTE
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»Mittelalterliche Universität
»Entwicklung der Universitäten im deutschsprachigen Raum
»Die frühe Neuzeit: Aufschwung des Universitätswesens

In diesem Arbeitsbereich zum ▪ Studentenleben in der frühen Neuzeit (1350-1789) sind verschiedene Aspekte zu diesem Thema mit unterschiedlichen Materialien zusammengestellt. In seiner "Sittengeschichte des deutschen Studententums" aus dem Jahr 1926 hat sich »Max Bauer (1861-1932) mit der sogenannten ▪ Deposition befasst

»Erst nach erfolgter Inskription durch den Rektor konnte [ein Student] sich in die Fakultätsmatrikel aufnehmen lassen. Die dadurch erwirkte Universitätszugehörigkeit wurde aber erst als wirklich vollzogen angesehn, wenn mit dem Kandidaten der eigentümliche Einführungsbrauch in das Studententum, die Deposition, vorgenommen worden war. [...]

Die erste Erwähnung einer Deposition in Heidelberg findet sich im Jahre 1454. Er lautet depositio beani, also etwa die Zurechtstutzung des Beanus, des Fuchs oder Gelbschnabels. [...]

Die Deposition kam auf den mittelalterlichen Hochschulen auf. Ein Zwiegespräch in dem ,Manuale scholarium' von 1480 beschreibt sie, doch hat sie sich mit der Zeit, bis zum sechzehnten Jahrhundert stark "vervollkommt".

Sie ist nichts besonders Studentisches.

Die Seeleute warfen angesichts gewisser Untiefen und Klippen die Schiffsjungen, die hier zum erstenmale vorübersegelten, an Stricken gefesselt ins Meer und ließen sie so oft untertauchen, daß sie schließlich halb ertrunken wieder an Bord gehißt wurden. [...]

Die Deposition [...] scheint erst in Deutschland, und dies im fünfzehnten Jahrhundert, festere Gestalt angenommen zu haben. Später, um die Wende des fünfzehnten zum sechzehnten Jahrhundert wurde sie eine offizielle, im Beisein des Dekans der philosophischen Fakultät vorzunehmenden Zeremonie der Universität. Sie galt in Leipzig bis in das 18. Jahrhundert hinein als ein Teil der Immatrikulationshandlung.[...]

Aus dem im 15. Jahrhundert nur geduldeten, höchstens notdürftig überwachten Brauch der Bursen, mit dem Endzweck, den Neulingen in Gestalt der Depositionsgebühr etwas Geld zugunsten des Bursenvorstehers abzuzwacken, ist eine ernsthafte Handlung geworden, aus der überall für unerläßlich gehaltener Brauch entwickelt hatte, der neue, immer burlesker und brutalere Zutaten ergänzt worden war.[...]


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Karl von Raumer beschreibt das Depositionsverfahren nach Fryksells "Dissertatio de origine initiationis novitiorum in academiis' von 1755: Deposition, auch Beania von beanus, bec jaune, Gelbschnabel, hieß die seltsame Ceremonie, durch welche die Neulinge unter die Studenten aufgenommen wurden. Man ließ sie Kleider von mehrerlei Zeug und verschiedenen Farben anziehen, schwärzte ihnen das Gesicht; an ihre Hüte, deren Krempen heruntergebügelt waren, befestigte man lange Ohren und Hörner, steckte ihnen in die Mundwinkel lange Schweinszähne, welche sie bei Strafe von Stockschlägen mit dem Munde festhalten mußten; über die Schultern wurde ein langer schwarzer Mantel gehängt. Also, scheußlicher und lächerlicher verkleidet, als die, welche von der Inquisition zum Scheiterhaufen geführt wurden, trieb der Depositor sie nun aus dem Depositionszimmer mit einem Stock vor sich her, wie eine Heerde Ochsen oder Esel, in einen Saal, wo die Zuschauer sie erwarteten. Er hieß sie da in einen Kreis sich stellen, in dessen Mitte er stand, schnitt ihnen Gesichter, machte stumme Reverenzen, verspottete sie über ihren seltsamen Aufzug und hielt dann eine Anrede an sie von den Lastern und Fehlern der Jugend und von der Nothwendigkeit, durch Studien gebessert und geschliffen zu werden. Darauf mußten sie verschiedene Fragen beantworten. Aber die Schweinszähne im Mund hinderten sie am deutlichen Sprechen. so daß sie mehr wie Schweine grunzten, weshalb der Depositor sie auch Schweine nannte, ihnen einen Schlag auf die Schultern und einen Verweis gab. Diese Zähne, sagte er, bedeuten Unmäßigkeit im Essen und Trinken, wodurch der stand verfinstert werde. Er zog aus einem Sack eine hölzerne Zange, mit welcher er ihren Hals zusammendrückte und sie so lange schüttelte, bis die Zähne auf die Erde fielen. Wenn sie gelehrig und fleißig seien, sagte er, so werden sie den Hang zur Unmäßigkeit ebenso verlieren, wie diese Schweinszähne. Dann riß er ihnen die langen Ohren ab, womit er ihnen zu verstehen gab, sie müßten fleißig studiren, wollten sie nicht den Eseln ähnlich bleiben. Weiterhin nahm er ihnen die Hörner, welche brutale Rohheit bedeuteten, und holte darauf aus einem Sack Hobel, Axt und Bohrer. Jeder Bean mußte sich zuerst auf den Bauch, dann auf den Rücken und auf beide Seiten legen; in jeder Stellung wurde ihm der ganze Leib behobelt, behauen und gebohrt mit den Worten: so werde Kunst und Wissenschaft seinen Geist glätten und formieren. Schließlich füllte der Depositor ein großes Gefäß mit Wasser, das er den Novizen auf den Kopf goß und sie dann seifte, mit einem groben Lumpen unsanft abtrocknete, kämmte ect. Die Posse schloß mit einer Ermahnung an die gehobelte, gestriegelte und gewaschene Gesellschaft: sie mögen ein neues Leben anfangen, die alten Gewohnheiten ablegen u. s. w. Nun gings zu dem Dekan der philosophischen Fakultät, der sie nach einer kurzen Prüfung und Anrede gleichfalls weihte, indem er ihnen Salz (sapientiae symbolum) in den Mund gab und Wein (mundities) auf den Kopf goß"

Dies in großen Zügen das Programm einer Depositionsfeier, die, je nach dem Ort, saftige Zutaten verbrämten. So wurden ihnen dort die Ohren mit Riesenlöffeln gereinigt, die Haare geschnitten, die Finger und die Nägel glatt gefeilt, ein Mundwasser gereicht — Kräuter, am Abtritt gewachsen, haben es gewürzt — Wie Pillen und Salben ähnlicher Herkunft. Hier wäscht ihn eine Wunderseife aus Kohle und Wagenschmiere das mit einem Kohlenbart beschmierte Gesicht. Der Depositor, der "die Nase eines Rhinozeros oder eines Jagdhundes" hat, weiß sehr wohl die Herausgabe der Mutterpfennige für Bier und Wein zu erlisten. Er empfiehlt seinem Zögling mit treuherzigen Worten und väterlichem Rat, für alle Fälle sein Testament zu machen und es so einzurichten, daß jedem der Anwesenden etwas unter dem Namen eines Vermächtnisses nach der Deposition zufällt. Der Beanus glaubt auf den Scherz einzugehn und verteilt seine Güter. Zu seinem Schrecken muß er später merken, daß er zu halten hat, was er versprochen. Hätte der Beanus einen gewitzigten Ratgeber gehabt, so hätte dieser ihm empfohlen, Unmögliches oder Unschickliches zu vermachen". Dabei singt die Zuhörer- und Zuschauerschaft mit rauhen Kehlen schadenfroh das Beanuslied [...]

Es sei noch die versificirte Darstellung der Strassburger Deposition angeführt, wie sie sich in dem seltenen Büchlein ▪ "Ritus depositionis" von 1664 unter Beigabe von zwanzig Bildern findet. [...]

Bei der Deposition war jede Folterqual erlaubt, sofern durch sie kein Blut floß. Doch auch dieses kam vor und wurde übersehn.

Bartholomäus Sastrow, ein deutscher Bürger des 16. Jahrhunderts, erzählt von seinen Depositionsabenteuern: "Auf den Rat meines Bruders schickten mich meine Eltern nach Rostock in die Schule von Arnold Barenius und Heinrich Lingens, mit dem er in Wittenberg gut Freund gewesen war. Er schrieb ihm auch, daß ich in Greifswald bereits Studiosus gewesen sei. Aber als die Burschen erfuhren, daß ich inzwischen in Stralsund wieder die Schule besucht habe, begann ein unaufhörliches Schnauben und Rufen, als ich das Auditorium betrat. Der Depositor riß mir den Mantel herunter. Ich hatte grade ein großes Tintenfaß in der Hand, das goß ich ihm dafür ins Gesicht. Nun hatte der Depositor einen langen grauen Mantel an, der war mit schwarzen Schnüren besetzt, wie es damals Sitte war. Diesen Mantel begoß ich jetzt von oben bis unten mit Tinte. Aber der Depositor hats mir redlich wiedererstattet, Denn wollte ich Frieden haben, mußte ich wohl oder übel von neuem deponiert werden. Dabei bekam ich manchen harten Schlag. Und als es ans Bartscheeren ging, schnitt der Depositor mir mit dem hölzernen Rasiermesser ein Stück aus der Oberlippe. Das heilte sehr langsam".


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Meist schlossen die Depositionsfeierlichkeiten Orgien in den Freudenhäusern ab, deren Kosten der Pennal zu tragen hatte.

Waren die fürchterlichen und unwürdigen Qualen der Deposition vorüber, so war aus dem Beanus der Fuchs, der Pennal, geworden, und neue Foltern begannen, die sich auf ein bis eineinhalb Jahre erstreckten

(aus: Bauer 1926, S.74-821)

weiter mit: Der Pennalismus (Bauer 1926)

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 24.02.2022

   
 

 
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