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Studentenleben in der frühen Neuzeit (1350-1789)

Die Deposition

 
GESCHICHTE
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Die Deposition (Bauer 1926)
▪  Baustein: Deposition in Bildern

Die Universität war in der ▪ frühen Neuzeit (1350-1789) keine Institution, wie wir sie heute kennen. Sie war zunächst einmal ein Personenverband, der mit Erlaubnis der weltlichen und kirchlichen Obrigkeiten ihren Mitgliedern, den ▪ akademischen Bürgern neben dem Studium selbst eine Menge zu bieten hatte.

Wer in sie aufgenommen wurde, kam in den Genuss einer Reihe von Privilegien, die die besondere Stellung aller Angehörigen korporativen Gemeinschaft unterstrich. Dazu gehörten eine eigene Gerichtsbarkeit, die der Rektor der Universität innehatte, die Befreiung von Zöllen und Abgaben sowie besondere Rang- und Kleidervorrechte, die den besonderen sozialen Status ihrer Mitglieder für alle in vorgeschriebenen »Kleiderordnungen sichtbar machte.

Wer zur Universität gehörte, war damit von seinem sozialen und rechtlichen Status gegenüber dem Rest der städtischen Bevölkerung, mit der die Studenten in den Universitätsstädten zusammenlebten, klar abgegrenzt.

Aber die Gewährung dieser Privilegien hatte für die Studenten einen Preis, den sie zu "bezahlen" hatten. Dabei ging es nicht, oder nicht primär, ums Geld, das die meisten Studenten ohnehin nicht so üppig besaßen, sondern um einen sozialen Preis, der zu zahlen war, wollte man ein vollwertiger cives academicus werden, der sich von allen übrigen "Philistern", also Nicht-Studenten, mit seiner Stellung und einer dieser entsprechenden Lebensform abgrenzen konnte. Und in dieser Lebensform galten besondere Regeln, die in den Statuten der Universität festgelegt waren.

Da es keine Aufnahmeprüfungen oder individuelle Bewerbungsverfahren für die Universitäten gab, die wenigen Universitäten dazu noch in Konkurrenz um die begrenzte Zahl von Studierenden standen, war der Zugang zu einer Universität vergleichsweise einfach. Was im Übrigen auch erklärt, dass nur ein vergleichsweise geringer Anteil der ▪ Universitätsbesucher überhaupt einen akademischen Abschluss machte. Sofern sie nicht finanzielle Not zur Aufgabe des Studiums zwang, war das Studentenleben also per se, zumindest vorübergehend, verlockend genug, um zumindest der Form nach ein Studium aufzunehmen.

Um ein Studium aufnehmen zu können, musste man sich immatrikulieren und bestimmte Aufnahmerituale über sich ergehen lassen, die als Gesamtheit die Deposition genannt werden.


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Das Aufnahmeritual der Deposition

Die ▪ Immatrikulation mit ihrem ▪ Immatrikulationseid war der Rechtsakt, der die Aufnahme eines Studenten durch seine Eintragung ins Matrikelverzeichnis besiegelte. Oftmals musste dem aber ein Aufnahmeritual vorweggehen, das die Aufnahme in den besonderen Personenverband der Universität symbolisierte.

Die »Deposition (von lat. depositio cornuum, deutsch: "Ablegen der Hörner") war ein europaweit übliches, traditionelles, mal inoffiziellles, mal institutionalisiertes »Initiationsritual für Studenten vom Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert, das der Immatrikulation an einer Universität vorauszugehen hatte. Der Brauch wurde in Deutschland im frühen 15. Jahrhundert eingeführt und kam vermutlich aus den einflussreichen Universitäten Paris und Bologna. Möglicherweise standen für die akademische Desposition die sogenannten Freisprechungsriten der Handwerkszünfte Pate, genau zu sagen, ist dies aber wohl nicht (vgl. Füssel 2005, S.33), auch wenn die symbolischen Formen, in denen sich die Rituale vollzogen haben, oft sehr ähnlich waren. Eine zu enge "Verwandtschaft" zwischen diesen Formen entspricht auch nicht ihrer Funktion, die ja gerade neben ihrer Integrationsfunktion in den Personenverband  Abgrenzung und Differenz gegenüber anderen sozialen Gruppen signalisieren sollten.

Dabei lagen der Desposition durchaus ▪ archaische bzw. archetypische Vorstellungen (vgl. Bauer 1926, S.75) zugrunde, wonach "ein angehender Student vor der Immatrikulation noch roh und ungeschlacht war – wie ein Tier – und erst von den Zeichen seiner Unzivilisiertheit befreit werden musste, bevor er an der Universität aufgenommen werden konnte." (Wikipedia)

Gewöhnlich musste sich ein Student der Deposition nur einmal im Leben aussetzen. Wenn er die Universität wechselte, musste er lediglich den sogenannten Depositionsschein vorweisen, um sein Studium andernorts ohne das erneute Durchlaufen des Rituals fortsetzen zu können.

Marian Füssel (2005, S.36f.) hat die Entstehung, Inhalt und Funktion der akademischen Desposition zusammengefasst und dabei herausgearbeitet, dass es sich um "ein fest institutionalisiertes ständisch korporatives Einsetzungsritual" handelt, das sich in seinem Vollzug durch folgende Merkmale auszeichnet:

  • Bewirken einer erheblichen sozialen Statusveränderung des "Deponierten"

  • Ähnlichkeit mit anderen ständischen Einsetzungsriten von Handwerkern und Zünften

  • dauerhafte symbolische Abgrenzung von anderen städtischen Gruppen

  • Integration in den privilegierten Personenverband der Universität

  • Verpflichtung der Studenten auf die Statuten und das "disziplinäre Normengefüge" der Universtität, "das ihnen einen Missbrauch des Sonderstatus verbot bzw. sie zu Gehorsam gegenüber der akademischen Obrigkeit anhielt"

  • Zusammensetzung aus einem "bestimmten Ensemble symbolischer Gegenstände und Handlungen [...] deren Bedeutung zur moralischen Belehrung der zukünftigen Studenten durch eine Sinn stiftende Rede stets aufs Neue konstituiert wurde."

Diese Merkmale der Deposition dienten dabei zur Rechtfertigung aller jener Formen von physischer und institutioneller Gewalt der Korporation und ihrer institutionalisierten Normen, die die konkreten Handlungen, die im Rahmen eines Depositionsrituals vorgenommen wurden, in den Augen der Deponieren und Deponierten legitimieren sollte. Auch wenn das Ganze am Ende, als diese Handlungen mehr den Händen und der Verantwortung studentischer Korporationen wie den Landschaften entzogen und von der Universität selbst institutionalisiert wurden, vor allem abschrecken sollten und weniger auf die Anwendung physischer Gewalt ausgerichtet waren, kam es in der Praxis wohl immer wieder zu Formen übertriebener Gewaltanwendung gegenüber den als Gelbschnäbel, (lat. beanus) oder Bachanten bezeichneten jungen Männern, die sich dem Aufnahmeritual unterziehen mussten. Allerdings versuchten etliche Universitäten solchen Auswüchsen mit verschiedenen Verboten und Maßnahmen entgegenzuwirken.

Ursprünglich wurde das Depositionsritual bei der ▪ Aufnahme in eine Burse durchgeführt, wo die meisten Studenten unter einem ziemlich rigorosen Regiment des jeweiligen Rektors wohnten. Dafür musste eine Gebühr bezahlt werden. Nach dem Niedergang der Bursen zu Beginn des 17. Jahrhunderts bemühten sich die Universitäten mit Erfolg darum, die Kontrolle über das Ritual zu erlangen. Dazu wurde die Deposition als ein öffentlicher Akt unter die Aufsicht und Organisation der Universität und eines eigens dafür geschaffenen Amtes (Depositor) gestellt und damit institutionalisiert. Auf diese Weise wurde sie auch ein fester Bestandteil der Immatrikulation.

Der Verlauf einer Deposition

Gewöhnlich wurde das Ritual vom Dekan der Artisten- bzw. philosophischen Fakultät durchgeführt und bestand aus zwei Teilen: Der Prüfung und der Absolution.

Wilhelm Fabricius (1857-1942) hat den Verlauf einer Deposition wie folgt dargestellt:

Die Prüfung [...] bestand in einzelnen Handlungen, die [...] die Umwandlung des rohen 'Beanus' oder 'Bachanten' in einen gesitteten Sohn der Musen versinnbildlichen und zugleich den Sinn uralter Initiationen in sich fassten: Verächtlichmachung des bisherigen Zustandes durch aufgezwungene Duldung unwürdiger Behandlung in Worten und Werken, um den erstrebten Zustand um so wünschenswerter und annehmlicher zu machen. So wurden denn die Beane mit Säge, Hobel, Beil u. dgl. wie Balken unsanft bearbeitet; sie wurden der Hörner, Sinnbilder der bisherigen Bestialität entledigt und durch Kamm, Nagelfeile, Ohrlöffel zugestutzt; sie mußten Meckereien und Ohrfeigen dulden: – alles dies in burlesker, derber Form. Dann kam der zweite Teil: Der Depositor führte die Deponierten zum anwesenden Dekan der ▪ Artisten, der, hie und da sogar unter Anrufung der Dreieinigkeit, die Weihe mit Salz und Wein vornahm, die Neulinge mit ernsten Ermahnungen vom Beanismus absolvierte und für rechte Studenten erklärte." (Fabricius 1907, S.24f.)

Die Darstellung von Max Bauer (1926, S.78) ergänzt das Bild:

Den Neulingen (Beani, Bachanten) wurden "die ▪ Ohren mit Riesenlöffeln gereinigt, die ▪ Haare geschnitten, die ▪ Finger und die Nägel glatt gefeilt, ein Mundwasser gereicht — Kräuter, am Abtritt gewachsen, haben es gewürzt — Wie Pillen und Salben ähnlicher Herkunft. Hier wäscht ihn eine Wunderseife aus Kohle und Wagenschmiere das mit einem Kohlenbart beschmierte Gesicht. Der Depositor, der "die Nase eines Rhinozeros oder eines Jagdhundes" hat, weiß sehr wohl die Herausgabe der Mutterpfennige für Bier und Wein zu erlisten. Er empfiehlt seinem Zögling mit treuherzigen Worten und väterlichem Rat, für alle Fälle sein Testament zu machen und es so einzurichten, daß jedem der Anwesenden etwas unter dem Namen eines Vermächtnisses nach der Deposition zufällt. Der Beanus glaubt auf den Scherz einzugehn und verteilt seine Güter. Zu seinem Schrecken muß er später merken, daß er zu halten hat, was er versprochen. Hätte der Beanus einen gewitzigten Ratgeber gehabt, so hätte dieser ihm empfohlen, Unmögliches oder Unschickliches zu vermachen". Dabei singt die Zuhörer- und Zuschauerschaft mit rauhen Kehlen schadenfroh das Beanuslied" (Bauer 1926, S.78)

Ein anschauliches Beispiel für diese Entwicklung ist die von Max Bauer (1926, S.79) zitierte ▪ Strassburger Deposition, die sich in dem seltenen Büchlein "Ritus depositionis" von 1664 ▪ unter Beigabe von zwanzig Bildern findet.


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Die Deposition war auch bei Zeitgenossen nicht unumstritten

Was die Deposition aber im schon im Bewusstsein mancher Zeitgenossen in Ungnade fallen ließ, waren einzelne Handlungen und deren Inszenierung, die solche Veranstaltungen mancherorts auszeichneten.

Umso mehr erscheinen einem modernen Betrachter oder einer modernen Betrachterin diese "frühneuzeitlichen »Riten der Gewalt«" fremdartig  (Füssel 2005, S.2) Was vielleicht in seiner Zeit einfach nur burlesk und als Initiationsritus gesellschaftlich legitimiert erschien, sehen wir heute eben mit anderen Augen. Wenngleich bei der institutionalisierten Form der Deposition unter Regie und Aufsicht der Universität selbst, wohl kaum davon auszugehen ist, dass bei der Deposition im Grunde "jede Folterqual erlaubt (war), sofern durch sie kein Blut floß" (Bauer 1926, S.81), bleiben  uns heute solche mit Gewalt "spielenden" Männlichkeitsrituale, die die Aufnahme in einen Männerbund mit Gesten bedingungsloser Unterwerfung erkaufen, zutiefst fremd. Dennoch geht es auch bei der Beurteilung der Deposition darum, die historische Distanz soweit zu überwinden, dass das zeitgenössische Verständnis und die Einbettung derartiger Riten in die zeitgenössische Kultur nachvollziehbar bleiben.

So muss man wohl auch registrieren, dass Neulinge sich dem Ritual in der Praxis nicht nur deshalb unterzogen, weil ohne sie an eine Aufnahme in die Universität nicht zu denken war. In der Regel identifizierten sie sich nach bestandener Prüfung und Absolution damit und gaben dem Ritual in ihrer eigenen Biografie einen vergleichsweise hohen Stellenwert. Letzten Ende war die Deposition eben doch der Türöffner zum Studentenleben, das mit dem ▪ Pennalismus, der fortwährenden  Drangsalierung und materiellen Ausbeutung der Neulinge an der Universität (Pennäler) durch ihre älteren Kommilitonen nach einiger Zeit vielfach Gelegenheit bot, die eigenen Demütigungen durch Deposition und durch die älteren ▪ "Schoristen" an den jüngeren Pennälern von Studentengeneration zu Studentengeneration auszulassen.

Die Institutionalisierung der Deposition hatte auch zur Folge, dass ihre Handlungen, Gesten und Symbole auch unter dem Einfluss humanistischer Reformbestrebungen mehr und mehr auch didaktischen Zwecken diente und die angehenden Studenten moralisch belehrte, sofern sie überhaupt verstanden, was die in Latein gehaltenen Depositionsreden eigentlich beinhalteten. Trotzdem war es wohl eine der wichtigsten Funktionen des ganzen Rituals dem Neuling einzuschärfen, was er in seinem neuen Leben als Student zu beachten und zu befolgen hatte.

Insgesamt verlor die Deposition aber immer mehr an Bedeutung und wandelt sich an einigen Universitäten schon Ende des 16. Jahrhunderts in eine Art Aufnahmeprüfung.

Für den Bedeutungsverlust und das allmähliche Verschwinden der Deposition im 18. Jahrhundert sind mehrere Faktoren verantwortlich. Dazu gehört, so Füssel (2005, S.27), dass

  • die ganze burlesk-derbe Symbolik einfach nicht mehr zu dem "galanten" Lebensstil späterer Studenten passte, die sich an höfischen Umgangsformen orientierten

  • die soziale Abgrenzung von der an die Handwerkerkultur erinnernden Riten wichtiger genommen wurde

  • das ganze Depositionsritual mit seinen burlesken Formen mehr und mehr als lächerlich empfunden wurde

Dass sich das Depositionsritual dessen ungeachtet erstaunlich lange halten konnte, liegt dabei neben dem Umstand, dass die Deposition der Universität und ihren Amtsträgern regelmäßige Einnahmen bescherte, wohl vor allem an seiner Funktion, die neuen Studenten damit zu verpflichten, "sich in diesem neuen sozialen Rahmen angemessen zu verhalten." (ebd., S.33) Dabei trug die "Gewalt des Depositionsrituals" (ebd., S.35) in einem ganz erheblichen Maße zur sozialen Distinktion bei, indem es die

Allerdings waren damit solche rituellen Formen der Vergesellschaftung, Aus- und Abgrenzung nicht aus der Welt. In den studentischen Orden, später auch in den Burschenschaften, lebten solche Initiationsriten einer männlichen Studentenschaft auch mit ihren Formen symbolischer Gewalt weiter fort und damit "spezifische Denk-, Handlungs- und Wahrnehmungsmuster, welche die Rangunterschiede zwischen der Universität und ihrer Umwelt immer wieder aufs Neue konstituierten und perpetuierten." (ebd.)

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Die Deposition (Bauer 1926)
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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 24.02.2022

 
 

 
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