Dass die
"sinnliche Erscheinung und der Sinn des Gebrauchwerts" einer
Ware sich von der Sache abhebt, liegt dabei nach Ansicht
Haugs (1970/1972a, S.13) an dem Widerspruch, der im
Tauschverhältnis liegt.
Dieser besteht
danach darin, dass "der Käufer auf dem Standpunkt des Bedürfnisses
(steht): sein Zweck ist der bestimmte Gebrauchswert, sein Mittel,
diesen einzutauschen, ist der Tauschwert in Geldform. Dem Verkäufer
ist derselbe Gebrauchwert bloßes Mittel, den Tauschwert seiner Ware
zu Geld zu machen. [...] Dem einen gilt die Ware als Lebensmittel,
dem anderen als Verwertungsmittel."
Wenn unablässig
Waren produziert werden, geschieht dies von der Produzentenseite aus
gedacht, also nicht primär darum Gebrauchswerte zu erzeugen, sondern
Waren, die sich zum Verkauf eignen. Dabei können Waren allerdings
nicht an den Wünschen und Erwartungen der Käufer vorbeiproduziert
werden, wenn sie verkauft werden sollen.
Entscheidend ist
aber, dass sich auf der Basis dieser widersprüchlichen Struktur
ergibt, dass im Rahmen der Warenproduktion "ein Doppeltes produziert
(wird): erstens der Gebrauchswert, zweitens und extra die
Erscheinung des Gebrauchswertes. Denn bis zum Verkauf, mit dem der
Tauschwertstandpunkt seinen Zweck erreicht, spielt der Gebrauchswert
nur als Schein eine Rolle. Das Ästhetische im weitesten Sinne:
sinnliche Erscheinung und Sinn des Gebrauchswerts, löst sich hier
von der Sache ab. Beherrschung und getrennte Produktion des
Ästhetischen wird zum Instrument für den Geldzweck." (ebd.,
S.14)
Dass der
Gebrauchswert bis zu dem Zeitpunkt, bei dem er nach seinem Verkauf,
der Realisierung des Tauschwertes, nur einen Schein darstellt, man
könnte vereinfachend auch sagen eine Idee in Form eines
Gebrauchswertversprechens, liegt daran, dass er ja erst dann konkret
wird, wenn jemand von der Ware auch tatsächlich Gebrauch macht.
Denn: "Bis zum Abschluss des Kaufaktes kommt es nur darauf an,
welchen Gebrauchswert die Ware verspricht, nicht aber,
welchen sie tatsächlich besitzt." (Haubl
1992, S.11)
In einer Welt
gesättigter Märkte reicht es aber nicht mehr aus, das
Gebrauchwertversprechen an die jeweils konkreten Qualitäten einer
Ware als Produkteigenschaften zu koppeln. So kann ein Warenproduzent
seinen von ihm industriell hergestellten Stuhl, einem Massenprodukt,
von dem es unzählige Varianten gibt, nicht deshalb verkaufen, weil
man darauf sitzen kann. Von seinem Tauschwertstandpunkt aus
interessiert ihn das, wie oben schon ausgeführt wurde, auch
vergleichsweise wenig. Interessant für ihn ist ja nur, ob das, was der
potentielle Käufer als Gebrauchswert ansieht, ihn zum Kauf der Ware
veranlasst. Die "Kunst" versteht darin, der Ware ein Image zu
verleihen.
Dieses Image ist
dabei nichts anderes als "die Abstraktion von den Gebrauchswerten
als Qualitäten" (Haug 1970/1972a,
S.23) Den "Allerweltserzeugnissen" (ebd.,
S.19) werden dabei neue Informationen zugeschrieben, die sich in
gewisser Weise "vom Warenleib" ablösen und einen "übertriebenen
Gebrauchswertschein" (ebd.,
S.18) schaffen. Auf dem Weg der ästhetischen Abstraktion werden
dabei Sinnlichkeit und Sinn der Ware von dieser abgelöst und
getrennt verfügbar gemacht. Damit ergibt sich auch die Möglichkeit,
ein Bild (Image), als eine quasi zweite Oberfläche der Ware zu
erzeugen, die viel perfekter erscheint als es die sonstigen
Warenqualitäten überhaupt sein können.
Allerdings hat die
Produktion eines solchen Gebrauchswertscheins auch einen Haken, denn
"die Erscheinung verspricht mehr, weit mehr, als sie je halten
kann." (ebd.,
S.25) Damit ein Konsument einer Ware, wenn er von ihr Gebrauch
macht, keine Enttäuschung erlebt, kommt es für den Warenproduzenten
darauf an, "dass der Konsumenten einen als unbefriedigend erlebten
Gebrauchwert nicht dem Produkt, nicht dem Gebrauchswertversprechen,
mit dem für es geworben wird, und auch nicht dem Produzenten,
sondern anderen Faktoren anlastet." (Haubl
1992, S.11)
Aus alldem ergibt
sich die Frage: "Wie verändert sich jemand, der fortwährend erhält,
was er wünscht - aber es nur als Schein erhält"? (Haug 1970/1972a,
S.26) Wenn sich mit diesem Schein, den eine Ware verspricht, aber
die Bedürfnisse, die durch sie geweckt werden, nicht wirklich
befriedigt werden können, muss, wenn der Konsum dennoch befriedigend
erlebt wird, dann geschieht dies dadurch, durch die Einnahme eines
dem Scheinversprechen angepassten "korrumpierenden
Gebrauchswertstandpunkt" (ebd.,
S.27), der "auf die Bedürfnisstruktur der Konsumenten (zurückwirkt)"
(ebd.),
den einzunehmen, die Menschen Tag für Tag in ihrer Lebenswelt
trainiert werden.
Dabei darf man
sich, was in der kapitalistischen Verwertung von Waren unter
Ausnutzung der besonderen Warenästhetik nicht nur eine Art
"planmäßige Verschwörung zur Korruption der Massen" (ebd.)
sehen. Auch wenn das Idealziel der Warenästhetik darin besteht, ein
"gerade noch durchgehende(s) Minimum an Gebrauchwert zu liefern,
verbunden, umhüllt und inszeniert mit einem Maximum an reizendem
Schein, der per Einfühlung ins Wünschen und Sehnen der Menschen
möglichst zwingend sein soll" (ebd.,
S.28), bleibt als der reale Gebrauchwert, den ein Konsument von der
Ware macht, stets auch erhalten. Wer sich heute also von dem Schein
(Image) bzw. dem übertriebenen Gebrauchwertversprechen beim Kauf
eines Automobils zum Kauf "korrumpieren" lässt, will am Ende immer
noch von A nach B fahren können.
Wie Warenästhetik
funktioniert und welche Auswirkungen sie auf die Menschen hat, die
diese Waren auf der Grundlage ihres "Scheinversprechens"
konsumieren, lässt sich besonders eindrücklich bei der
Instrumentalisierung des sexueller bzw. erotischer Reize zur
Erzeugung eines sexuellen Scheins. Auch in diesem Fall können
industriell produzierte Waren nicht unmittelbar zur Befriedigung
sexueller Bedürfnisse dienen. Allerdings kann sich die Warenästhetik
"die sexuelle Sinnlichkeit [...] in abstrahierter Form" (ebd.,
S.29) nutzbar machen. "Schein-Befriedigungen", die z. B. durch das
Ausleben und Befriedigen von Schaulust ermöglicht werden, wirken
dabei auf die Bedürfnisstruktur der Menschen zurück, indem "ein
allgemeiner Voyeurismus verstärkt, habitualisiert, und (...) die
Menschen (werden damit) in ihrer Triebstruktur auf ihn festgelegt."
(ebd.,
S.29)
In einer von
Triebunterdrückung geprägten Kultur, in der oftmals "Schuldgefühle
und die Angst, die sie verursachen, den Weg zum Sexualobjekt
erschweren, [...] springt die Ware Sexualität als Schein ein,
vermittelt die Erregung und eine gewisse Befriedigung, die im
sinnlich-leibhaften Kontakt nur schwer zu entwickeln wären." (ebd.,
S.29)
▪
Schulische Analyse von Werbeanzeigen (Schreibform)
▪
Aspekte der
Schreibaufgabe »
▪
Warenästhetik und ihre Rückkoppelungseffekte bei erotischen
Appellen in der Werbung