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YouTube-Video:
The Pandemonium Architecture Explained (6:38, engl.)
Eine der wichtigsten Fragen, mit
denen sich die ▪ Wahrnehmungspsychologie
beschäftigt, ist die Frage, wie wir Objekte aus unserer Umwelt
erkennen (identifizieren) und wiedererkennen können. Was sagt uns,
ist z. B. die Frage, dass das Objekt, vor dem wir stehen, ein Baum
ist, und wo dieser und wir selbst eigentlich zu dem Zeitpunkt, an
dem wir ihn sehen, uns eigentlich befinden. Festzustehen scheint
jedenfalls, das zeigen z. B. die Wahrnehmungskonstanzen, dass die
Interpretation bzw. die Zuordnung des Wahrgenommenen zu Kategorien
keine rein Leistung höherer Verarbeitungsformen von Informationen in
unserem kognitiven System darstellt, Objektidentifikation und
Objektwiedererkennung keine rein postperzeptiven Leistungen sind.
(vgl. Müsseler
2017, S.33)
Ein Ansatz, der
erklären kann, "wie die Inhalte des
Wahrnehmungsprozesses mit der Wissensrepräsentation überhaupt in
Verbindung treten" (ebd.),
ist die sogenannte
Merkmalsanalyse (feature
analysis). Allerdings kann auch sie nicht alle Fragen, die sich
in diesem Zusammenhang stellen, befriedigend beantworten.
Ihre Grundannahme besteht darin, "dass sich
Objekte bzw. Figuren durch kritische Merkmale (bzw. deren
Kombinationen) voneinander unterscheiden" (ebd.).
Dabei geht man im Anschluss an die Forschungsarbeiten von »David
H. Hubel (1926-2013) und »Thorsten
N. Wiesel (*1924) (z. B.
1959,
1968), die dafür 1981 den »Nobelpreis
erhielten, davon aus, dass im »visuellen Cortex
(primary visual cortex) (auch: Sehrinde im Hinterkopf, dem sog. »Occipitallapen) unseres ▪
Gehirns
"Neuronenkreise" (Bourne/Ekstrand
2005, S.96) aktiv sind, "die wie Detektoren arbeiten". (ebd.)
Was es damit auf sich hat, lässt sich mit dem sogenannten
"(etwas veralteten",
Müsseler 2017,
S.33)Pandämonium-Modell (»pandemonium
architecture) zeigen, das »Oliver
Selfridge (1926-2008) (1959)
schon einige Zeit vor den Forschungen von Hubel und Wiesel
entwickelt hat. Es stellt in metaphorischer Form für die Existenz
und die Arbeit bestimmter kortikaler Zellen die als neuronale
Merkmalsdetektoren fungieren, entwickelt hat. Diese Nervenzellen
sind auf die Extrahierung bestimmter Merkmale bei der Wahrnehmung
spezialisiert. So können sie auf einfache Reizmerkmale unabhängig
voneinander reagieren, wie z. B. schräge, senkrechte oder
waagerechte Linien, Spitz- und Rechtwinkligkeit, geschlossene oder
offene Kreise). Die Nervenzellen arbeiten dabei auf
unterschiedlichen Stufen in Gruppen parallel miteinander, um
bestimmte Merkmale eines Objekts zu identifizieren und zu
extrahieren.
Das sogenannte Pandämonium
"bildet sich aus kleinen 'Dämonen', die die Aufgabe haben, Objekte zu
erkennen. Wenn man sich diese Dämonen nicht als kleine Wichte, sondern als
Neurone oder Neuronenkreise vorstellt, die darauf eingestellt sind, nur auf
bestimmte Reize zu reagieren, dann versteht man, was Hubel und Wiesel
meinen." (Bourne/Ekstrand
2005, S.96)
Also: Die Dämonen im Pandämonium-Modell sind als keine Dämonen
(Geister, Schicksalsmächte, Minimonster u. a.), die
in unserem Gehirn herumgeistern, sondern der Begriff dient nur als Metapher zur
Veranschaulichung dessen, was bei dem "Entdecken von Merkmalen oder
Abstrahieren von Informationen durch Neuronenkreise" (ebd.)
passiert. Die Dämonenmetapher hat dabei sehr zur Popularisierung der
Merkmalsanalyse beigetragen, weil sie bei Visualisierungen der
Pandämoniumsstruktur immer wieder zur Darstellung kleiner Wichte (Dämonen)
im Kopf geführt hat.
Ein Beispiel, das
dabei auf allzu comic-hafte Gestaltung verzichtet, stammt aus (Bourne/Ekstrand
2005, S.97), das die Metapher ohne sie ikonisch zu sehr in den
Vordergrund zu rücken, in die insgesamt sehr gut veranschaulichende
Darstellung der Prozesse bei der Merkmalsanalyse integriert.
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Die Dämonen bilden bei der Verarbeitung (visueller) Informationen
einer bestimmten Stufenarchitektur zusammen, weshalb man auch von
der Pandämoniums-Architektur (pandemonium architecture) spricht.
Dabei stellt dasdas Pandämonium einfach das kumulative
"Schreien" (yelling) dar, das von
diesem System erzeugt wird.
Die Pandämoniumsarchitektur
Die vier wichtigsten Verarbeitungsstufen dieser Pandämoniumsstruktur
sind (vgl. Lindsay, Peter H. and Norman, Donald A. (1977), zit. n.:
»Wikipedia.en,
vgl. Bourne/Ekstrand
2005, S.96f.; vgl.
Müsseler 2017,
S.33)
Stufe |
Name des
Dämons |
Funktion |
Beispie(le) |
1 |
Bilddämonen
(image demons) |
-
zeichnen das Bild auf, das in der Netzhaut empfangen
wird
-
geben den
visuellen Reiz in die hierarchische
Verarbeitungsarchitektur ein
|
|
2 |
Merkmalsdämonen
(feature demons) |
-
können jeweils ein
bestimmtes (Reiz-)Merkmal (feature) darstellen
(kurze gerade Linien, einen anderen für gekrümmte
Linien, einen für offene Kreise etc.)
-
Aufgabe jedes
Merkmaldämons ist es, zu "schreien" (to
yell), wenn er ein Merkmal erkennt, dem er
entspricht.
|
Hat der
Bilddämon dieses Bild des Buchstabens A eingeben, werden
bestimmte Merkmalsdämonen angesprochen und damit aktiviert
(z. B. diejenigen, die nach geraden und waagrechten Linien
und spitzen Winkeln suchen. Diejenigen, die auf
gebogene
Linien, rechte Winkeln etc. reagieren, bleiben indessen
"ruhig.
Anders sieht
dies allerdings bei diesem in der Schriftart Ravie
geschriebenen und aufgezeichneten A aus. Hier müssen andere
Merkmalsdämonen ran, um Merkmalswerte zu extrahieren, mit
denen die kognitiven Dämonen der nächsthöheren Stufe
weiterarbeiten können. |
3 |
Kognitive Dämonen
(cognitive demons) |
-
sehen Sie sich das "Schreien" der
Merkmalsdämonen an.
-
Jeder
kognitive Dämon ist für ein bestimmtes Muster verantwortlich
(z.B. einen Buchstaben im Alphabet).
-
Das "Schreien" der
kognitiven Dämonen basiert darauf, wie viel von ihrem Muster
von den Merkmalsdämonen erkannt wurde.
-
Je mehr Merkmale die
kognitiven Dämonen finden, die ihrem Muster entsprechen,
desto lauter "schreien" sie.
|
Wenn zum Beispiel die
für
gekrümmte, lange gerade und kurze abgewinkelte
Linien zuständigen Merkmalsdämonen wirklich laut schreien, könnte der kognitive
Dämon des R-Buchstabens wirklich aufgeregt werden, aber auch der
kognitive Dämon für den P-Buchstaben könnte etwas aufgeregt
sein, allerdings etwas weniger; der kognitive Dämon für den Z-Buchstaben
bleibt aber wahrscheinlich ruhig. |
4 |
Entscheidungsdämonen
(decision demons) |
-
letzte
Stufe der Verarbeitung
-
hört auf
das "Schreien", das von den kognitiven Dämonen produziert
wird.
-
wählt den lautesten kognitiven Dämon aus.
-
Der
Dämon, der ausgewählt wird, wird zu unserer bewussten
Wahrnehmung.
|
Im
Fall des R, bei dem der entsprechende kognitive Dämon R sich
am stärksten Gehör verschafft, entscheidet sich der
Entscheidungsdämon für ihn und damit für die endgültige
Wahrnehmung als den Buchstaben R; allerdings kann es auch
vorkommen, dass wir aufgrund
schlechter Anzeigebedingungen einen Fehler machen: wenn Buchstaben
z. B. schnell blinken oder Teile
von ihnen verdeckt sind, kann es auch zur Wahrnehmung eines
P kommen. ist es wahrscheinlich P.
Beachten Sie, dass das "Pandemonium" einfach das kumulative
"Schrei" darstellt, das vom System erzeugt wird. |
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YouTube-Video:
The Pandemonium Architecture Explained (6:38, engl.)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
17.12.2023
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