Früher, als man sich wenig Gedanken darüber machte, ob schulische
Schreibformen einen Bezug zur künftigen Lebenspraxis von
Schülerinnen und Schülern hat, stand das mündliche und schriftliche
Nacherzählen hoch im Kurs. Das Hautargument: Das Reproduzieren
vorgegebener sprachlich-literarischer Muster sollte neben kognitiven
Vorzügen (Verbesserung der Konzentrationsfähigkeit, des
Gedächtnisses etc.) vor allem der "Wortschatz- und Satzmusterarbeit"
dienen. (vgl.
Fritzsche 1994, S.139)
Nicht nur die positive Beurteilung des traditionellen
Nacherzählens in der Schule hat sich inzwischen geändert, sondern
auch die moderne Erzählforschung. Nacherzählen "als 'bloße'
Gedächtnisübung' und papageienhaftes 'Nachsagen' (Sennlaub 1980)" (ebd.)
ist heute auch in 5. und 6. Klassen nicht mehr gefragt.
Die Einsicht von der "Entfunktionalisierung des
schriftlichen Erzählens in der Schule", bei dem nicht klar wird,
"wem Schülerinnen und Schüler erzählen und wozu" (ISB
2010, Bd. I, S.87) hat der Instrumentalisierung des Erzählens
als Medium des Lernens Grenzen gesetzt.
Dementsprechend ist die traditionelle Nacherzählung aus dem
Deutschunterricht weitgehend verschwunden. Vielleicht könnte aber
eine bloß reproduzierende und texttreue Nacherzählung noch immer
eine Hilfe für fremdsprachige Kinder sein, um die deutsche Sprache
zu erlernen.