Das Jagen ist schon seit dem Mittelalter Adelsprivileg. Welchen Schaden das
im 18. Jahrhundert noch überaus zahlreiche Wild in Wald und Flur auch
anrichtet, welche Verwüstungen die Jagden mit großem Gefolge auch auf den
Äckern der Bauern hinterlassen, für die Bevölkerung ist Wild tabu. Wer es
"wildert", wird streng bestraft.
Das Jagdrecht, das in alter Zeit, als
erlegtes Wild noch zur Nahrungsversorgung nötig ist, alle besitzen, ist
im 18. Jahrhundert also längst zum Privileg des Adels geworden oder ganz in die
Hände der Landesherren übergegangen.
Schon in fränkischer Zeit können die
Könige bis zum Ende des 9. Jahrhunderts nämlich durchsetzen, dass das Recht
des freien Tierfangs durch so genannte Bannforste eingeschränkt wird. In
diesen Banngebieten, die sie von Förstern verwalten und vor Rodung und
Wilderei "schützen" lassen, behalten sie sich das Recht alleiniger Nutzung
vor. Mit der schwindenden Kraft königlicher Zentralgewalt beanspruchen die
Landesfürsten die ehemals königlichen Bannforste für sich und erweitern die
Bannrechte zum Jagdregal, das ihnen allein
die Jagdrechte in ihrem Territorium sichert. Es st damit auch
Ausdruck fürstlichen Strebens nach uneingeschränkter absolutistischer Machtfülle
ohne Mitwirkungs- und Kontrollbefugnisse anderer.
Wer in einem fürstlichen
Territorium auf welches Wild Jagd machen darf, liegt im Ermessen des
Fürsten. So unterscheidet man auch zwischen hoher und niederer Jagd, die
unterschiedlichen sozialen Gruppierungen zustehen. Der Fürst und der hohe
Adel darf danach auf Hochwild (Hirsch, Wildschwein oder Gemsen), der niedere
Adel und Bauern, sofern sie vom Adel die Erlaubnis erhalten, auf das
Niederwild (Reh, Hase, Fasan) Jagd machen.
Adeliges und fürstliches Jagdvergnügen brachte vor allem für die Bauern große
Belastungen mit sich. Schon 1580 kursierte in Württemberg der folgende Spruch aus
einer Reihe anderer Sprüche, die als Trias, "Wirtemberg betreffend" bekannt
sind, weil sie jeweils 'drei Ding' über Land und Leute aussagen. (vgl. Lahnstein
1983, S. 280)
Drei Ding sein beschwerlich in Wirtemberg:
vil wiltprett,
vil fronen,
vil rechnungen.
Den Bauern wurde eine Vielzahl von Jagdfrondiensten
auferlegt, auf ihren Feldern hinterließen die Bewegungsjagden der adeligen
Jagdgesellschaften, die rücksichtslos auch durch stehendes Korn geführt
wurden, einen gewaltigen Flurschaden und das "geschützte" und damit völlig
übersetzte Wild fraß sich durch die Felder, ohne dass den Bauern eine
wirksame Wildschadensabwehr möglich war.
"Tag und Nacht muss ein Teil der Gemeinde die Felder vor dem Wilde hüten;
gestattet sind dabei nur kleine, durch Bengel am Laufen, durch Maulbänder am
Beißen verhinderte Hunde, die noch dazu von den Forstbeamten ungestraft
weggeschossen werden. Morgenweise brechen die Wildschweine die Äcker um;
herdenweise kommt das Wild in die Dörfer." (Adam
1907, S.199)
Als Folge blieben viele Felder unbebaut. Und auch
aufwändige und kostspielige Anstrengungen der Dörfer mit Zaunstecken oder
Bretterzäunen das Wild von den Feldern abzuhalten, waren vergeblich. Der Wald
konnte das Wild in der vorhandenen Zahl einfach nicht ernähren. Die
Wildschweine schlugen den besten Zaun durch und das Rotwild setzte einfach
darüber. (vgl.
Adam 1907, S.199.)
Verglichen mit heutigen Verhältnissen gab es eine unglaublich hohe Zahl von
Rot- und Schwarzwild in Deutschland und ganz Mitteleuropa. Allein der
Wildschweinbestand war schier unermesslich, wie die
Anzahl der bei verschiedenen Jagdereignissen erlegten Tiere, die so genannte
Wegstrecke, unter Beweis stellte.
Aus Hessen gibt es Berichte darüber, was während einer einzigen Jagd zur
Strecke gebracht worden ist: von 1.000 Schweinen ist da die Rede. Die
Landgrafen von »Hessen-Darmstadt
»Georg I.
(1547-1596) und »Georg II.
(1605-1661) erlegten, überlieferten
Aufzeichnungen zufolge, in 68 Jahren insgesamt 50.000 Schweine. (vgl.
Wokalik 2006c) Und die Zahlen, die die großen ▪"Lustjagden" Carl Eugens
(1728-1793) erreichten, belegen dies auch für das Herzogtum
Württemberg.
Die viel zu große Anzahl von Wildschweinen veranlasst
Kaiser »Josef II.
(1741-1790) 1786 gar, das Schwarzwild zu Raubzeug zu erklären. Dies hat
zur Folge, dass Wildschweine fortan außerhalb von
▪
Saugärten, einer
besonderen Form des ▪
Tiergartens, von jedermann erlegt werden dürfen. (vgl.
ebd.)
Angesichts ihres aussichtlosen Kampfes gegen das Wild auf ihren Feldern ist
"der Hass des Bauernvolks gegen die herrschaftlichen Förster oder Jäger tief
eingewurzelt, immer neu genährt und auch erbittert erwidert." (Lahnstein
1983, S. 280). Kein Wunder, dass der Wilddieb, obwohl
Rechtsbrecher, beim Volk große Sympathie findet.
Die Jagdfronden werden angesichts solcher Verhältnisse und Einstellungen von
den Untertanen als besonders drückend empfunden.
Was den fronenden Bauern dabei abverlangt wurde, hat der
württembergische Geschichtsschreiber des Biedermeier »Christian Reinhold Köstlin
(1813-1853) für die Regierungszeit des württembergischen Königs »Wilhelm
I. (1781-1864) zusammengefasst.
"Als Forstfronden waren in den Lagerbüchern in der Regel nur aufgeführt:
Jagen, Hägen, Seilwägen führen, Hunde aufstocken. Die Forstmeister aber
forderten von den Gemeinden nicht nur alles, was den Jagddienst als solchen
angeht, sondern auch alles, was zum Dienst des Forstamts gehört oder in
einiger Beziehung dazu steht, sollte es auch lediglich den persönlichen
Nutzen der Beamten betreffen. So mussten z . B. die Gemeinden im Winter in
den Waldungen Bahn schleifen, im Sommer das Waldgras mähen, dörren, und in
die Magazine führen, den Haber für das Wild im Winter beiführen, Sulzen
anlegen und Jagdschirme machen, für Waldwege und Brücken sorgen, das
Wildpret füttern, Holz für dasselbe fällen, Eicheln sammeln, wildes Obst
klauben, Einsprünge machen usw." (Köstlin
1839, S.141)
Solche Frondienste, die aus mittelalterlichen feudalen Rechten von
Grundherren abgeleitet waren, galten wohl auch schon, ehe ▪
Carl Eugen (1728-1793) im
Herzogtum Württemberg mit seiner Jagdleidenschaft und der ▪
Vorliebe für Lustjagden und
den entsprechenden Belastungen für seine Untertanen immer wieder für Unmut
sorgte.
▪
Königliche Jagdleidenschaft als Belastung der
Untertanen unter Wilhelm I. (1781-1864) von Württemberg