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»Die frühe Neuzeit: Aufschwung des Universitätswesens
Die meisten Studenten, es waren in der Regel männliche Jugendliche
ab 12 Jahren, wohnten in der ▪
Frühen Neuzeit (1350-1789) im 14. und 15. Jahrhundert in der sogenannten »Burse.
Damit bezeichnete man ursprünglich eine Gemeinschaft, die ihren
Unterhalt aus einer gemeinsamen Kasse bestreitet, aber auch die
Unterkunft, wo sie zusammenlebte. Gewöhnlich bezeichnet man damit
eine studentische, streng reglementierte Wohn- und
Lebensgemeinschaft, wie sie vom Hochmittelalter bis zum
Beginn des 17.
Jahrhundert in Universitätsstädten bestand, dann aber in kurzer Zeit
aufgegeben und geschlossen wurden, weil die Studenten andere
Möglichkeiten zum Wohnen fanden, wo sie sich dem strengen Regiment
der Burse nicht mehr unterwerfen mussten.
Bursen gelten vor allem
als Vorläufer von Studentenwohnheimen. Neben den Bursen wohnten die
ärmsten Studenten häufig auch in ärmlichen Hütten, die erheblich
günstiger als die Bursen waren, dafür aber auch weniger Leistungen
boten. Wer dort wohnte, war in der Regel darauf angewiesen sich
durch Betteln und Schnorren seinen Lebensunterhalt zu verdienen.
Manche kamen auch in Privathaushalten unter, wenn sie dafür
Tätigkeiten im Haushalt übernahmen. Wer finanziell dagegen besonders
gut betucht war, und das waren nur wenige, der quartierte sich in
den sogenannten Kollegien ein, eine von der Stadt, der Kirche, der
Universität oder einem Stiftungsträger angebotene Unterkunft,
in der Kost, Logis und Unterricht nicht bezahlt werden musste. Oft
erhielten die Kollegiaten ein Stipendium oder ein Gehalt.
Allerdings waren die regeln, welche die Kollegien ihren Bewohnern
auferlegten, oft noch um einiges rigoroser als in den Bursen.
»Max
Bauer (1861-1932) hat in seiner "Sittengeschichte
des deutschen Studententums" (1926) das Leben in den Bursen im
15. Jahrhundert und wie folgt dargestellt:
»Die in den Bursen kasernierten Schüler standen unter schärfster
Aufsicht, waren stets von den härtesten Körperstrafen bedroht und
teilten ihre Zeit zwischen geistiger Frone und Kirche.
Diese Bursen, meist Stiftungen privater Wohltätigkeit, waren
ungefähr das, was wir jetzt mit dem Ausdruck Internat bezeichnen.
[...]
Da im Mittelalter die überwiegende Masse der Studierenden aus
unteren Kreisen stammte, denen der Handwerker, Bauern und Dienenden,
so strebten die meisten von ihnen durch Studium eine Versorgung im
Kirchendienst zu erlangen. Nur mit geringen Mitteln versehn, die in
keiner Weise zum Lebensunterhalt und zum Studium ausreichten, waren
sie genötigt, die Unterkunft in den Bursen zu suchen. Mit
Kollegienfreiheit, die sie z. B. in Prag seit 1366 genossen, war
diesen pauperes — im Gegensatz zu den solventes — nur wenig gedient.
Sie wollten auch essen, wohnen und sich kleiden. Alle jene. die
nicht als Diener bei einem der Lehrer Oder einem der solventes, oder
als Lehrender in einem Bürgerhause Stellung und Brod fanden,
strömten den Bursen zu. Wem auch hier der Einlaß verschlossen blieb,
war auf Betteln angewiesen.
In den Bursen herrschte, wie gesagt, strengste Zucht. Im fünfzehnten
Jahrhundert mußten die Studenten in den Bursen Wiens
um drei Uhr morgens aufstehn,
um vier in die Messe gehn und um sechs die erste Vorlesung hören. In
Jena begannen die öffentlichen Vorlesungen im Winter um fünf und im
Sommer um vier Uhr. Nach fünf Lehrstunden gab es das Frühmahl.
Nachmittags um fünf war das Abendessen, um neun, spätestens um zehn
Uhr sollten die Haustüren geschlossen sein.
Sonst galt es als Regel, um fünf des morgens das Bett verlassen, das
jeder Stipendiat — dies eine weitere Bezeichnung des Bursalen —
selbst zu machen hatte. Wer im Tag- .oder Wochendienst war, mußte
Stuben und Treppen kehren und weitere, recht unappetitliche
Reinigungsarbeiten verrichten. In vornehmeren, reicher dotierten
Bursen, waren dies die Aufgaben der Famuli1.
Das prandium, das Frühmahl, fand um 9 Oder 10 Uhr statt. Die
Coena, die Hauptmahlzeit, war um 5 Uhr. Im
Winter um 7, im Sommer um 9 Uhr klirrten die Riegel und knirschten
die Schlüssel in den Türschlössern.
Streng verboten bei der überaus hohen Strafe von 6 Gulden war in
Heidelberg der althergebrachte Gebrauch von claves adulterinae, der
Nachschlüssel und Dietriche.
Bei dem herrschenden Zelotismus2
und der allgemeinen Pedanterie, die z. B. jedes deutsche Wort mit
Entziehung der Kost, Einschließung und harten Prügeln ahndete, waren
Zuträgereien, Aufpasserei trotz der offiziellen Frömmigkeit
allgemein.
Die vorgeschriebene Lebensweise war mehr als klösterlich einfach.
"Da die Weisheit in den Häusern derer, die wohlleben sich nicht
findet, so müssen feine Mahlzeiten, Leckereien, wie böse Sirenen von
unserem Hause weit weg bleiben", heißt es 1496 in der Ordnung einer
Freiburger Burse, domus sapientiae genannt.
Die Speisenfolge in der Leipziger Heinrichs Burse schildert ein
Schreiben in den Dunkelmännerbriefen: „Wir haben auch gut zu essen
in unserer Burs und zweimal täglich sieben Gerichte, Mittags und
Abends. Das erste heißt Semper (immer), auf
deutsch Grütze. Das zweite Continue
(beständig), eine Supp. Das dritte Quotidie
(täglich) das heißt Gemüse; das vierte
Frequenter (häufig), das fünfte Raro (selten)
Gebratenes; das sechste Nunquarn (niemals)
Käse, das siebente Aliquando (später einmal)
Äpfel und Birnen. Und dazu haben wir einen guten Trunk, der
Covent (ein Dünnbier) heißt. Seht da, ist
das nicht genug? Diese Ordnung beobachten wir das ganze Jahr
hindurch und sie wird von allen gelobt" [...]
Ungemütlichkeit ist der Grundzug der Mahlzeiten in der Burse, wie
diese überhaupt in den düsteren Räumen dieser Häuser allenthalben
vorherrschte. Nach dem Läuten beeilt sich jeder, damit er nicht zu
spät kommt. Beim Zulangen geht es nach Alter und Würden. Ihnen
kommen die besten Stücke zu. Die Kameradschaftlichkeit hört fast
auf. Wer zu spät kommt, findet keine Speise mehr vor. [...]
"Die Studenten in Ingolstadt lebten in der
Regel gerade wie anderswo, wegen der Gefahren des Wirthshauses und
Weiberumgangs, in Bursen mit fester Hausordnung, unter Aufsicht der
Artistenfakultät, überwacht und geleitet von Magistern als 'Conventores',
wissenschaftlich unterstützt von Baccalaureen,
beköstigt (oft elend genug) von Schaffnern. "Edel und erbarer lewt
wohnten wohl auch bei Dozenten "in iren Heusern und Cost studirens
halben." [...]
Auch in Ingolstadt wußte sich die akademische Jugend außer den
regelmäßigen Vakanzen und Ferien
noch andere Feier- und Festtage zu
machen. — Die Kollegien fielen aus am Donnerstag und
selbstverständlich am Sonntag. Die Ferien dauerten vom Dezember bis
7. Januar, Fastnacht 14 Tage, desgleichen Ostern, im Herbste vom 29.
September (Michaelis) bis 18. Oktober (Lucas Ev.), dazu kamen die
vielen Feiertage der Apostel, gewisser Heiligen und großer
Kirchenlehrer; auch an allen Tagen feierlicher Fakultäts-Akte (einer
Promotion oder Dispution), oder wenn ein Sermo ad clerum stattfand,
las der Professor des Vormittags kein Kollegium.Darnach hatte das
Jahr ungefähr 180 Lesetage; die Dozenten der Rhetorik, Poesie,
griechischen Oder hebräischen Sprache und der Mathematik hatten
selbst in den größeren Ferien ihre Vorlesungen fortzusetzen. [...]
Zugleich suchte man die sehr häufigen
Studentenfeste, die Fontania,
Massenspaziergänge (exitus
cumulatos) in die Wälder und schattige Orte der Umgebung auf
bestimmte Tage des Jahres während der Hundstage zu beschränken und
zwar,
weil mannigfacher Unfug und Skandal vorkam und übermäßige Ausgaben
gemacht wurden, nicht bloß draußen, sondern auch [...] in den
Bursen, nur einmal, stets mit vorheriger Erlaubnis des Dekans. Im
Jahre 1507 dekretirte man aufs neue: man gönnte ihnen zwar die "recreatio",
man verbot nur Karten und Würfel, zu kostbare Preise beim Wettlaufe
und Geldbeiträge beim Kegelschieben für ein Zechgelage als unnütz
und kostspielig. — Übernachte man im Freien, so sollten wenigstens
die Conventoren und die Magister oder Lehrer zur Überwachung dabei
bleiben. Trotz dieser Verbote wird die Jugend sich ihre Lustbarkeit
mit List erzwungen und ausgeführt und manche Sommernacht im Walde
verbracht haben. — Die Artisten hatten außerdem das Recht an St.
Johannis zu Tanzvergnügen (choreae)
vor den Bursen, wozu sich auch Laien einfanden; da die Fakultät aus
dem Verkehr der Studenten mit Laien mancherlei Übel entspringen sah,
so hätte man das Johannisfest gern
abgeschafft und jede Teilnahme der Studenten an Tänzen der Laien,
wenn Heiligentage, Hochzeiten und dergleichen gefeiert wurden,
verboten. Ebenso auch den Laienverkehr beim Feste der
balnea, welches die Baccalaureen an ihrem
Promotionstage (wie die Magistranden ihr "prandiurn Aristotelis")
ihren Lehrern und Freunden gaben, weil
dazu auch Laien und Frauen durch Karten (per scedulas, Zettel)
eingeladen und allerlei Weine, Geschleck und Konfekt (confectiones)
vorgesetzt wurden und nicht bloß große Unkosten erwuchsen,
sondern auch manches Ungebührliche (minus honesta) verübt ward.
— Ebenso suchte man den Geldverbrauch der Studenten auf
anständige
Erlustigungen (honesta solatia) einzuschränken, dagegen Spiel
und unnützes unüberlegtes Vertun zu hemmen. — Die Fakultät
moralisierte und dekretierte, während sich die Scolares in alter
Weise amüsierten.
In kleinen, nur auf das dürftigste eingerichteten
meist unheizbaren Kammern
waren stets mehrere, oft bis zu
zwölf Schüler, zusammengepfercht. Nur die größeren Stuben, die
Oft als Speise- und Lehrsäle dienten, wurden geheizt. [...]
Trotz, oder grade wegen solch drakonischer Strenge fehlte es
natürlich nicht an starken, selbst verbrecherischen Übertretungen
der Gebote.
1521 wurde der Vorsteher einer Burse in Freiburg i. B. von den
Schülern umgebracht, 1536 Feuer an die Burse gelegt In Ingolstadt
gaben 1555 zwölf Stipendiaten zu Protokoll, daß ihr Regens Tag und
Nacht bei der Kastnerin oder der Schaffnerin und deren Mädchen
stecke, die Stipendiaten ums Maul zu schlagen pflege, schlechte Kost
ausgebe und nachlässig in der Rechnungsablegung se.
Übrigens war die Lebensführung nicht in allen Bursen so einfach wie
in der Leipziger, so menschenunwürdig wie in der Pariser.
Wer allerdings nicht zu sparen braucht. der konnte sogar in einer
Leipziger Burse ein recht vergnügtes
Leben führen, worüber der Brief eines in Leipzig studierenden
Domherrn aus Upsala von 1424 Aufschluß gibt. Der Briefschreiber
hatte in dem Collegium minus Unterkunft gefunden und gibt seiner
Befriedigung über die Leipziger Verhältnisse nach allen Richtungen
uneingeschränkten Ausdruck. "Hec est vita laudabilis", schreibt er
nach der Schilderung des Lebens im Kollegium, wobei er ausdrücklich
hervorhebt, daß jeder bei der Mahlzeit seine eigene Schüssel und
seinen besonderen Becher habe. Schon um fünf Uhr früh begannen die
Vorlesungen, weshalb der Domherr um vier Uhr aufstehn mußte.
Weiterhin lobte er die Güte des Bieres und des Weins und erwähnte,
daß er mit zwei rheinischen Gulden etwa drei Wochen leben könne.
Auch das Covent scheint nicht überall das ausschließliche Getränk
gewesen zu sein. Immerhin wurde in allen Alumnaten nur Bier, niemals
Wein gereicht. Es durfte auch nur immer eine einzige Biersorte
ausgeschenkt werden. Darüber, wie über die eingeführte Menge hatte
sich ein Bierwart, der
Cerevisiarius, zu bekümmern. Er sollte
auch über die Beschaffenheit des Getränkes wachen, damit nicht etwa
dessen Minderwertigkeit Unzufriedenen einen Vorwand gäbe, sich auf
eigene Rechnung Trinkbares anzuschaffen. Aber diese Bestimmungen
hinderten nicht, daß sich in vielen Bursen
heimliche
Trinkgesellschaften bildeten, die sich an unerlaubten Getränken
labten. [...]
Wenn die Bursalen also auch nicht Hunger und Durst litten, so
führten sie doch im großen und ganzen das Leben von Sträflingen,
oder, was gleichbedeutend war, das von Mönchen strengster Observanz.
Die feste Hausordnung in allen Bursen, ganz gleich ob sie
behördliche oder von Privatpersonen unterhaltene waren, suchte
jeden jugendlichen
Übermut zu bannen, oder scheuchte ihn wenigstens in abgelegene
Winkel, wo er sich dann doppelt gefährlich austobte.
Ora, labora war
der Leitsatz aller Bursen.
Jeder Gedanke an Sonnenschein, Freude und Spiel war verpönt, war
Ausschweifung, verkörpert als Frau, im Gegensatz zur Tugend,
verkörpert durch die Wissenschaft.
Jeder Verkehr mit Frauen war den Schülern strengstens untersagt.
Weibliche Wesen waren die Todsünde und deshalb wie die Pest zu
meiden. Die angewendeten Abschreckungsmittel vor dem so
gefährlichen schwächeren Geschlecht sind oft sehr lustiglich zu
lesen. Kamillus sagt im 'Manuale scholarium' zu Bartoldus, die
Frauen seien zu gewissen Zeiten giftiger denn Schlangen, "so daß,
wenn jemand sie alsdann ansieht, er nicht ohne Herzweh davon kommt.
Bisweilen leidet er so sehr durch ihren Anblick, daß er krank aus
allem Verkehr ausscheiden muß. In einer Stunde könne man dadurch
derart in Flammen gesetzt werden, daß man vierzehn Tage zum
Studieren untauglich sei.
Dieses 'Manuale', ängstlich besorgt ob des Seelenheils der wahren
Scholaren, läßt daher folgende tiefe Lebensweisheit ableiern: "lch
habe keine Freude an Tänzen und dem Anblick von Frauen. Viel
schöner ist der Anblick der Weisheit, die durch wissenschaftliche
Arbeit gewonnen wird. Denn in der Tugenden Fülle und der
Gelehrsamkeit Frucht ruht die Freude des Paradieses! Dann bedenke,
ein wie wankelmütiges Geschöpf das Weib ist, und wie sie,
ungezügelt, auch durch keinerlei Fessel gebändigt werden kann".
Mit solchen Regeln suchte man in allem Ernste in Jugendfülle
strotzende Jünglinge auf dem Dornenpfade der Enthaltsamkeit
festzuhalten. Wer in solcher Zucht verharrte, wurde zum Zeloten,
zum Heuchler oder endlich zu einem jener verstaubten von
Autoritätsglauben durchsetzten dünkelhaften Gelehrten und Pedanten,
an denen die deutsche so reich ist. [...]«
(aus: Max Bauer, Sittengeschichte des deutschen Studententums,
1926, S.17-25) - gemeinfrei
Worterklärungen
1 Famulus:
studentische Hilfskraft. gewöhnlich ein ein armer Student, der bei
einem Professor in den Hörsälen Handreichungen und Handlangerdienste
verrichtet und dafür manche Vorteile von diesem gewährt bekommt, wie
z. B. Nutzung seiner Bibliothek, Kabinette etc.
2
Zelotismus: Fanatismus
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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
24.02.2022