Wahlen in einem demokratischen Verfassungsstaat orientieren sich an vier
bzw. fünf
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Wahlgrundsätzen.
Häufig wird ein fünfter
Wahlgrundsatz hinzugefügt, nämlich die
unmittelbare Wahl. Das
liegt vor allem daran, dass sich der Begriff nicht so eindeutig fassen
lässt, wie er vorgibt.
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Wird darunter einfach
verstanden, dass niemand sein Wahlrecht bzw. seine Stimme an
irgendeinen anderen abtreten kann, der dann an seiner Stelle wählt,
dann legt der Begriff den Akzent auf die Person des Wählers, der nur
direkt, d.h. unmittelbar, sein Stimmrecht ausüben kann. Die
Möglichkeit der Briefwahl natürlich eingeschlossen.
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Findet etwas anderes
statt, beispielsweise die Übertragung des Stimmrechts an ein
Wahlmänner-/Wahlfrauengremium wie bei der US-Präsidentenwahl statt,
dann findet in einem solchen Sinne keine direkte Wahl mehr statt,
d.h. der einzelne Wähler übt nicht mehr unmittelbar Einfluss auf das
zu wählende Verfassungsorgan (h: Präsident) aus. In der Praxis
freilich votieren die Wahlmännergremien bei der US-Präsidentenwahl
freilich entsprechend dem Wählerwillen, den sie vertreten. Erst wenn
Ihnen möglich wäre, bei der Wahl des Präsidenten anders zu votieren
als das dem Wählerwillen entspricht, wäre damit eine mittelbare Wahl
des Präsidenten erfolgt. In der augenblicklichen
Verfassungswirklichkeit der USA kann man daher trotz des
Vorhandenseins von Elementen mittelbarer Wahl bei der Wahl des
Präsidenten von einer de-facto unmittelbaren Wahl des Präsidenten
durch die Wählerinnen und Wähler ausgehen.
Der lange Begründungsweg allein freilich zeigt auch, dass die
Kategorie der unmittelbaren Wahl zumindest nicht besonders griffig
ist.
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Eine dritte Variante der
Bedeutungszuschreibung des Begriffs unmittelbar umgeht diesen
Begründungszusammenhang schlicht mit der Feststellung, dass
unmittelbar bedeute, der Wähler könne direkt auf die Zusammensetzung
des Parlamentes Einfluss nehmen.
Die Bedeutung der
Grundsätze
Wahlgrundsatz |
Bedeutung |
allgemein |
Jeder Bürger, der
das Wahlrecht besitzt, kann wählen oder kann gewählt werden
(aktives und passives Wahlrecht). |
gleich |
Die Stimme jedes
einzelnen Wählers wiegt gleich viel. |
frei |
Jeder muss das
wählen dürfen, was er persönlich will, ohne dass er von
irgendjemandem oder dem Staat zu einer bestimmten
Wahlentscheidung gezwungen wird. |
geheim |
Die Stimmabgabe
muss so erfolgen, dass niemand während des Wählens oder danach
sehen bzw. feststellen kann, was oder wen der einzelne gewählt
hat. |
unmittelbar |
Jede abgegebene
Stimme wirkt sich direkt auf das Wahlergebnis aus. Das
Stimmrecht kann auch nicht freiwillig an einen anderen
abgetreten werden. |
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
18.10.2023
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