Die Voraussetzung: Bereitschaft zur Kooperation
Wer an einem ▪ klassischen
Brainstorming teilnimmt, muss vor allem eins mitbringen: Man
muss miteinander kooperieren wollen.
Die
volitionalen und
motivationalen
Aspekte, die Bereitschaft zur Kooperation und die Motivation, diese
erfolgreich zu gestalten, müssen also stimmen, denn wenn dies nicht
der Fall ist, kann das Ganze auch schnell gegenteilige Effekte haben
und die Kooperationsbereitschaft, den Team-Spirit und vieles mehr
dauerhaft schädigen. Nur wenn diesen Faktoren schon im Vorfeld
Aufmerksamkeit geschenkt worden ist, kann das klassische
Brainstorming dazu führen, dass man
-
sich gegenseitig
zur Äußerung von Ideen anregt
-
sich gegenseitig
Ideen zuspielt
-
an einmal
geäußerten Ideen gemeinsam weiterspinnt
Das Problemlösungsverhalten beim Brainstorming, insbesondere das
Vermeiden negativer Kritik und das Spiel mit der Fantasie, macht die
klassische Methode des Brainstorming zu einer der Grundmethoden der
Ideenfindung, deren Prinzipien in verschiedene Modifikationen
eingegangen sind.
Das klassische Brainstorming stellt aber auch an die soziale
Kompetenz der Teilnehmer*innen hohe Anforderungen, die sich auch in
den
▪
Regeln
niederschlagen, die unbedingt einzuhalten sind.
Die wichtigsten Merkmale des klassischen Brainstorming
Das ▪ klassische Brainstorming,
so wie es von dem Werbefachmann »Alex
F. Osborn (1888-1966)1939 entwickelt und von dem
Management-Experten »Charles
Hutchison Clark (1920-2009) weiter modifiziert worden ist,
beruht auf der mündlichen Interaktion der Beteiligten und im
Kern auf fünf verschiedenen Annahmen:
-
Eine Gruppe / ein Team kann seine / ihre gemeinsamen Kräfte entfalten.
-
Denkpsychologische Blockaden können ausgeschaltet werden.
-
Äußerungen, die den Ideenfluss hemmen, können ausgegrenzt werden.
-
Das partnerorientierte Kommunikationsverhalten der Beteiligten kann gefördert werden
-
Unnötige Diskussionen können vermieden werden.
Verlauf einer klassischen Brainstorming-Sitzung
Die beste Gruppengröße für das Brainstorming umfasst ca. 5 - 7
Mitglieder. Kleinere Gruppen entwickeln häufig zu wenig Ideen, bei
größeren kommt es leicht zum Durcheinanderreden oder zur Bildung von
kleineren Diskussionsuntergruppen. Über dieses Störungspotential
müssen sich alle Teilnehmer*innen im Klassen sein.
Um die Impulse für das Brainstorming vorzugeben und u. U. auch
die Regeln zu überwachen, gehört zum Brainstorming
ein Moderator bzw. eine Moderatorin.
Und die Ergebnisse des Brainstormings müssen von
einem Protokollanten bzw. einer
Protokollantin in einer vereinbarten Form festgehalten und
dokumentiert werden.
Eine Brainstorming-Sitzung beginnt gewöhnlich damit, dass
der Gruppe bzw. dem Team ein Problem bzw. eine Frage gestellt wird.
Dies kann dadurch geschehen, dass eine Frage an einer Tafel,
einem Whiteboard geschrieben oder sonstwie präsentiert wird, oder
ein oder mehrere Bilder gezeigt werden oder ein Geräusch vermittelt
wird. Erwartet wird, dass dieser Impuls als Reiz möglichst viele,
auch auf den ersten Blick "verrückte" Ideen sprudeln lässt.
Während des Brainstorming sollte jede/r zu Wort kommen. Man darf
so lange sprechen und "herumspinnen", wie man will, und darf dabei
nicht unterbrochen werden. Verbale und körpersprachliche Kritik an
Äußerungen eines Sprechers bzw. einer Sprecherin vorzubringen, ist
ein absolutes No-go!
Am Ende einer derartigen Brainstorming-Sitzung sollte eine
Grobauswahl erfolgen. Dabei können unter Anleitung des Moderators
bzw. der Moderatorin die Ideen verschiedenen übergeordneten
Gesichtspunkten zugeordnet werden. Üblicherweise werden die Ideen
danach sortiert, ob sie
sind.
Aber: Das "klassische"
Brainstorming im Team fördert eher Blockaden denn Ideen
Die Wirklichkeit, das belegen verschiedene Studien schon
seit langem, sieht indessen anders aus. Wo im Team nämlich ein
Gedankensturm entfacht werden soll, herrscht in Wahrheit meistens
"Windstille im Kopf" (Herrmann 2012).
Schon 2005 verwies ein Bericht
in der renommierten Zeitschrift
"Bild der Wissenschaft" (1/2005) darauf,
dass 50 Studien bewiesen hätten, dass sich die Teilnehmer eines
Brainstorming gegenseitig im Ideenfluss eher blockieren denn
unterstützen. Die Gründe, die genannt wurden, sind dabei vor allem:
-
Die Tendenz zur
Trittbrettfahrerei, bei der sich jeder auf den anderen verlässt,
die besonders dann auftritt, wenn Gruppen Aufgaben zu erledigen
haben.
-
Die Arbeitsmoral
des Einzelnen kann geschwächt werden, wenn er beim Brainstorming
das Gefühl hat, dass es auf seinen Beitrag nicht ankommt.
-
Die Arbeitsmoral
des Teams insgesamt wird gefährdet, wenn der Einzelne glaubt,
dass es kaum auffällt, wenn er sich am Brainstorming so gut wie
gar nicht beteiligt.
-
Oft blockieren
die Gruppenmitglieder den kreativen Prozess gegenseitig, weil
sie immer darauf warten müssen, bis ein anderer ausgeredet hat.
Das hängt vor allem mit Gedächtnisproblemen zusammen: Denn um
auf neue Ideen zu kommen, muss das Gehirn auf Informationen aus
dem Langzeitgedächtnis zurückgreifen und die dann eben so lange
präsent halten, bis der jeweilige Vorredner ausgeredet hat, ist
eben gar nicht so einfach.
Dem Irrglauben, dass man in Gruppen grundsätzlich mehr und
kreativere Ideen produziert als als Einzelner, sitzen aber immer
noch ca. 80 Prozent der Menschen auf (vgl.
Herrmann 2012).
Für Sebastian Herrmann ist aber auch klar,dass die Kritik auch in
Zukunft das überaus positive Image des Brainstormings nicht
zerstören wird. Das hat seiner Ansicht nach vor allem drei Gründe:
-
Es existiert
einfach eine positive Erwartungshaltung gegenüber Gruppenarbeit.
-
Jede/r neigt
dazu, seinen Anteil am Gruppenresultat zu überschätzen.
-
Jede/r möchte
sein positives Selbstbild aufrechterhalten, ganz nach dem Motto:
"Weil ich mich in der Gruppe gut gefühlt habe, fühlt sich auch
das Ergebnis gut an", wie es der Psychologe Stefan Schultz-Hardt
von der Uni Göttingen ausgedrückt hat. (vgl.
ebd.)
So kommt Herrmann zum Schluss: "Irgendwie ist das eine komische Sache
mit dem Brainstorming: Die Technik funktioniert nicht besonders gut,
trotzdem lieben die Menschen sie. Und vor dem, was sie tatsächlich
bewirken würde - individuelle Arbeit sowie Kritik- scheuen sie zurück." (ebd.)
Brainstorming in der Gruppe als Kombination von Individualtechnik
und Kooperation
Um die gegenseitige Blockierung der Teilnehmer von
Brainstorming-Sitzungen zu vermeiden, kann man das klassische
Brainstorming modifizieren, in dem man Phasen des ▪
individuellen
Brainstorming mit dem Ideenfindungsprozess in der Gruppe verbindet.
Dabei kommen in der ersten Phase Brainwriting-Techniken
unterschiedlicher Art zum Tragen, die vor allem dafür sorgen sollen,
dass alle Teilnehmer*innen mit ihren Ideen "zu Wort kommen". Dabei
schreibt jede/r seine eigenen Ideen erst einmal
für sich nieder und macht sie ersten dann den anderen im Plenum zugänglich
macht. Solche Formen sind z. B. die in
diesem Arbeitsbereich vorgestellten Formen:
Das klassische Brainstorming in der Schule
Trotz der ▪ kritischen Vorbehalte
kann das klassische Brainstorming in der Schule durchaus seinen
Platz haben. Im Schulleben gibt es viele Bereiche, zu deren
Gestaltung man auf kreative Ideen angewiesen ist.
-
Da kann es z.
B. um Schulfeste genau so gehen, wie um das Ziel der nächsten
Ausflugs oder der Abitursfahrt.
-
Aber auch im
Unterricht kann es unter der Voraussetzung, dass das Problem als
Reiz offen genug und anregend gestellt und präsentiert wird, als
Technik mit einer besonderen Gruppendynamik zum Einsatz kommen.
Dabei kommt es freilich nicht in erster Linie auf die Effizienz
des Brainstorming zur Problemlösung an, sondern auf den Verlauf
des gruppendynamischen Prozesses als Ganzes. Dementsprechend
gehört dabei auch dazu, dass dieser Prozess im Anschluss
hinreichend reflektiert wird.
Dabei ist die Auswahl des Problems als Reiz der
Ideenfindung zentral. Nach
Clark (1973)
ist es dabei hilfreich zwischen "Schneeschaufelfragen"
und "Spatenfragen"
bei der Formulierung des Problems zu unterscheiden.
Beispiele:
Beispiele:
-
Wie können wir das Verhältnis von Schülern und Lehrern
in unserer Schule verbessern?
-
Was können
jede/r von uns in seinem Alltagsleben als Schülerin oder
Schüler gegen den fortschreitenden Klimawandel auf unserem
Planeten tun?
Gert
Egle, zuletzt bearbeitet am:
15.01.2024
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