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Aspekte der Erzähltextanalyse

Die Figuren der Geschichte: Ein traumatisiertes Kollektiv

Wolfgang Borchert (1921-1947) KurzgeschichtenDie Küchenuhr

 
FAChbereich Deutsch
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Strukturbegriffe der Erzähltextanalyse
Didaktische Aspekte
Überblick
Auswahl (Zusammenstellungen wichtiger Strukturbegriffe)
Wer erzählt die Geschichte? (Aspekte zur Gestaltung der Erzählinstanz)
Wie wird erzählt? (Zeit, Modus, Stimme)
Was wird erzählt? (Handlung, erzählte Welt, Figur, Raum)
Figurengestaltung

Überblick
Figurenkonzeption
Figurenkonstellation
Figurencharakterisierung
Bausteine

Erzählformen und Erzählverhalten (Petersen)

Kurzgeschichte
Überblick
Merkmale
So interpretiert man eine Kurzgeschichte
Überblick
Arbeitsschritte
Textauswah

 ▪ Schulische Analyse und Interpretation erzählender Texte
▪ Einen Erzähltext mit der Kategorientafel analysieren

ABC der schulischen Erzähltextanalyse

Die Figuren in Wolfgang Borcherts Geschichte »Die Küchenuhr« wirken alle traumatisiert (engl. trauma; gr. τράυμα (trauma) Verletzung).

Ihr Verhalten deutet darauf hin, dass sie infolge der Ereignisse, die sie im Krieg erlebt haben, seelische Verletzungen davongetragen haben. In solchen Fällen wird auch von einem »Kriegstrauma gesprochen.

Ein solches Kriegstrauma können auch größere Bevölkerungsgruppen erleiden. Diese kollektiven Kriegstraumata hat man z. B. beobachtet,

Was sind Traumata?

Der Begriff »Trauma (engl. trauma; gr. τράυμα (trauma) bedeutet zunächst einmal nichts anderes als Verletzung und wird in der Medizin und in der Psychologie verwendet.

Während man in der Medizin damit eine körperliche Verletzung infolge von Gewalt oder eines Unfalls meint, zielt der psychologische Begriff Trauma auf seelische Verletzungen, die auf ein traumatisches Erlebnis zurückgeführt werden können.

Darunter versteht man "eine Situation mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Bsp. sind das Erleben von körperlicher und sexualisierter Gewalt, Entführung, Geiselnahme, Krieg, politischer Haft, Folterung, Natur- oder durch Menschen verursachte Katastrophen, Unfälle oder die Diagnose einer lebensbedrohlichen Krankheit."
(aus: Hecker, T. (2019). Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). In M. A. Wirtz (Hrsg.), Dorsch – Lexikon der Psychologie. Abgerufen am 08.06.2019, von https://portal.hogrefe.com/dorsch/posttraumatische-belastungsstoerung-ptbs-1/

Traumata haben oft massive Auswirkungen auf das Leben

Wer als einzelner Mensch oder als Teil eines Kollektivs von Menschen ein seelisches Trauma erleidet, hat an den Folgen oft lange, manchmal ein Leben lang zu tragen. Ohne Hilfe von außen durch Psychotherapie und Angstselbsthilfegruppen und oft auch ohne medikamentöse Behandlung zur Unterstützung können Betroffene ihre Seele kaum heilen und die psychischen und physischen Symptome (s. Abb.) ihres Leidens weder mindern, noch gänzlich loswerden. Betroffene können unter ernsthaften ▪ Angsterkrankungen bzw. Angststörungen leiden und/oder müssen mit den Auswirkungen und Symptomen einer ▪ posttraumatischen Belastungsstörung leben.


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Viele Betroffene können dann z. B. kaum oder überhaupt nicht mehr über die zurückliegenden (traumatisierenden) Ereignisse und ihre Gefühle sprechen, entwickeln eine Art emotionaler Taubheit, können dann weder trauern noch sich freuen, erleben krankhaft übersteigerte Angstzustände und ziehen sich angesichts ihrer Entfremdungsgefühle der Welt und ihren Mitmenschen gegenüber sozial vollständig zurück.

Um nicht an das ▪ traumatische Erlebnis zu denken, versuchen die Betroffenen u. a.,

  • allem aus dem Weg zu gehen, was sie daran erinnern könnte (Vermeidung)

  • die Ereignisse zu ▪ verdrängen

  • die Gefühle, die die Ereignisse bei ihnen auslösen, abzuspalten (»Dissoziation)

Die Figuren in Borcherts Geschichte als traumatisiertes Kollektiv

Alle Figuren, die in Wolfgang Borcherts Geschichte »Die Küchenuhr« vorkommen,  wirken traumatisiert (engl. trauma; gr. τράυμα (trauma) Verletzung). Die Erzählung thematisiert dabei vor allem die konstriktiven Symptome posttraumatischer Belastungsstörungen, von denen irgendwie alle Figuren in unterschiedlicher Art und Weise betroffen zu sein scheinen. Sie wirken in sich und damit sozial auf sich zurückgezogen und unfähig aufeinander einzugehen, wirken in unterschiedlichem Maße irgendwie psychisch erstarrt und »emotional taub. Lediglich der junge Mann mit der Küchenuhr scheint den Kontakt zu den anderen aufnehmen zu wollen, redet aber im Grunde meistens vor sich hin und damit mit sich selbst.

Der zwanzigjährige junge Mann mit der Küchenuhr stellt dabei die Hauptfigur der Geschichte dar. Was er den anderen auf der Bank zu erzählen hat, bestimmt den Verlauf der Handlung, die im Grunde genommen aus einem mit wenigen dialogisch gestalteten Einwürfen der anderen gestalteten Monolog des Mannes mit der Küchenuhr besteht, der sein Inneres deshalb tiefe Einblicke gewährt, weil er, dialogisch kaum eingebettet, fast wie ein gesprochener innerer Monolog daherkommt. Das Haus, das er mit seiner Mutter bewohnt hat, ist offenbar erst vor kurzem von einer Bombe zerstört worden. Bei dem Angriff ist offenbar auch seine Mutter getötet worden. Seitdem ist auch sein eigenes Leben, das er bis dahin geführt hat, aus den Bahnen geraten. Ihm ist, abgesehen von seinen Erinnerungen an das frühere "Paradies", in dem er gelebt hat, nichts geblieben als die defekte Küchenuhr, die er noch aus den Trümmern gezogen hat. Für ihn ist ein Symbol, das die im Bombenhagel untergegangene "heile Welt" in ihrem ursprünglichen Zustand festhält, gerade weil sie mutmaßlich seit der Explosion der Bombe nicht mehr weiterläuft. Diese und den Verlust der Mutter ▪ verdrängt er vollständig und wehrt jede Auseinandersetzung mit der Realität ab. So gelingt es ihm, die Gefühle, die die Ereignisse bei ihnen auslösen, abzuspalten (»Dissoziation). Was er über über die Uhr und die liebevolle Hingabe seiner Mutter sagt, findet in den Menschen, die mit ihm auf der Bank sitzen, keine wirklich verständnisvolle Zuhörer. Daher vermenschlicht sich die Küchenuhr für ihn so sehr, dass er ihr leise "ins weißblaue runde Gesicht" (Z. 52) sagt (Personifikation), er wisse, dass sein Leben früher, vor der Zeit also als die Uhr stehen geblieben ist, das "Paradies" gewesen sei. Wie um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, was damit gemeint sein könnte, fügt er noch einmal an: "Das richtige Paradies." (Z. 53)  So unterstreicht er, dass in seinem Denken und Fühlen kein Platz (mehr) für religiöse Vorstellungen vom biblischen Paradies ist, der Glaube an Gott sich mit dem, was er erlebt hat, verflüchtigt hat. Das verlorengegangene Paradies, von dem er spricht, ist irdisch, ganz profan, ganz klein und eben doch das einzige, das Menschen jemals erleben können. Trost auf ewiges Leben im Paradies? Fehlanzeige. Und: "Auf der Bank war es ganz still." (Z. 51, 55) (vgl. Textnahe Interpretation: Innerlich kaputt und nie mehr wie immer)


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Die Personen auf der Bank kennen sich offensichtlich nicht. Kein Wort der Begrüßung, kein Name fällt, nicht die Spur eines Smalltalks, wie Menschen es oft tun, wenn sie nebeneinander auf einer Bank in der Sonne sitzen. Sie sind ganz zufällig zusammengetroffen und der Leser erfährt zunächst nicht mehr über den Ort und den Raum, wo die Begegnung stattfindet. Eine Bank irgendwo, das reicht. Was in ihnen vorgeht, wird nicht erzählt. Sie wirken emotional abgestumpft und zeigen sich unfähig, über ihre eigenen Erlebnisse und Gefühle zu sprechen ebenso wie sie nicht über das sprechen können, was den jungen Mann bewegt. Sie sind im Grunde genommen wie die Küchenuhr, innerlich kaputt. (vgl. Textnahe Interpretation: Innerlich kaputt und nie mehr wie immer)

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 25.05.2025

 
 

 
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