Die •
Kurzgeschichten
von ▪
Wolfgang Borchert,
die in diesem teachSam-Arbeitsbereich präsentiert und behandelt werden,
entstanden im Allgemeinen kurz nach dem Ende des »Zweiten
Weltkriegs (1939-1945) und der unmittelbaren Nachkriegszeit.
Sie erzählen von
Ereignissen und den Schicksalen der Menschen dieser schwierigen Zeit.
Die Erzählungen zeichnen sich, wie
Winter (2004,
S.46) betont, dadurch aus, "dass der politisch-historische Rahmen des
Krieges, sein Ablauf und seine Ursachen nicht geschildert werden; die
Perspektive wird verengt allein auf die Opfer des Krieges, vom einzelnen
Soldaten – höhere Dienstgrade stehen nicht im Vordergrund – bis zur
Zivilbevölkerung. Präzise Zeit- und Ortsangaben fehlen. Es geht um die
exemplarischen Leiden des Einzelnen in einer prägnant umrissenen
existenziellen Situation und/oder Konfrontation, der er ausgeliefert
ist. [...] Lage und Schicksal der jeweiligen Protagonisten
verdeutlichen, dass der Krieg und seine Folgen, auch wenn sie nicht
unmittelbar todbringend sind, das Individuum radikal entwerten, wenn
nicht zerstören."
Ihre Texte werden zu der
so genannten »Trümmerliteratur
nach dem Zweiten Weltkrieg gezählt.
Die Kurzgeschichten
Borcherts weisen dabei im Allgemeinen eine gemeinsame
Grundstruktur auf, die die jeweilige
Geschichte in einer Abfolge von drei Zuständen erzählt. Ausgehend von
einem einem Anfangszustand, in dem die Dinge noch einigermaßen im Lot
sind und eine "virtuell-zeitlose Geborgenheit" (Csúri
1996, S.157, zit. n.
Winter 2004,
S.46) ausstrahlen, entwickelt sich die Geschichte, indem sie einen
Übergangszustand durchläuft, in dem die vorausgehende Harmonie verloren
ist und ein "disharmonische(s) Stadium zeitlich-historischen
Ausgestoßenseins" (ebd.)
eintritt, am Ende in einen Zustand "virtuell-zeitloser Geborgenheit
(oder Schein-Geborgenheit". (ebd.)

Für
größere (740px) und
große Ansicht
(1200px) bitte an*klicken*tippen!
Die Sprache von ▪
Wolfgang Borcherts ▪
Kurzgeschichten ist nicht sofort nach jedermanns Geschmack. Sie
unterscheidet sich von unserer Alltagssprache und zeigt deutlich auf,
dass sie ästhetisch, mit dem Ziel eine bestimmte Wirkung beim Leser zu
erzielen, gestaltet ist.
Besonders ins Auge
fallen Leserinnen und Lesern bei der Lektüre von ▪
Wolfgang Borcherts ▪ Kurzgeschichten
meistens fünf sprachliche Besonderheiten, die neben anderen Borcherts
Schreibstil in besonderer Weise kennzeichnen:
Ganz allgemein "lebt
(Borcherts Prosa) (...) von der Überstilisierung" (Große
1991/82017, S. 90), die von sprachlichen
Extremsituationen, überdrehten Neologismen, Wortbildungen von extremer
Länge ebenso gekennzeichnet ist wie von parataktischen Reihungen.
Ziel des Einsatzes
dieser sprachlich-stilistischen Mittel ist es, "sprachliche
Möglichkeiten gegen das Verstummen bzw. die überall lauernde
unaussprechliche Wirklichkeit" (ebd.,
S. 91) zu mobilisieren.
Dabei erreicht
Borcherts Sprache besonders durch den Einsatz von Wiederholungsfiguren
seine eindringlichen ▪
Wirkungsakzent,
denn mit diesen auf besonders wichtige
Bedeutungsaspekte
hinzuweisen und die Texte zu rhythmisieren. Die "Wiederholung von
Kernbegriffen oder Kernformulierungen" geschieht dabei in Form von
verkürzten Sätzen (Ellipsen) ebenso wie in Form vollständiger, meist
einfacher Hauptsätze. Indem sie dabei oft in einen anderen Kontext
gestellt werden, sollen sie sie jeweils im Zuge einer
Amplifikation
(Verdeutlichung durch Variation) ihren Bedeutungsgehalt erweitern. (vgl.
ebd.)
-
Borcherts Sprache
"sammelt, häuft, steigert; sie ersetzt das Unaussprechliche,
eigentlich Gemeinte durch die Addition von Teilaspekten." (ebd.)
-
Seine bewusste
Verwendung von Aufzählungen (oft als
periphrastische
Reihung) fungiert bei ihm "als Ersatz für die fehlende Vokabel". (ebd.)
-
Die Wiederholungen
umschreiben das "Nicht-Genannte, Unbenennbare" (ebd.)
Mit den Verfahren der
Amplifikation,
der Addition und der Wiederholung spart Borchert damit eine
genauere und konkretere Gestaltung des Hintergrundes und situativen
Kontextes bewusst aus, um den Leser bzw. die Leserin auf das
hinzulenken, worum es ihm geht. Dabei zielt er auch darauf, das
dargestellte Geschehen, mitunter bis hin ins Groteske, zu verfremden.
(vgl. ebd.)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
25.05.2025
|