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Einzelne Figuren

Jetter

Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) - Dramatische Werke - Egmont

 
FAChbereich Deutsch
Glossar Literatur Autorinnen und Autoren Johann Wolfgang von Goethe Überblick
Biographie Werke Epische Werke Dramatische Werke  Egmont Gesamttext Didaktische und methodische Aspekte Überblick Entstehungsgeschichte des Dramas Historischer Hintergrund Handlungsverlauf Figurenkonstellation [ Einzelne Figuren Graf Egmont Wilhelm von Oranien Margarete von Parma Herzog Alba Klärchen Brackenburg FerdinandRichard Machiavell  Silva Gomez Mutter von Klärchen Soest Jetter Seifensieder Zimmermeister Vansen Buyck Ruysum ] Rezeptionsgeschichte Aufführungsberichte und -kritiken Textauswahl Bausteine • Links ins Internet Faust ILyrische WerkeBausteineLinks ins Internet  ▪ Friedrich Schiller  ... Schreibformen Operatoren im Fach Deutsch
 

Strukturen dramatischer Texte
Figurengestaltung
Kontrast- und Korrespondenzbeziehungen der Figuren

Figurencharakterisierung
Überblick
Techniken der Figurencharakterisierung im dramatischen Text
Überblick
Auktoriale Technike
n
Figurale Techniken

Einen dramatischen Text analysieren und interpretieren (Textinterpretation)
Literarische Charakteristik dramatischer Figuren

In • GoethesDrama •»Egmont« (1775/1788) ist der Schneider Jetter eine der Figuren, die sich in den Volksszenen des Dramas lautstark zu Wort melden. Solche Szenen mit Figuren, die in dem an der Ständeklausel orientierten Drama auf der Bühne nichts zu suchen hatten, hatte Goethe schon in seinem Drama »Götz von Berlichingen (1773) mit den Massenszenen bühnenwirksam hinter sich gelassen. Das Volk, nicht zu verwechseln mit dem Pöbel, konnte sich mit seinen Ansichten über Gott und die Welt, über die Unterdrückung durch adlige Obrigkeiten auf der Bühne artikulieren. Das Drama des • Sturm und Drang nahm in vielen seiner Stücke einfach Partei für das (bürgerliche) Volk.

"Wegen der Präzision und der Leichtigkeit der Zeichnung", die "die niederländische Lebensart anschaulich (machen), die Egmont repräsentiert" (Reinhardt 1992, S.190) sind die Volksszenen seit Schiller immer wieder bewundert worden.

Jetter tritt in allen 4 Szenen auf, in denen das Volk in der dramatischen Handlung auf die Bühne gerufen wird. Er zählt zu einer Gruppe von Brüsseler Bürgern und Soldaten, "die mit wenigen Zügen individualisiert sind" (Schulz 1997, S,157) Jetter stellt wie die anderen Figuren, die man zu dieser Gruppe zusammenfassen und zu • Rand- oder Hilfsfiguren des Dramas zählen kann ( Figurenkonstellation), eine der Figuren dar, deren hauptsächliche Funktion ist, die Zentral- und Titelfigur des Dramas, den Grafen Egmont, und seine Handlungen in das perspektivische Licht der Wahrnehmung des Volkes zu setzen.

Jetter ist von Anfang an "dabei" und gehört zu den Brüsseler Bürgern und Soldaten, die sich im • 1. Aufzug zu Beginn des Dramas beim • Ambrustschießen (I,1) auf einem Platz in Brüssel versammeln und nimmt am Wettkampf teil.

In der Eingangszene des • 2. Aufzugs Platz in Brüssel (II,1), als es zu tumultartigen Szenen kommt, weil sich die Bürger darum streiten, ob sie angesichts der Unruhen in Flandern Ruhe bewahren oder die für die spanische Krone angespannte Lage selbst nutzen sollten, um sich von der spanischen Herrschaft zu befreien, nimmt Jetter eine gemäßigte Position ein, wenngleich ihn die • "verfluchten Exekutionen" der Inquisition kaum mehr zur Ruhe kommen lassen. Er sorgt mit seiner mehrfachen Intervention im aufbrechenden Streit zwischen • Vansen, dem gelehrten • "Doktor" und Advokaten, der die Bürger unter Berufung auf alte verbriefte Rechte zum Aufstand gegen die spanischen Herrscher bewegen will, dafür, dass Vansen seine Ansichten vortragen kann, ohne dass ihn die erbitterten Gegner eines solchen Vorhabens, Seifensieder und der Zimmermann, daran hindern können. Jetter ist von den Ausführungen Vansens über verbriefte Privilegien der niederländischen Stände gegenüber ihrer Obrigkeit, die nach Ansicht Vansens auch die spanischen Krone binden würden, sichtlich beeindruckt, schließt sich aber der Umsturzstimmung nicht an, die sich unter der Mehrheit der versammelten Leute auf dem Platz vergleichsweise schnell verbreitet, ehe • Egmont mit seinem Gefolge selbst die Szene betritt.

Mit seinem Auftreten, der Versicherung, dem bilderstürmenden Mob in Flandern werde energisch Einhalt geboten, und der Aufforderung, Ruhe zu bewahren, kann • Egmont die Wogen wieder schnell glätten. Dass Egmont Jetter als den Mann, • sogar namentlich, wiedererkennt, der in seinem Auftrag Livreen angefertigt hat, schmeichelt dem Schneider gewiss. Zudem ist es wohl auch ein Grund dafür, dass sich Jetter einen Mann wie den • Grafen Egmont als Regenten wünscht, der sich zu alledem auch noch - ganz aus dem Blickwinkel des Schneiders gesehen, aber auch ohne Gespür dafür, dass • Egmont die neueste spanische Mode trägt - für den Lebensstil Egmonts erwärmen kann.

Bestärkt wird diese Einstellung aber noch durch die Ausführungen Vansens über die den niederländischen Ständen, nicht zu verwechseln mit dem Pöbel bzw. • "Pack". d. h. dem • "Volk, das nichts zu verlieren hat", (• Zimmermeister) oder den • "Tagdiebe(n)", • "Söffer(n" und • "Faulenzer(n)" (• Seifensieder), zustehenden Privilegien, die den niederländischen Adel in einem besonderen gegenseitigen Treueverhältnis zu den von den Bürgern repräsentierten Ständen gebunden sehen.

Am Beginn des 4. Aufzugs hat Margarete von Parma abgedankt und an ihrer Stelle ist Herzog Alba an der Spitze eines spanischen Heeres in Brüssel angekommen. Damit hat sich die Lage der Bürger, die darauf gehofft hatten, die insgesamt doch gemäßigte Regentin werde weiterhin die spanische Gegenreformation und Inquisition mildern, grundlegend geändert. So erfährt auch Jetter vom • Zimmermeister auf einem • Platz in Brüssel zu seinem Erschrecken von den neuesten Erlassen Albas, mit denen dieser die aufkeimende Opposition gegen die spanische Krone unterdrücken will. Allein schon der Gestus, mit dem die spanischen Truppen, die in den Augen Jetters •"Maschinen", gleichen, •"in denen ein Teufel sitzt", auftreten, macht ihm Angst. Als er dann noch vom dazukommenden Soest  erfährt, dass die • Regentin und Wilhelm von Oranien "weg" seien, ist dies für Jetter der Anfang vom Ende weiteren • Exekutionen. Nur, die Tatsache, dass • Egmont noch da sei, gibt ihm, wie auch den anderen eine gewisse Hoffnung. Als dann noch  • Vansen hinzukommt, • distanziert sich Jetter sofort von ihm und seinen vormals geäußerten aufrührerischen Ansichten. Er verwehrt sich gegen die Ironie, mit denen Vansen die Kleinmütigkeit und das Duckmäusertum der Bürger kritisiert und glaubt, trotz der Prophezeiungen Vansens, dass auch Egmont das Opfer Albas werden könne, weiter an die Gerechtigkeit und damit an die Tatsache, dass dem • rechtschaffenen Grafen Egmont als • Ritter des Ordens vom heiligen Vlieses von den Spaniern keine Gefahr drohe. Dieses Narrativ, wonach Egmont •"so sicher wie der Stern am Himmel", das mit Egmonts Selbsteinschätzung korrespondiert, ist auch er trotz der Einwände Vanses, mit denen dieser verdeutlicht, dass die • Justiz und Inquisition noch jeden zu Fall gebracht habe, nicht bereit aufzugeben. Auch Vansens Ratschlag, jetzt erst einmal innezuhalten und abzuwarten, bis Alba, wie alle Statthalter, sich, weil ihm seine eigenen persönlichen Interessen schon bald wichtiger sein würden als die der spanischen Krone, sich beruhigen werde, kann er wenig abgewinnen. Egmont ist und bleibt seine einzige Hoffnung in einer ansonsten aussichtlosen Lage, auch wenn er, wie alle anderen offenbar • nicht bereit wäre, Leben und soziale Existenz für den "Volkshelden" Egmont einzusetzen, wenn er von den Spaniern verhaftet würde.

Zu Beginn des • 5. Aufzugs ruft • Klärchen auf einer • Straße (V,1) nach der Verhaftung • Egmonts auf Veranlassung von • Herzog Alba die Bürger Brüssels auf, Egmont, dessen Leben sie unmittelbar bedroht sieht, aus dem Gefängnis zu befreien, findet aber keinerlei Gehör. Dabei ist es ausgerechnet Jetter, der Vansen früher auf seine Frage, ob er bereit sei, im Falle der Verhaftung Egmonts seine "Rippen für ihn (zu) wagen" (IV,1), schon ausweichend geantwortet hatte, der jetzt überhaupt nichts mehr davon wissen will und schon fürchtet, dass das Aussprechen des Namens von Egmont in der Öffentlichkeit, von den Spaniern als Aufruhr ausgelegt, • tödliche Konsequenzen haben könne. Als er und die anderen von Klärchen, in der Hoffnung die Bürger doch noch zur gewaltsamen Befreiung Egmonts zu bewegen, daran erinnert wird, wie sie ihrem vordem bewunderten "Volkshelden" ihre Referenz erwiesen haben, fordert Jetter von Brackenburg, die enttäuschte und über die Reaktion der Bürger verzweifelte junge Frau endlich zum Schweigen zu bringen und beiseite zu schaffen, ehe die auf dem Platz zusammengekommenen Bürger sich wieder verlaufen, um nicht den geringsten Anschein zu erwecken, sie könnten irgendwie zur Tat schreiten.

Dass Jetter sein Fähnchen nach dem Wind hängt und mit verschiedenen Bekundungen von einem der entschiedensten Anhänger Egmonts, solange er an die Chance glaubt, dieser könne alles im Sinne der Bürger richten, zum Sprecher aller derjenigen wird, die aus Angst vor den Spaniern sich ganz so, wie früher einmal von • Vansen beschrieben, im Grunde jedes "Regiment" sich "schalten und walten" lassen, "wie es kann und mag" (II,1), solange es ihnen nicht an die wirtschaftliche Existenz geht. Dabei zeigt sich Jetter von Anfang an als derjenige unter den Bürgern, den seine Ängste immer wieder zu düsteren Vorahnungen verleitet und von daher bedarf es auch keiner "Wandlung", wenn er am Ende als Wortführer der Bürger dasteht, die sich von Egmont distanzieren und sich der spanischen Herrschaft offenkundig weiter unterwerfen.

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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 29.01.2024

  
 

 
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