▪
Motive der
Literatur
▪
Überblick
▪ Stoff - Thematik - Motiv
▪ Motivtypen
▪ Farbsymbole /
Farbmotive
Motiv des Lichts
▪
Verschiedene literarische
Beispiele
Das Motiv des Geldes (und des Reichtums) gehört zu den
wichtigsten Motiven von
Lessings Drama "Nathan
der Weise".
Für Demetz (1984, S. 200) demonstriert "die merkwürdige Geld-Metaphorik",
"wie energisch die conditions den Charakter durchfärben."
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Nathans Reichtum kommt in dem Gespräch zwischen
Daja
und dem
Tempelherrn
zur Sprache (I,6
V 739). Dabei zeigt sich Daja verwundert, dass Nathan für die Juden
vor allem als Weiser gelte und nicht als jemand der unsagbar reich sei.
Der Tempelherr erklärt sich dies damit, dass Reichtum (wohl als Folge
von Geschäftstüchtigkeit) und Weisheit für die Juden wohl Vor- und
Kehrseite derselben Medaille seien: "Seinem Volk ist reich und weise /Vielleicht das nämliche."
(I,6
V 741) In ihrem Gespräch mit dem Tempelherrn macht Daja genauere Angaben darüber, mit welchen Reichtümern
die 20 hochbeladenen Kamele mit Nathan von seiner Reise nach Babylon
zurückkehren.
(I,6
V 732) "Mit zwanzig hochbeladenen Kamelen,/ Und allem, was an edeln
Spezereien,/ An Steinen und an Stoffen, Indien/ Und
Persien und
Syrien,
gar Sina,/Kostbares nur gewähren."
-
Auch
Al-Hafi und
Sittah sprechen in
II,2 V 1049 über die Attribute "reich" und "weise", die Nathan
zugeschrieben werden.
-
Sittah berichtet
Saladin über den sagenhaften Reichtum
Nathans, um dessen
Entstehung sich offenbar die seltsamsten Geschichten ranken. So schließt
sie sich offenbar, womöglich aus taktischen Gründen, der Volksmeinung
an, Nathan habe sich Zugang zu den Gräbern der biblischen Könige David
und Salomon verschafft. Von dort bringe er immer wieder unermessliche
Reichtümer nach Jerusalem. (II,3
V 1101ff.) Als Saladin sich gegen eine solche "Verschwörungstheorie"
verwehrt ("Narren lagen da begraben,
II,3 V 1111), räumt sie ein, dass Nathans Reichtum noch viel größer
sei, als dass man ihn mit der damit unterstellten Plünderung der Gräber
der biblischen Könige erklären könne. Saladin verweist die Gerüchteküche
um die Gräber ins Reich der Märchen. Dabei steht dem kompetenten
Zuschauer/Leser wahrscheinlich vor Augen, wie es »Ali
Baba im Märchen aus der Geschichtensammlung »Tausendundeine
Nacht mit dem Lösungswort "Sesam öffne
dich" gelingt, das Felsentor zu öffnen und damit Zugang zur
Schatzkammer zu erlangen. Weniger bekannt, aber immerhin auch ein
Verweis in das Gebiet von Sagen und Mythen gehört wohl die Darstellung
der Sage, dass auch
Herodes
(73 v. Chr. - 4 v. Chr.) die Gräber übernatürlicher Kräfte wegen
verschlossen geblieben seien.
-
Im selben Gespräch mit Saladin teilt Sittah unter Berufung auf
entsprechende Angaben Al-Hafis ihrem Bruder mit, dass Nathans
"unerschöpflicher Reichtum", darin zu sehen sei, dass seine Saumtiere,
auf allen Straßen, durch alle Wüsten unterwegs seien und seine Schiffe
in allen Häfen lägen. (II,3
V 1116) Dass man mit Handel in großem Stil reich wird, verwundert
Saladin indessen nicht (II,3,
V 1115).
Demetz
(1984, S. 200) betont im Vergleich Saladins und Nathans Verhältnis zum
Geld, dass jener "auf der feudalen Verachtung des leidigen Geldes" beharre,
während dieser "sein Kapital als selbstverständliches Instrument der
Lebensbeherrschung" nutze, wenn er z.B. Dajas Schweigen erkauft, den
Tempelherrn ebenso wie den Klosterbruder reich entlohnen will.
Für
Barner u. a. (1987, S.327) "verbinden sich zwar 'Kommerz und
Religiosität' (Demetz, S.143ff.), doch bewahrt während des ganzen Stücks das
ethisch-karitative Moment vor dem merkantilen den Vorrang."
Saladin und das Geld
Saladins Verhältnis zum Geld ist nach
Barner u. a. (1987, S.327) das eines "feudale(n) Geldverächter(s)", der
durch Al-Hafis Indiskretion (II,2)
"von ganz bürgerlich-hausväterlichen Geldsorgen" überrascht wird.
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Beim Schachspiel mit Sittah zeigt sich Saladin von seiner
verschwenderischen Seite. Für ihn spielt es keine Rolle, ob und wie viel
er beim Spielen an seine Schwester Sittah verliert und ohne jede
Kenntnis seiner Finanzklemme Al-Hafi auffordert, an seine Schwester
deshalb 1000 Dinare auszuzahlen. (II,2
V 919) Diese hat seit einiger Zeit die Kosten für die Hofhaltung aus diesen vermeintlichen Gewinnen und
anderem ihr zustehenden Vermögen bestritten. (II,2
V 977)
-
In Saladins Welt des orientalischen Despotismus hat Sklaverei ihren
selbstverständlichen Platz. So berichtet Sittah ihrem Bruder, dass sie
gerade eine Sängerin gekauft habe. (II,3
V 1142f.)
-
In seinem Gespräch mit Sittah über das bevorstehende Treffen mit
Nathan äußert sich Saladin in seiner typischen Art über die Bedeutung
des Geldes, um das zu kümmern, für das sich gegenüber Nathan mit
Verstellung und List ins Zeug zu legen, für ihn eigentlich unerträglich
ist. (III,4
V 1740ff.)
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Als Nathan im Zuge
ihres Gesprächs miteinander die Freundschaft des Sultans gewinnt (III,7),
will Saladin selbst offenbar, aller Absprachen mit Sittah und
insbesondere seiner finanziellen Misere zum Trotz offenbar nicht mehr
ansprechen, dass er von Nathan Geld für seine Kriegskasse und seine
Hofhaltung benötigt. Vielleicht aber kommt ihm Nathan mit seinem Angebot
aus freien Stücken, ihm Kredit gewähren zu wollen, aber auch einfach nur
zuvor. (III,7
V 2066-2086)
Bezeichnenderweise verliert Saladin aber kaum Worte, als Nathan ihm
ankündigt, seine Kriegskasse auffüllen zu wollen. Allein der Einwand,
dass Nathan (als Geschäftsmann) doch wohl nicht auch die Gegenseite
unterstütze, dient ihm als Kommentar für den ihm von Nathan (untertänigst)
gewährten (Freundschafts-)Dienst.
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Von der Menge Geldes, das ihm
Sklaven in zahlreichen Beuteln (IV,3
Nebentext) von Nathan bringen (IV,3),
ist Saladin sichtlich überrascht. Er überlegt, wie er das Geld verwenden
will. Dabei kommt er zum Schluss, dass die Hälfte des Geldes, zumindest
so lange, bis die von ihm erwarteten Tribute aus Ägypten einträfen,
seinem Schatzmeister Al-Hafi zu übergeben, von dessen Flucht an den
Ganges er offenbar noch nichts weiß. Dabei ist er sich bewusst, dass ihm
dieses Geld aufgrund seiner bisher stets gezeigten Freigiebigkeit
gegenüber den Armen bald wieder aufgebraucht sein könnte. So überlegt er
für einen kurzen Augenblick, ob der diesen Teil des Kredits von Nathan
doch seinem Vater in den Libanon senden soll, nimmt er wieder davon
Abstand. Stattdessen zeigt er sich fest entschlossen, seine
Mildtätigkeit gegenüber den Armen zunächst einmal einzustellen und sie
bis zum Eintreffen der Tribute ihrem Schicksal zu überlassen. Dabei geht
er zwar offenbar davon aus, dass dies bald der Fall sein müsste,
angesichts der politischen Lage ist dies indessen keineswegs sicher. Das
Eingeständnis immerhin, dass ihm das Geld andernfalls "doch nur durch
die Finger [fällt]" (IV,3
V 2607) zeigt, dass er seine finanziellen Belange angesichts der
unsicheren politischen Lage auch strategisch-taktischen Überlegungen
unterzuordnen weiß. Die christlichen Pilger jedenfalls sollen, soweit
sein weiteres Bemühen um die Fortsetzung des Waffenstillstandes mit den
Kreuzrittern, in jedem Fall weiter mit Spenden am Grab Christi versorgt
werden. Die andere Hälfte der von Nathan eintreffenden Gelder, so ordnet
der Sultan an, sollen seiner Schwester Sittah zufließen, die schon
seit einiger Zeit "aus eigener Tasche"
die Hofhaltung Saladins bestritten hat. (II,2
V 977) "Mach
dich davon bezahlt" (IV,3
V 2616) weist er seine Schwester im gleichen Gestus an, wie er
Al-Hafi zur Auszahlung des Spielgewinns an sie zuvor befohlen hat. (II,2
V 919) Spielschulden sind
Ehrenschulden, sagt eine Redensart und für wen sollte sie mehr
gelten als für einen für seine Verschwendung und seine Mildtätigkeit
gleichermaßen bekannten Sultan! Die Armut, ließe sich sarkastisch
anschließen, wird es verstehen.
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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
26.04.2021
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