Die ▪
Theorie
der propositionalen Repräsentation mit ihrem ▪
amodalen, d.h. von den konkreten Sinnes- bzw.
Wahrnehmungseindrücken abstrahierenden Symbolsystem ist
nicht unbestritten geblieben. So ist deren Postulat, Menschen
könnten keine bildhaften Vorstellungen in Form eines perzeptuellen Eindrucks
speichern und bei ihrem Erinnern darauf zurückgreifen können,
grundlegend kritisiert worden. (vgl.
Anderson 72013, S.102) So hat »Lawrence
W. Barsalou (geb. 1951)
(1999)
mit seiner
Theorie der
perzeptuellen Symbolsysteme (Wahrnehmungssymbolsysteme, »Perceptual
Symbol Systems Theory) eine andere Theorie entwickelt.
Die Theorie der
dualen Kodierung
Die Vorstellung eines
modalitätspezifischen perzeptuellen Symbolsystem, wie
sie Barsalou entwickelt, schließt dabei an die Theorie
der dualen Kodierung (»Dual
coding theory) von »Alan
Paivio (1925-2016) (1971,1977)
an. Diese läuft im Kern darauf hinaus, dass wir eine multimedial
(also z. B. über akustische und visuelle Signale gleichzeitig)
präsentierte Information besser und dauerhafter verarbeiten
können, was der Theorie auch die vereinfachende Bezeichnung
Multimediaprinzip
eingebracht hat. Allerdings kommen dabei Aufmerksamkeitsprozesse
wohl zu kurz
Duale Kodierung besagt, dass Bilder und Sprache in voneinander
unabhängigen, aber auf vielfältige Weise miteinander in Verbindung
stehenden symbolischen Systemen verarbeitet werden. So betrachtet, werden
Bilder also autonom und unabhängig vom Sprachsystem verarbeitet. Dies
geschieht bei Bildern eher holistisch-analog und nach einer räumlichen
Logik, während
sprachliche Informationen sequenziell und nach logisch analytischen Regeln
verarbeitet werden. (Paivio
1977;
Kroeber-RIel 1993,
Schierl 2001, S.202). Darum
besitzen Bilder empirischen
Untersuchungen zufolge auch einen außerordentlich hohen
Wiedererkennungswert. (vgl.
u. a.
Paivio 1971) Diese als "Picture
Superiority-Effect" bezeichnete Erscheinung kann, so
Paivio (1977), darauf
zurückgeführt werden, "dass der sprachliche Kode in einen bildlichen
übersetzt werden kann und umgekehrt. Bilder werden diesem Ansatz nach
besonders leicht doppelt kodiert und deshalb auch besonders leicht in das
Gedächtnis übernommen." (Schierl 2001,
S.202)
Hinzu kommen noch weitere Gesichtspunkte, die die Verarbeitung von
Bildern beeinflussen:
-
Je konkreter bzw. realistischer ein Bild ist, desto besser und
langfristiger wird es behalten.
Daraus folgt, dass man ein reales Objekt besser behalten kann als ein
Farbfoto davon, ein Farbfoto davon besser als einen Schwarzweißabzug und
ein Schwarzweißfoto besser als eine stilisierte Illustration.
-
Je "lebendiger" (Vividness) die erzeugten
inneren Bilder sind, um so leichter und dauerhafter werden sie behalten.
Um diese Lebendigkeit zu erzeugen, müssen die die Bilder, die wir
wahrnehmen, "besonders assoziationsreich, gestaltfest und eigenständig -
also anders als die anderen - sein" (Kroeber-Riel/Weinberg
1999, S. 344)." (Schierl 2001,
S.202)
Die Theorie der
modalitätsspezifischen perzeptuellen Symbolsysteme
Während die
▪ amodale Theorie der
propositionalen Repräsentationen davon ausgeht, dass
Bedeutungen in einem
Top-down-Prozess über die in abstrakten ▪
Konzepten
gemachte Sinneserfahrungen begrifflich
abstrakt repräsentiert werden, kann unser kognitiver Apparat nach Barsalou eben auch Wahrnehmungseindrücke, d. h. nicht nur
Begriffe (abstrakte Konzepte), sondern auch ▪
Kategorien
(konkrete Einzelheiten, Details) in Form eines
Bottom-up-Prozesses verarbeiten und zur Repräsentation
nutzen. Je häufiger man solche Sinneseindrücke (als konkrete
Kategorien) speichert, desto fester und wirkungsvoller wird das
entsprechende multimodale Muster, das damit unterschiedliche
Erfahrungen integrieren kann. (vgl. »Wikipedia,
engl.)
So hat man im
Anschluss mit verschiedenen Experimenten zeigen können,
dass wir z. B. beim Verstehen von Sätzen, durchaus auch auf eine
perzeptuelle Interpretation des Textes zurückgreifen, Bedeutung
also auch "in einer reichhaltigen Anordnung perzeptueller
Merkmale repräsentiert ist." (Anderson 72013,
S.103) Insofern ist also wohl davon auszugehen, dass wir neben
dem amodalen auch über ein
modalitätspezifisches perzeptuelles Symbolsystem
verfügen.
Das "Nagelexperiment" von
Stanfield/Zwaan (2001) förderte dazu interessante
Ergebnisse. Dabei wurden Versuchsteilnehmerinnen* ein Satz zu
lesen gegeben, in dem entweder davon die Rede war, dass ein
Nagel horizontal in die Wand oder in vertikaler Ausrichtung in
den Boden gehämmert wurde. Später zeigte man ihnen Abbildungen
eines Nagels, die diesen entweder in vertikaler oder
horizontaler Ausrichtung zeigten. Hatten die
Versuchsteilnehmerinnen* einen den Satz mit dem
Nagel-in-die-Wand-Schlagen gelesen, erkannten sie die Abbildung
des horizontalen Nagels schneller. Genauso verhielt es sich,
wenn sie den Satz mit dem Nagel-in-den-Boden-Hämmern vor der
Präsentation des Nagels gelesen hatten. Auch in diesem Fall
erkannten sie den vertikal ausgerichteten Nagel schneller. Die
interessante Schlussfolgerung daraus: "Ihre Interpretation des
Satzes (schien) dieses perzeptuelle Detail zu enthalten", da sie
schneller antworteten, "wenn die in dem Satz implizit
wiedergegebene Ausrichtung mit der Ausrichtung des Bildes
übereinstimmte. (vgl.
Anderson 72013, S.102)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
17.12.2023
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