In der
Alltagssprache, in der wir den Begriff wohl eher selten zu lesen
oder zu hören bekommen, haben wir doch auch ein Verständnis von
dem, was wissenschaftlich als Proposition bezeichnet wird. Ganz
allgemein kann man darunter nämlich etwa Aussage verstehen.
Alltagssprachlich kommt dem Begriff wohl auch nahe, wenn wir von
der Bedeutung von Sätzen oder Bildern sprechen. Das entspricht
auch in etwa dem, was viele Menschen erleben, wenn sie sich an
irgendetwas erinnern. Gewöhnlich sind nämlich solche Erinnerungen nicht
genau das, was man gesehen oder gehört hat mit allen seinen
Details, sondern nur eine abstrahierte Vorstellung davon, und
das ließe sich dann als seine (abstrahierte) Bedeutung verstehen.
In der ▪
Kognitionspsychologie bedeutet der
Begriff durchaus Ähnliches. So versteht Anderson (72013, S.99) unter Proposition "die
kleinste Wissenseinheit, die eine selbständige (das heißt von
anderen Wissenseinheiten unabhängige) Aussage bilden kann. Damit
ist die Proposition die kleinste Einheit, die sich sinnvoll als
wahr oder falsch beurteilen lässt."
Die
Vorstellungen von der Existenz von Propositionen ist dabei
natürlich selbst ein Konstrukt, das dazu dient, bestimmte
Beziehungen zwischen den Elementen dieser kleinsten
Wissenseinheit, in der Regel in Form von Sätzen, darzustellen.
Damit kann man eine Vorstellung davon entwickeln, wie die Bedeutung
einer bestimmten Information, die ja gerade nicht ihrem
(ursprünglichen) Wortlaut oder als Bild mit allen Details in unserem kognitiven System
verarbeitet oder gespeichert werden kann, beschrieben und
erfasst werden kann. Wer die Bedeutung des Satzes "Das Haus ist
schön" nämlich dadurch erfassen und beschreiben wollte, dass er
sagt, die Bedeutung des Satzes sei eben "Das Haus ist schön" ist
ja schließlich nicht weiter gekommen.
Um
Propositionen zu erfassen, benutzt man ein besonderes ▪ Notationssystem.
Die Vorstellung
der propositionalen Repräsentation geht davon aus, dass ihre
Elemente keine unmittelbaren
perzeptuellen Wahrnehmungseindrücke
hinterlassen. Egal also, ob wir ein Bild ansehen oder eine
bestimmte Wortfolge in unserem kognitiven System verarbeiten:
stets handelt es sich dieser Theorie nach um eine von den
konkreten Einzelheiten des
Perzepts (Wahrnehmungseindruck)
abstrahierte Repräsentation der Bedeutung bzw. des Sinns.
Insofern stellen propositionale Repräsentationen auch ein
amodales Symbolsystem dar. (vgl.
Anderson 72013, S.102). Ihre grundlegende Annahme
besteht darin, dass jeder
Reiz (Sinneseindruck), den wir
verarbeiten, in eine abstrakte Repräsentation ihrer Bedeutung
überführt wird und wir zugleich über effiziente Systeme
verfügen, mit denen wir diese Abstraktionen auch wieder
zurückkonvertieren können.
Wie das funktioniert, kann man sich
etwa so vorstellen:
-
Wer ein bestimmtes mentales Bild dazu nutzen
will, um eine Handlung auszuführen, muss zunächst die visuelle
Repräsentation dieses Bildes in eine abstrakte Repräsentation
ihrer Bedeutung überführen.
-
Erst dann kann diese abstrakte
Bedeutung in eine motorische Repräsentation konvertiert werden
und damit Grundlage unseres Handelns. Alles geht also über eine
Art Vermittlungsinstanz, so wie es die Theorie der
propositionalen Repräsentation vorsieht. (vgl.
ebd.,
S.104)
Für größere Ansicht bitte an*klicken*tippen!
Wie bei vielen
kognitionspsychologischen Theorien und Modellen ist aber gerade
der Ausschluss der Vorstellung, Menschen könnten keine
bildhaften Vorstellungen in Form eines perzeptuellen Eindrucks
speichern und bei ihrem Erinnern darauf zurückgreifen, neben
anderen Aspekten nicht unbestritten geblieben.
So hat »Lawrence
W. Barsalou (geb. 1951)
(1999)
mit seiner
▪
Theorie der
perzeptuellen Symbolsysteme (Wahrnehmnungssymbolsysteme, »Perceptual
Symbol Systems Theory) eine andere Vorstellung entwickelt.
Die Vorstellung eines
modalitätspezifischen perzeptuellen Symbolsystem
schließt dabei an die manchmal auch vereinfachend als
Multimediaprinzip
bezeichnete Theorie
der dualen Kodierung (»Dual
coding theory) von »Alan
Paivio (1925-2016) (1971,1977)
an, die im Kern darauf hinausläuft, dass wir eine multimedial
(also z. B. über akustische und visuelle Signale gleichzeitig)
präsentierte Information besser und dauerhafter verarbeiten
können. Allerdings müssten dabei wohl Aufmerksamkeitsprozesse stärker
berücksichtigt werden.
Während die amodale Theorie der
propositionalen Repräsentationen davon ausgeht, dass
Bedeutungen in einem
Top-down-Prozess über die in abstrakten ▪
Konzepten
gemachten Sinneserfahrungen begrifflich
abstrakt repräsentiert werden, kann unser kognitiver Apparat nach Barsalou eben auch Wahrnehmungseindrücke, d. h. nicht nur
Begriffe (abstrakte Konzepte), sondern auch ▪
Kategorien
(konkrete Einzelheiten, Details) in Form eines
Bottom-up-Prozesses verarbeiten und zur Repräsentation
nutzen. Je häufiger man solche Sinneseindrücke (als konkrete
Kategorien) speichert, desto fester und wirkungsvoller wird das
entsprechende multimodale Muster, das damit unterschiedliche
Erfahrungen integrieren kann. (vgl. »Wikipedia,
engl.)
Noch weiter als die ▪
Theorie der
perzeptuellen Symbolsysteme geht die
▪
Theorie der
verkörperten Kognition (»embodied
cognition), die den Anteil der motorischen Aktionen und ihre
Verknüpfung mit der Umwelt betont. Sie wird auch als ▪
Embodiment-Theorie
bezeichnet.