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Beilhardt u. a. (1975) unterscheiden auf der Basis des sozialen Gestus
der Sprache und der in ihnen wirksamen kommunikativen Handlungen sieben
verschiedene "empirische Grundformen (Typen) des Gesprächs sowie der Dialoge
im Drama ("Strukturen der Kommunikation", ebd. S. 13).

Dabei gehen sie davon aus, dass die "Formen des Dialogs als Formen
sprachlichen und literarischen Vermittlung des »zwischenmenschlichen Bezugs«
(...) zugleich auf die historisch und gesellschaftlich gegebenen
Bedingungen, Möglichkeiten und Formen der wirklichen gesellschaftlich
Gespräche und Gesprächabläufe (verweisen)."
Aus diesem Grund reicht ihrer Ansicht nach die Analyse der sprachlichen Kommunikation
im Drama auch über die Gattung hinaus. Denn "Dialoge im Drama (können) als
Modelle der sprachlichen Kommunikation gelten und auf dieser Ebene auch der
Erforschung realer Kommunikationsprozesse dienen." (ebd., S.6)
Auch wenn die
Autoren die "zu bedenkenden Eigengesetzlichkeiten" der literarischen Form
und Gattung einräumen, kann diesem Urteil, insbesondere unter
gesprächsanalytischer Sicht, so nicht ohne Weiteres zugestimmt werden. Denn
literarische Dialoge wie z. B. die dramatische Rede, sind immer
"künstliche" Gespräche, auch wenn sich mitunter Annäherungen an die
gesprochene Sprache einer bestimmten Zeit aufzeigen lassen.
Dies kommt vor
allem dann vor, wenn eine umgangssprachliche Gestaltung der dramatischen
Rede aus dramaturgisch-dramentheoretischen Gründen angestrebt wird (z. B. im
naturalistischen Drama). (vgl.
Brinker/Sager 1989, S.13). (»Gesprächsanalyse
-
Überblick)
Verhör-
gespräche |
Gestus des Verhörens |
-
Modus der asymmetrischen Kommunikation von
vornherein festgelegt
-
Geltungsansprüche unterliegen den
institutionellen Bedingungen und den Randbedingungen des Verhörs
-
Umrisse herrschaftsgebundener
Kommunikation sichtbar
-
Rollentausch von Verhörendem und Verhörtem
höchstens vorübergehend möglich
|
Interview-
Gespräche |
Gestus des Befragens und Erkundens |
-
Inhaltsaspekt im Vordergrund der
Kommunikation
-
Sprecherbeziehung prinzipiell symmetrisch
-
aber: Annäherung an Verhörgespräch
möglich, "sobald der Fragende in seiner Art des Fragens bestimmte (von
verdeckt gewollte) Antworten unterstellt." (ebd., S. 13)
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Enthüllungs-
gespräche |
Gestus des wechselseitigen zudringlichen
Enthüllens, Entlarvens, Demaskierens |
-
häufig rückwärts gerichtet, da das zu
Enthüllende meist in der Vergangenheit liegt
-
Beziehungsaspekt meist im Vordergrund
-
inhaltlich borniert, ohne Anspruch auf
inhaltliche Klärung mit wechselseitigem Vorwurf des
Nicht-verstehen-Wollens
-
(unversöhnliche gestaltete) symmetrische
Struktur in wechselseitiger Selbst-Behauptung mit symmetrischer
Eskalation
|
Zerstreute und zerfallene
Gespräche |
Gestus der Beziehungslosigkeit und der
Zusammenhanglosigkeit: des Aneinander-vorbeiredens |
-
Aneinandervorbeireden, das den
Beziehungsaspekt der Kommunikation negiert
-
Inhaltliche Verständigung über
Sachverhalte misslingt angesichts unterschiedlicher Voraussetzungen
der Sprecher
-
Symmetrie der Gesprächszerstörung,
Symmetrie der Sinn-Aufspaltung („absurdes Gespräch“)
-
z. T. dennoch
sehr wortreich gestalteter Verständigungs- und Beziehungsleerlauf
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Einschüch-
terungs-
gespräche |
Gestus des sprachlosen / sprachohnmächtigen
Befehlens und Bestrafens |
-
herrschaftsorientierte asymmetrische
Kommunikationsstruktur
-
Einseitige Geltung und einseitige
Geltungsansprüche ohne Begründungen und Einspruchsmöglichkeiten
-
Ursache häufig „gesellschaftlich
bedingte Sprachohnmacht“ (= fehlende Sprachkompetenz)
-
Geltungsansprüche werden oft mit nonverbalen Mitteln (z. B.
körperliche Gewalt) zum Ausdruck gebracht
|
Entscheidungs-
gespräche |
Gestus des Sich-Entscheidens als Ergebnis
eines zugleich intersubjektiv und reflexiv geführten
Kommunikationsprozesses |
-
prozesshaft nach vorne gerichtet
-
Einstellungs- und Verhaltensänderung
zumindest eines Sprechers ermöglicht Entscheidung
-
meist Inhaltsaspekt dominierend; aber auch
nur scheinbar argumentativ möglich, wenn die Beziehungen der
Gesprächspartner die Inhaltsseite überlagern
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Diskurs-
Gespräche |
Gespräche mit einer deutlichen Tendenz zum
Diskurs |
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Gestaltung idealer Sprechsituationen meist
nur in literarischen Modellen gegeben
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literarische Modelle mit didaktischer
Funktion: "theoretische Befähigung zum Diskurs (als Voraussetzung für
den praktischen Diskurs) aufgrund kritischer und selbstkritischer
Überprüfung der Bedingungen, Möglichkeiten und Schwierigkeiten
sprachlicher Kommunikation (d. h. Überprüfung vor allem der
Bedingungen der Diskurs-Verhinderung)." (ebd., S.15)
|
(vgl.
Beilhardt u. a. 1975 , S. 13-15)
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Gert Egle. zuletzt bearbeitet am:
20.04.2021