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Weitererzählen als kreative Schreibaufgabe der
Abschlussprüfung in der Kaufmännischen Berufsschule (BAWü)
Die
folgende Weitererzählung
ist als •
Anschlusserzählung eine • Musterlösung zum
• Weitererzählen einer Geschichte
(• Beispiel
1) in der (schriftlichen)
Abschlussprüfung in der Berufsschule (Kaufmännische Berufe)
im Fach Deutsch
(Baden-Württemberg) auf der Grundlage des folgenden
Ausgangstextes und des nachfolgenden Erzählplanes verfasst worden.
Ausgangstext
Seit sie ein Baby gewesen war, hatte Katja den Duft frisch gebackener
Brötchen stets in der Nase behalten, der, noch ehe das Tageslicht zu dämmern
begann, von der Backstube im Erdgeschoss in ihr Zimmer oben unterm Dach
hinaufzog. Seit 2 Jahren war sie schon von Zuhause fort und studierte
Betriebswirtschaft an der Fachhochschule der 80 Kilometer entfernten
Großstadt. Jetzt war sie übers Wochenende wieder einmal nach Hause gekommen,
weil ein großes Familienfest anstand. Ihr Vater wollte seinen 65. Geburtstag
ganz groß feiern. Schon ihr Ururgroßvater, sein Bild hing immer noch unten
im Verkaufsraum, hatte die Bäckerei gegründet, der auch die unweit davon neu
eröffnete Schnellbäckerei einer bekannten Backwarenkette, wenig anhaben
konnte. Noch jedenfalls blieben die Kunden der altbekannten Bäckerei treu.
Seit der Gründung der Bäckerei hatte stets einer der Söhne, meistens der
älteste davon, den Traditionsbetrieb, zu dem inzwischen ein kleines Stehcafé
hinzugekommen war, übernommen und fortgeführt. Jetzt aber war alles anders.
Ihr einziger Bruder, der seine Meisterprüfung sogar als Innungsbester schon
vor zwei Jahren abgeschlossen hatte, war vor einem halben Jahr mit seinem
Motorrad schwer verunglückt und saß seitdem mit einer Querschnittlähmung im
Rollstuhl. Katja spürte genau, was das für ihren Bruder und ihren Vater
bedeutete. ...
Auf der Grundlage des folgenden
• Erzählplans ist die nachfolgende
Weitererzählung der Geschichte entstanden:

Die Pläne, die beide für die Zukunft geschmiedet hatten, waren wie
Seifenblasen geplatzt. Ihr Bruder Clemens würde sein Leben lang auf den
Rollstuhl angewiesen sein. Er konnte so jedenfalls nicht als Bäcker
arbeiten, wie sich Vater und Sohn das ausgemalt hatten. Für die beiden stand
fest, dass der Familienbetrieb aufgegeben werden würde. Dass sie dafür in
Frage kommen könnte? Auf die Idee war bisher keiner gekommen. Katja hatte
sich allerdings schon ihre Gedanken gemacht und wollte ihren Vater damit an
seinem bevorstehenden Geburtstag überraschen.
Seit sie zu Hause war, hatte keiner das Thema angesprochen, das wie ein
Schatten über dem Geburtstagsfest ihres Vaters lag. Katja merkte nur, dass
ihr Vater auch beim ersten gemeinsamen Abendessen seit langem noch
einsilbiger als sonst war. Als Katja am nächsten Morgen mit ihrem Bruder
allein frühstückte, wollte sie wissen, was ihr Vater mit der Bäckerei
vorhatte. "Hat er dir nicht gesagt, dass sie verkauft werden soll, an
Back-to-Go, eine neue Backwarenkette?" gab ihr Bruder zur Antwort und sah
ihr traurig ins Gesicht. "Geht ja nicht anders, oder?" "Und wenn doch?",
entgegnete sie ihm, der aus dem Staunen nicht mehr herauskam, als seine
kleine Schwester mit ihren Plänen herausrückte. "Wir dürfen aber nicht so
weitermachen, wie bisher", betonte sie und berichtete in allen Einzelheiten
von ihrem Plan, die Bäckerei zu einem großen Bauernmarkt umzugestalten. "Die
Backwaren beziehen wir von dem Biobäcker in der Nachbarstadt und das Obst,
Gemüse, Käse und Wurst, alles Bio natürlich, aus der Region." Natürlich
hatte auch Clemens so seine Zweifel, ob das alles wirklich eine gute Idee
war, und vor allem, ob seine kleine Schwester so ein Projekt, das nur mit
Krediten zu finanzieren war, wirklich stemmen konnte. Das war Katja klar.
Aber als sie ihm sagte, dass sie mit ihm, der ja an den Rollstuhl gefesselt
war, bei ihrem Projekt Bauernmarkt fest rechnete, war er für die Sache
gewonnen. "Du könntest doch den Einkauf übernehmen", sagte sie zu ihm und
zauberte ihrem Bruder damit einen Glanz in die Augen, den sie seit einem
halben Jahr nicht mehr gesehen hatte.
Jetzt kam es darauf an, den Vater für die Sache zu gewinnen. Als Katja ihm
aber bei nächster Gelegenheit davon berichtete, bekam der einen roten Kopf
und lehnte alles rundum und barsch ab: "Das ist doch totaler Blödsinn“,
sagte er und wischte damit, wie immer, alles vom Tisch. Bis zu seinem 65.
Geburtstag am nächsten Tag blieb die Stimmung gereizt und auch das
Geburtstagsständchen, das Katja und ihr Bruder ihm am Morgen brachten,
konnte daran nichts ändern. Am späten Vormittag traf Onkel Erich ein, der
beim Festessen am Abend im „Ochsen“ nicht fehlen durfte. In einer günstigen
Minute zog ihn Katja beiseite und führte ihn in den Garten, wo ihr Bruder im
Rollstuhl auf sie wartete. Onkel Erich war er sofort begeistert von der
Bauernmarktidee: "Wisst ihr was, ich mache mit und beteilige mich, wenn ihr
wollt", sagte er sogar, "ich könnte euch auch einige gute Kontakte knüpfen."
Im "Ochsen" begann der Vater am Abend seine Rede vor den versammelten
Gästen. Erst ging es um seine Kindheit und Jugend und die Zeit nach dem
Krieg, dann über die Heirat und allmählich kam er auf die gute, alte Zeit
der Bäckerei zu sprechen, und das, wie er es nannte, "Unvermeidliche". Mit
Blick auf ihren Bruder stockte seine Stimme für einen Augenblick. "Halt,
Vater!“, rief Katjas Bruder in den Moment der Stille und rollte in die Mitte
des Saales, wo ihn alle hören und sehen konnten. "Katja und ich wollen etwas
sagen." Er winkte Katja zu sich herbei und alle Augen richteten sich auf
sie. "Lieber Papa", fing Katja an, "wir sind stolz auf dich, stolz darauf,
was du all die Jahre für uns getan und was du aus der Bäckerei gemacht hast.
Jeder kennt sie hier und jeder weiß, was sie dir bedeutet." Sie blickte zu
ihrem Bruder hinüber, der fortfuhr: "Katja und ich wollen, dass du dich
jetzt zur Ruhe setzen kannst. Und wir beide, ja wir beide, auch ich hier im
Rollstuhl, wollen zusammen dein Erbe antreten und in deinem Sinne
weitermachen: Gesunde Produkte anbieten für eine anspruchsvolle Kundschaft
..." Und so weiter, und so weiter. Ihr Vater ließ beide gewähren, hörte sich
alles an und ging dann wortlos durch die Türe nach draußen. "Ich hab’s ja
gewusst", schluchzte Katja, ehe sie sich mit ihrem Bruder wieder an ihre
Plätze zurückbewegte. Mit Tränen in den Augen sah sie gar nicht, wie Onkel
Erich ihrem Vater hinterher gegangen war. Die anwesenden Gäste schüttelten
den Kopf, tuschelten leise miteinander, warfen Katja und ihrem Bruder auch
mal ein paar aufmunternde Blicke entgegen, aber insgesamt stand in allen
Gesichtern eine große Ratlosigkeit.
Für Katja dauerte es gefühlt eine quälend lange Stunde, in Wahrheit wohl
nicht mehr als fünfzehn Minuten, bis ihr Vater und Onkel Erich wieder
hereinkamen und sich in der Mitte des Saals postierten. "Katja, Clemens,
bitte kommt noch mal her!", sagte der Vater. Als sie bei ihm angekommen
waren, überreichte er ihnen mit zittrigen Händen einen großen Briefumschlag
und machte mit den Worten kehrt: "Ich muss noch mal eben Luft schnappen."
Dann er ging hinaus auf die Terrasse. Katja öffnete den Briefumschlag, in
dem sich der Vertrag mit Back-to-Go befand. Sie blätterte auf die letzte
Seite. Keine Unterschrift ihres Vaters. Sie gab ihn ihrem Bruder, blickte
zum Fenster hinaus zu ihrem Vater und hörte neben sich, wie ihr Bruder den
Kaufvertrag zerriss. Dann kam ihr Vater zurück an die Tafel.
(1296 Wörter)
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Weitererzählen als kreative Schreibaufgabe der
Abschlussprüfung in der Kaufmännischen Berufsschule (BAWü)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
28.06.2024
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