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Surfbrett Weitererzählung
▪
Gestaltend
interpretieren
▪ Didaktische
und methodische Aspekte
▪
Überblick
▪
Schreibaufgaben
konzipieren
▪
Umfassende
Schreibaufgaben
▪
Beurteilung, Bewertung
und Benotung ▪
▪
Portfolioarbeit
▪
Erzähltexte gestaltend
interpretieren ▪
Überblick
▪
Einen Erzähltext
weitererzählen
Beim ▪
schriftlichen Weiterzählen von literarischen Vorlagen gelten im
Wesentlichen jene didaktischen und methodischen Überlegungen, die
auch beim
gestaltenden Schreiben und der fachspezifischen ▪
Erschließungsform,
dem ▪ gestaltenden
Erschließen, im Allgemeinen und beim ▪
gestaltenden
Interpretieren berücksichtigt werden müssen.
Dessen ungeachtet
soll an dieser Stelle auf den einen oder anderen Punkt besonders
hingewiesen werden. Das betrifft zunächst einmal die auch bei
solchen Schreibaufgaben nötige didaktische Reflexion.
Handlungstheoretische Konzepte und didaktische Reduktion
Zabka
(1995) kritisiert, dass im ▪
handlungstheoretischen Konzept des Literaturunterrichts die
Verfahren auf der Grundlage beobachtbarer äußerer Aktivitäten
eingeteilt werden. Stattdessen müsse sich der Fokus aber auf die
folgende Frage richten: "Welche Arten des Verstehens eignen sich
bei welchen Formen produktiver Textbehandlung?" (Zabka
1995, S. 132)
Damit fordert er
eine klare und fundiertere didaktische Reflexion ein, die er mit
einem Beispiel aus der schulischen Praxis im Kontext von
handlungsorientierten Schreibaufgaben beim ▪
Weitererzählen von Geschichten im
Literaturunterricht untermauert.
So ließen Lehrende dabei "den unterschlagenen Schluss einer Geschichte oft nur deshalb
schreiben, weil die Erzählung auf unterschiedliche Weise enden könnte
und Anlass zu der Hoffnung besteht, die Lerngruppe werde die Handlung
einigermaßen bereitwillig ausführen. Darüber hinaus wäre jedoch zu
unterscheiden, ob beim Zuendeschreiben erstens die Sachgehalte eines
Textes genau beachtet und verarbeitet werden sollen oder ob es zweitens
vor allem auf den weitergeführten Stil des Textes ankommt; ob drittens
primär deutlich werden soll, wie sich die Schreibenden einen Ort, eine
Person, eine innere Sichtweise usw. vorstellen, oder ob durch das
Ausdenken eines Schlusses die unterschiedlichen Auffassungen vom Sinn
einer Geschichte manifest werden sollen.« (Zabka
1995, S. 133) Seine
Kritik mag im Einzelfall angebracht sein, übersieht aber auch, dass
im Literaturunterricht eben nicht nur literaturdidaktische
Überlegungen, sondern auch andere, vielleicht allgemeinere
pädagogische Aspekte eine Rolle spielen, damit die
volitionale Bereitschaft
der Schülerinnen und Schüler, sich auf Lernen und Lernerfahrungen überhaupt
einzulassen, geschaffen werden kann..
Dennoch ist es wichtig zu sehen, dass mit diesem Beispiel darauf
hingewiesen wird, wie auch eine handlungsorientierte Aufgabe (z.B.
das Weitererzählen) nur auf der Grundlage eines "soliden Wissens über unterschiedliche Gruppen von
Textverstehensoperationen bzw. -zielen" (Winkler
2016, S.175) fachdidaktisch begründet werden kann. "Diese sind mit dem Wissen über
fachliche Gegenstände, also literarische Texte, ins Spiel zu bringen und
daraus – nicht zuletzt mit Blick auf die Lernenden, der im Beispiel
fehlt – Verstehensziele für den Literaturunterricht abzuleiten. Erst
unter Einbeziehung dieser Überlegungen kann man sich für das eine oder
andere handlungs- oder produktionsorientierte Verfahren und damit für
die Strukturierung des Unterrichts entscheiden." (Winkler
2016, S.175)
Modell der Didaktischen Reduktion
Die Kritik Zabkas und insbesondere
ihr Ruf nach tiefer gehender didaktischer
Reflexion und Rekonstruktion geht trotzdem nicht daneben. Sie
richtet nämlich den Blick auf die Komplexität und das
Aufeinanderbeziehen von fachwissenschafltichen Wissensbeständen und
ihrer didaktischen Strukturierung und damit letzten Endes darauf,
wie der Literaturunterricht das Spannungsverhältnis von
Fachwissenschaft und Anwendungs- bzw. Handlungsorientierung auflösen
sollte.
Als Möglichkeit
dazu bietet sich auch im Bereich des handlungsorientierten
Unterrichts, die Aufgaben im Lern-, Übungs- und Leistungsbereich
schulischen Lernens nach dem Modell der didaktischen Reduktion zu
entwickeln, bei der der Unterrichtsgegenstand durch das
wechselwirksame Aufeinanderbeziehen von "fachliche(r) Klärung,
Erfassung von Schülervorstellungen und didaktische(r)
Strukturierung" (Kattmann
u. a.
1997, S. 43 ) zu modellieren ist.
Mit Hilfe des von
Komorek/Fischer/Moschner (2013) entwickelten Modells, lassen
sich u. U. jene Brücken schlagen, welche die "Rekonstruktion", mit
ihrem "entschieden fachlichen Kern", "als harmonisierende Klammer
zwischen den Ansprüchen der Fachdidaktik, einerseits Wissenschaft
und andererseits Unterrichtsentwicklung" versteht.
Die daraus
resultierenden Brückenprinzipien sind indessen keine Rezepte für den
Umgang mit Texten. Sie wollen nicht als allseits und unmittelbar
umsetzbare Handlungsempfehlungen verstanden werden, mit denen
Erkenntnisse der Fachdidaktik mundgerecht und häppchenweise
umzusetzen sind. Und auf der anderen Seite darf dabei aber auch
nicht der Eindruck entstehen, "dass die im Deutschunterricht
gegebene Komplexität so reduziert wird, als könnte man ihr allein
durch den Import wissenschaftlicher Befunde beikommen." (Winkler
2016, S.173)
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Schreibaufgaben konzipieren
Eine zentrale
Rolle spielt auch beim schriftlichen Weitererzählen von
literarischen Vorlagen eine didaktisch gut konzipierte
Schreibaufgabe, aus der die Schülerinnen* ihre Schreibziele ableiten
können. Dabei sind Aufgabenstellungen, die
▪ Vorgaben zur Gestaltung und über die Bezüge zur literarischer
Vorlage machen, eindeutig zu bevorzugen, weil sie die Richtung
der produktiv-kreativen Textgestaltung ein Stück weit eingrenzen.
Leistungsstärkere Schülerinnen* können allerdings sicher auch mit
offeneren und allgemeiner gestellten Aufgaben wie "Erzählen Sie die
Geschichte weiter." etwas anfangen.
Grundsätzlich
muss es gelingen, auch Schreibaufgaben zum Weitererzählen durch
entsprechende Vorgaben auf unterschiedlichen ▪ Kompetenzstufen
zu modellieren.
Sich mit den Schülerinnen über Gütekriterien und die Textqualitäten
produktiv-kreativer Schreibprodukte verständigen
Grundlegend für die
Arbeit mit Weitererzählungen im Literaturunterricht ist, dass die
▪ Kriterien, nach denen die Güte einer Gestaltung eingeschätzt und
ggf. auch bewertet wird, transparent und nachvollziehbar sind.
Das ist gar nicht so einfach.
Dabei sollte man
sich nicht davon leiten lassen, jede Gestaltung "aus Respekt vor dem
'persönlichen Ausdruck' " (Abraham
2010, S.93) mehr oder weniger einfach stehen zu lassen, denn
auch beim Weitererzählen geht es auch "um die differenzierende
Wahrnehmung von Textqualitäten, nicht um die pauschale Würdigung von
Originalität." (Abraham
2010, S.93)
Eines aber wirkt sich meistens sehr schlecht auf Schülerinnen*
aus, die beim Weitererzählen einer literarischen Vorlage geglaubt haben, das
Wagnis kreativen Schreibens einzugehen: Wenn sie merken, dass
ihr notwendigerweise subjektiver Zugang zu einer literarischen
Textvorlage Opfer von "Geschmacksurteilen" beurteilender
Lehrkräfte wird, die nicht hinreichend berücksichtigen, dass
vor allem leistungsschwächere und mit dem kreativen Schreiben
nicht so vertraute und weniger "selbstvertraute" Schülerinnen*
gerne
auf "auf
episodisch gespeicherte Wissensbestände und Muster
(...) (z. B. Versatzstücke aus Büchern und Filmen" (Fix
2006/2008, S.117) aus ihren eigenen Lebenswelten zurückgreifen. Unter
einer
funktionalen Perspektive
bei der Beurteilung von
Schülerinnenleistungen* können aber gerade solche
Gestaltungen für die
Anschlusskommunikation in der Lerngruppe sehr förderlich
sein.
Zudem sollte auch nicht verkannt werden, dass gerade solche
Bezüge, wenn sie von einer entsprechend in der Jugendkultur
bewanderten Lehrperson gezielt genutzt werden, effektive
volitionale
und
motivationale Impulse für
▪ kreatives bzw.
gestaltendes Schreiben setzen können.
Der Umgang mit solchen Sichtweisen von Schülerinnen* auf die
Schreibprodukte, die sie beim Weitererzählen literarischer
Vorlagen
verfasst haben, hat für das Lehrerinnenverhalten* und die
Gestaltung der Lehrerrolle in solchen Schreibprozessen eine
Reihe von Konsequenzen. Dazu zählen u. a.
-
Die Lehrkräfte müssen den Schülerinnen an geeigneten ▪
Lern- und
Übungsaufgaben
ausreichend Gelegenheit geben, die Besonderheiten der
Schreibform, insbesondere den Spagat zwischen Textbindung
und kreativer Problemlösung auszuhalten, und ihre Lösungen
in einem förderlichen Lernklima in zahlreichen ▪
Feedbackprozessen (▪
Scaffolding,
Peer-Feedback) intersubjektiv zu erproben.
-
Ihre ▪
Lernberatung muss zum kreativen Schreiben ermutigen (encouragement)
und helfen, auch aus verschiedenen Gründen ins Stocken
geratene Schreibprozesse aufrechtzuerhalten.
-
Sie müssen
ihr Augenmerk vor allem auf ▪
prozessorientierte Schreibprozesse richten, die auf
teilweise bzw. schrittweise kooperativem Schreiben
beruhen, bei denen sich die jeweiligen Schreiberinnen* mit anderen
über textkompatible und plausible und doch
gleichermaßen kreative Problemlösungen verständigen können.Eine
Geschichte weitererzählen bedeutet nicht, dass die Geschichte zu
Ende geschrieben werden muss
Eine Geschichte weitererzählen bedeutet nicht, dass die Geschichte
zu Ende geschrieben werden muss
Schreibaufgaben, die den
Schreibauftrag formulieren: "Schreiben Sie die Geschichte zu Ende"
gibt es immer noch, obwohl vieles dagegen spricht.
Ihre Befürworter sehen darin wohl ein Mittel, eine auf ein Ende
hin fokussierte Gestaltung einer Weiterzählung zu ermöglichen, die
die Fäden der im Vorlagentext erzählten Geschichte aufnimmt.
Zugleich sieht man darin wohl auch ein probates Mittel, ausufernde
Fantasien ein wenig einzuschränken.
Gegen einen solchen Schreibauftrag sprechen vor allem drei
Gründe:
-
Er unterstellt
nämlich, dass eine "gute" bzw. gut erzählte Geschichte, ein Ende
haben muss oder eben irgendwie "abgerundet" endet, ob mit Happy End oder einer finalen Tragödie.
-
Schülerinnen und
Schüler machen in der Schule und bei ihrer privaten Lektüre
Erfahrungen mit ganz unterschiedlichen Textmustern des
Erzählens.
Die Festlegung auf ein bestimmtes
Textmuster,
das eine Geschichte abrundet.
entspricht daher auch in keiner Weise der Vielfalt von Erzählungen
literarischer Vorbilder, die mit "abruptem Anfang, offenem
Schluss, fehlendem Höhepunkt, assoziativer Ausrichtung,
innerem Monolog oder etwa der
erlebten Rede" (ISB
2010, Band II, S.86) daherkommen.
-
Durch die
Verengung auf ein einziges Gestaltungskonzept werden die
personal-kreativen Potentiale erzählenden Schreibens in der
Schule zu sehr eingeschränkt und u. U. auch die
Schreibmotivation herabgesetzt.
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Surfbrett Weitererzählung
▪
Gestaltend
interpretieren
▪ Didaktische
und methodische Aspekte
▪
Überblick
▪
Schreibaufgaben
konzipieren
▪
Umfassende
Schreibaufgaben
▪
Beurteilung, Bewertung
und Benotung ▪
▪
Portfolioarbeit
▪
Erzähltexte gestaltend
interpretieren ▪
Überblick
▪
Einen Erzähltext
weitererzählen
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
28.06.2024
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