Textlinguistisch gesehen stellen ▪
Bildstatistiken
wie die anderen ▪
Darstellungstypen der Infografik auch, ausgehend vom
▪
erweiterten Textbegriff
der
Semiotik,
komplexe Texte dar.
Dieser komplexe
Text schließt auch das Zusammenwirken unterschiedlicher Zeichensysteme
ein. Unter einem Text wird dabei eine Aussageeinheit
verstanden, die
aus sprachlichen und nicht-sprachlichen Elementen bestehen kann.
Dazu gehören auch die
▪
Gestaltungselemente eines Textes
(z. B. ▪
Typo und
▪
Layout).
Bildstatistiken sind also, so betrachtet, komplexe (Text-)Gebilde,
die aus verschiedenen Textteilen bestehen. Sie können als
multimedialer Makrotext
angesehen werden.
Die Vorzüge ▪
bildlicher Darstellungen
in der ▪ Kommunikation gelten
zum Teil ebenso für die Bildstatistik, vor allem wenn sie als Infografik
gestaltet wird, mit der im Bereich der Alltagskommunikation bestimmte
Ziele erreicht werden sollen.
Dabei sind die ▪
kognitiven und kommunikativen
Leistungen von Bild und Text durchaus unterschiedlich, wie die
nachfolgende Gegenüberstellung verdeutlicht.

Die Frage, wie und ggf.
in welcher Reihenfolge die Informationen einer Bildstatistik als Text-Bild-Kommunikat
bzw. als komplexer Text erfasst, ▪
kognitiv verarbeitet
und dabei Bedeutung konstruiert wird, ist im Grunde genommen noch sehr
unklar (vgl. Schnotz
2002).
Empirisch ist mit
diesem Problem mit
wahrnehmungspsychologischen
Methoden nachgegangen.
Dabei hat man mit der
so genannten
Blickaufzeichnungsmethode, mit der Blickbewegungen des Rezipienten beim
Betrachten einer Bild-Text-Kombination bzw.
Sehfläche genau
nachvollzogen werden können, die ▪
Verarbeitung von Text-Bild-Kombinationen bei der Wahrnehmung in drei
größere Bereiche eingeteilt: ▪
globale (inhaltliche) Orientierung, ▪
Detailauswertung
und ▪
konzeptuelle Verarbeitung.
Allerdings erfolgt die Abfolge dieser Schritte nicht
immer nacheinander, auch wenn dies natürlich sein kann. Zugleich muss
man aber auch berücksichtigen, dass die Gestalter*innen von Text-Bild-Kombination bzw. Sehflächen über ein großes Know-how
verfügen,
wie der Blick eines Betrachters und damit seine Aufmerksamkeit gelenkt werden kann.
Dies gehört, soweit es geht, zu rekonstruieren, zur elaborierten ▪
Analyse und Beschreibung auch von Bildstatistiken hinzu, wenn sie
als komplexe Infografik gestaltet sind.
Die Informationen einer Bildstatistik können in vergleichsweise kurzer Zeit aufgenommen
werden. Wenn das, was eine Bildstatistik beinhaltet und aussagt, dagegen in Worte
gefasst werden muss, dauert das nicht nur länger, sondern ist darüber
hinaus auch meistens weniger
verständlich.
Außer der Tatsache, dass
Bilder verglichen mit Text besonders schnell rezipiert werden können,
werden sie auch sehr effizient und in der Kapazität praktisch unbegrenzt
gespeichert. (vgl.
Schweiger 1985, S. 229)
So haben auch auch Bildstatistiken im Vergleich zu Tabellen einen deutlich
besseren ▪ Wiedererkennungswert.
Bildstatistiken fördern wohl bei
der Rezeption ihrer sprachlichen und nichtsprachlichen Elemente durch den
Betrachter das ▪ Zusammenwirken beider
Gehirnhälften, was sich auf die Effizienz der Verarbeitung
auswirket. Allerdings wird die Frage, wie Bilder und damit auch
Bildstatistiken in das
Gedächtnis gelangen, von der Wissenschaft sehr verschieden und zum Teil widersprüchlich
beantwortet. (vgl.
▪
duale Kodierung,
▪
Verarbeitungstiefe)
Die Geschwindigkeit bei der Rezeption hat aber auch
eine Kehrseite. Weil wir Bilder eher holistisch
(=das Ganze betreffend) wahrnehmen, ist der kognitive Aufwand bei
der Wahrnehmung von Bildern im Allgemeinen geringer als bei
schriftsprachlichen Fließtexten, werden auch die verarbeiteten
Informationen sehr viel weniger als sprachliche Mitteilungen
analysiert und kontrolliert. (vgl.
Kroeber-Riel 1985, S. 124)
Das hat zur Folge, dass es bei der Rezeption von Bildern auch
sehr viel leichter ist, "Inhalte an der gedanklichen Kontrolle des Rezipienten »vorbeizumogeln«" (Schierl 2001,
S. 229) Hinzukommt, dass wir offenbar dazu neigen, Bildern im Vergleich zu
Text oder "nackten" Zahlen eine höhere Glaubwürdigkeit zusprechen. Das
wiederum kann zur Folge haben, dass uns damit auch
verdeckte Botschaften gesendet werden, die in unser (Unter-)Bewusstsein
eindringen, ohne dass wir dies merken. Dadurch entsteht also auch
die Gefahr der ▪ Manipulation.
Gerade dieser Aspekt
macht die Analyse von Bildstatistiken - neben ▪
Schreibaufgaben zur Visualisierung von
Zahlen, Werten oder Daten – auch für den Deutschunterricht
unerlässlich. Dieser muss – neben anderen Fächern auch, die auf dieses
Material zurückgreifen – den entsprechenden ▪
Kompetenzerwerb ermöglichen,
mit dem die kritische Auseinandersetzung mit Bildstatistiken gelingen
kann.
Aus diesem Grunde sollte ihre Analyse auch gleichrangig mit der ▪
Analyse kontinuierlicher Sachtexte behandelt werden, die im Bereich
der schulischen Schreibformen aber den Bereich der ▪
Analyse
von Sachtexten (Textanalyse) dominieren. Ein Grund im Übrigen auch,
weshalb teachSam beide Gegenstände systematisch unter dieser
übergeordneten Kategorie erfasst.
Schluss gemacht werden,
muss daher aus didaktischen Gründen, mit einer nahezu ausschließlichen
Rezeptionspraxis von Bildstatistiken im Unterricht als Quellen
"objektiver" Information über Fakten, um nicht eine
fatale
Statistikgäubigkeit zu erzeugen, die in der
Alltagsargumentation leicht bei der ▪
eristischen
Argumentation ausgenutzt werden kann (▪
statistische Argumente)
Um manipulative Techniken bei der
Bildstatistikgestaltung zu erkennen, müssen ihre Bestandteile und die
Gestaltung der Daten genau betrachtet und einer kritischen Analyse
unterzogen werden. Zugleich müssen die Schülerinnen und Schüler
Kriterien entwickeln, welchen Quellen sie eher vertrauen können und
welchen nicht.
In jedem Fall sollte
stets auch die Aussageabsicht des Autors bzw. der Autorin der
Bildstatistik untersucht werden, um die (Text-)Funktion der jeweiligen
Bildstatistik auch angemessen einschätzen zu können.
