Schreiben - ein vielschichtiger Prozess
Schreiben ist ein vielschichtiger Prozess, bei dem vielfältige kognitive
Operationen und psychomotorische Fähigkeiten ins Spiel kommen. So ist es
zunächst einmal auch nichts Außergewöhnliches, wenn man beim Schreiben
eines Textes irgendwann oder auch mehrfach ins Stocken gerät. Etwas
Besonderes ist es also nicht, wenn man Schreibschwierigkeiten hat.
Schreibstörungen sind nichts Außergewöhnliches
Schreiben ist ein vielschichtiger Prozess, bei dem vielfältige
kognitive Operationen und psychomotorische Fähigkeiten ins Spiel
kommen. So ist es zunächst einmal auch nichts Außergewöhnliches,
wenn man beim Schreiben eines Textes irgendwann oder auch mehrfach
ins Stocken gerät.Es gibt aber immer wieder Schreiber/-innen, die
nicht wissen, wie sie aus so einer Schreibblockade herauskommen
sollen. Für sie kann Schreiben zur Qual werden. Sie sehen in der
Schreibblockade meistens ein persönliches Versagen und sehen keine
anderen Ursachen mehr. Was das Schreiben letztendlich blockiert, muss man
allerdings in jedem
konkreten Einzelfall untersuchen, zu vielfältig können die Auslöser
dafür sein.
Aber es gibt eben auch Schreibstörungen, die auf
Problemen beruhen, die mit dem Wissen über das Schreiben an sich,
das eigene Schreibverhalten im Allgemeinen und den jeweiligen
Schreibprozess zusammenhängen. Ursachen solcher
Schreibschwierigkeiten sind also dann
kognitive Störungen beim
Schreiben.
Schreibstörungen sind keine Sprachfehler oder Sprechfehler
Früher glaubte man, dass übliche Probleme beim Schreiben bzw. mit
der Schriftsprache Ausdruck von Störungen der Lautsprache seien
(Wernicke 1886). Wer sich mündlich nicht gut ausdrücken konnte, so
die Annahme, musste zwangsläufig auch Schwierigkeiten beim Lesen und
Schreiben bekommen. An eine für sich allein ausgeprägte
Schreibstörung (Agraphie)
glaubte man schon aus neuroanatomischen Gründen nicht (vgl.
De Bleser 2006,
S.373 f.)
Schreibschwierigkeiten und Schreibstörungen sind grundsätzlich
etwas anderes als die
Sprach-
oder
Sprechstörungen, die als Krankheit diagnostiziert werden können,
wie z. B. Störungen des Sprechens und der Sprache, stottern oder
Entwicklungsstörungen des Sprechens und der Sprache ( »ICD-10,
»ICD-10
online (WHO-Version 2016)
Und selbst der Begriff
Schreibstörung hat als
Agraphie eine
neuropsychologische Bedeutung.
Geht es um Störungen der Schriftsprache - man spricht in diesem
Zusammenhang von
Dyslexien ( z. B.
Oberflächendyslexie,
Tiefendyslexie)
und Dysgraphien
-, mit denen sich z. B. die
»Neuropsychologie und die
»Psycholinguistik befassen. (vgl.
De Bleser 2006)
Schreibschwierigkeiten und Schreibblockaden, wie sie auch die
Schreibdidaktik als
Schreibstörungen beschreibt, haben damit nichts oder eben nur am
Rande zu tun. Schreibschwierigkeiten in diesem Sinne sind also keine
Sprachfehler
oder
Sprechfehler und schon gar keine
Schreibfehler.
Hier geht es um Probleme und Schwierigkeiten, die beim Schreiben
auftreten, ohne dass dafür irgendeine gesundheitliche
Beeinträchtigung oder eine Krankheit verantwortlich sind. Es sind
Probleme,
Schwierigkeiten und
Blockaden
die beim (erfolgreichen) Bewältigen von
Schreibaufgaben "stören" und jeden Schreiber und jede
Schreiberin treffen können. Sie können die
Motivation zum Schreiben, den Beginn, die Fortführung oder die
(erfolgreiche) Beendigung eines
Schreibprozess beeinträchtigen oder den ganzen Prozess
blockieren. Sie bringen einen Schreiber aus dem
Konzept
(seines Schreibens).
Individuelle psychische Faktoren spielen eine Rolle
Für Gisbert Keseling (2004)
sind Schreibstörungen wie bei
Mike Rose (1984/2009) kognitive
Störungen, die meist auf ineffektive Schreibstrategien zurückzuführen
sind. Um sie zu beheben, müssen ineffektive durch effektivere
Schreibstrategien ersetzt werden. (s. auch:
Gegenstrategien)
Dabei sieht er allerdings auch, dass
"die psychische Komponente, wie immer sie im Einzelnen beschafften sein
könnte, bei den meisten Schreibstörungen eine nicht zu unterschätzende
Rolle (spielt)", auch wenn sie "so gut wie nie deren alleinige Ursache"
darstellt. (Keseling 2004,
S.45)
Schreibstörungen bestehen mindestens aus vier Komponenten
Kognitive
Schreibstörungen incl. Schreibblockaden bestehen nach Ansicht von
Keseling (2004) "aus mindestens vier
voneinander unterscheidbaren Teilen (...): Den bobachtbaren Symptomen,
einem häufig schwer definierbaren Gefühl von Unbehagen,
Unzufriedenheit, Ärger oder Frust und den damit meistens verbundenen
negativen Gedanken (...), einem neuralgischen Punkt, oder einer
Schwierigkeit, bei der der Abbruch etc. erfolgt und dem Fehlverhalten, mit Unterlassungen auf der einen Seite und
ineffektiven Aktivitäten auf der anderen Seite." (ebd.,
S.62)

Auch bei Schreibblockaden gilt: Schreiben erfolgt stets unter
Beteiligung von Gefühlen
Auch Mike
Rose (1984/2009) sieht, zumindest in seinen späteren Schriften, dass beim
Schreiben im Allgemeinen und bei Schreibblockaden nicht nur kognitive
Prozesse im Spiel sind, sondern dass stets emotionale und soziale
Aspekte dabei von Bedeutung sind.
Dabei können seiner Auffassung nach
auch Dominanzen auftreten.
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So werden Unlustgefühle, Schreibängste u. U.
auch das Ergebnis des
Schreibprozesses negativ beeinflussen, "z. B.
durch einen nervösen oder langweiligen Stil, die Unfähigkeit, etwas zu
Papier zu bringen oder Prokrastinationsverhalten (Aufschubverhalten) in
extremem Maße." (Girgensohn/Sennewald 2012,
S.45)
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Dabei können, wie Girgensohn/Sennewald im Anschluss an Rose
betonen, solche Reaktionen genauso gut persönlichkeitsbedingt sein wie
von der Schreibsituation (Setting) (Umgebung,
Schreibaufgabe, Thema) abhängen.
Unlustgefühle kontrollieren und zurückdrängen
Es gibt etliche Menschen, denen macht das Schreiben überhaupt
keinen Spaß. Sie vermeiden es, wenn es nur geht. So eine Unlust am
Schreiben ist also keineswegs ungewöhnlich.
Allerdings muss man eben auch einsehen, dass man solche Gefühle
kontrollieren und kanalisieren kann. Das gehört zur allgemeinen
Schreibkompetenz, die eben
verlangt, dass man störende Emotionen wie Unlustgefühle bearbeiten und ggf. zurückzudrängen
kann, wenn das erforderlich ist. (Zielsetzungskompetenz)
Aber das ist eben nicht immer so einfach und gelingt eben nicht jedem und schon
gar nicht auf gleiche Art und Weise.
Schreibblockaden sind ein ernstes Problem
Problematisch wird es für die Betroffenen allerdings, wenn der
Schreibfluss gänzlich verlorengeht. Oftmals schafft man es überhaupt nicht, mit
dem Schreiben anzufangen. Dadurch gewinnt das Schreiben eine Psychodynamik,
die einen ängstigt und blockiert.
Man spricht In einem solchen Fall nach
Rose (1984/2009, S. 4ff., zit. n.
Girgensohn/Sennewald 2012,
S.119) von Schreibblockaden.
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Sie sind der
Fall, wenn
man über einen längeren Zeitraum nicht mit dem Schreiben beginnen oder
es fortsetzen kann.
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Zudem weiß man
überhaupt nicht, was man dagegen tun könnte. Geeignete
Gegenstrategien kennt man
nicht. Es fehlt einem einfach die nötige Schreibkompetenz im
Umgang mit solchen Problemen.
Schreibblockaden
schaffen Schuldgefühle
Wer als Schreiber / -in keine
Möglichkeiten mehr sieht, wie man sich aus einer solchen Blockade
befreien kann, erlebt Schreiben als einen quälenden Prozess.
Zugleich
neigen schreibblockierte Autoren immer wieder dazu, "die Ursachen ihrer
Störung überwiegend in persönlichem Versagen oder Unfähigkeit zu sehen,
die anderen Zusammenhänge aber zu übersehen." (Keseling 2004,
S.69) Das kann dann wieder zu Schuldgefühlen führen, die solche
Blockaden noch verschlimmern.
Alltagstheorien über das Schreiben und der "gesunde
Menschenverstand" helfen meist nicht weiter
Schreiben ist auf zahlreichen Gebieten
anfällig für Störungen.
Wenn es mit dem Schreiben nicht so recht klappt, werden gerne
Alltagstheorien zur Schreibentwicklung herangezogen.
"Man kann es oder kann es eben nicht" (=
Genie-Hypothese)
hört man oft, wenn jemand seinen Frust über das Schreiben loswerden
will. Wer das sagt und vor allem auch glaubt, will sich damit oft
einfach nicht eingestehen, dass er / sie einfach nicht in der Lage
ist, mit dem Schreiben überhaupt anzufangen
oder einen begonnenen Schreibprozess
erfolgreich fortzuführen.
Sicherlich können
solche Schreibblockaden auch auf psychische und/oder emotionale
Störungen hinweisen, die oft erst mit psychotherapeutischer Beratung
überwunden werden können. Trotzdem gibt es auch Schreibblockaden, die
weder dadurch, noch durch mangelnde Schreibfähigkeiten im engeren Sinne
oder einfach zu geringe Schreibmotivation zu erklären sind.
Die Forschung kennt dagegen verschiedene
(kognitive) Ursachen
für Schreibblockaden, die während des Schreibprozesses auftreten.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
11.01.2024
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