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Gleichnis

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Parabel und Gleichnis
Die didaktische Parabel in der Literaturgeschichte

Was versteht man unter einem Gleichnis?

Die Literaturwissenschaft versteht unter einem Gleichnis eine literarische Form, die eine Art erweiterten ▪ Vergleich enthält. Dabei ähneln bestimmte Gleichnisse, die den Sachbereich nicht neben den Bildbereich stellen, also nicht eine bestimmte Deutung des Bildbereichs vorgeben, den traditionellen ▪ Parabeln.

Vergleich wie Gleichnis und ▪ Parabel stellen dabei über ein vergleichbares Drittes, das den beiden Bereichen, die miteinander verglichen werden, gemeinsam ist, eine Beziehung her. Dieses Dritte, das auch etwas zu sehr fokussierend Vergleichs"punkt" genannt wird, wird gemeinhin als ▪ tertium comparationis bezeichnet.

Der ihnen zugrunde liegende Vergleich basiert auf der Grundformel:

[X] ist so [f] wie [Y]

Sie hat Haare wie Gold. - Dieses Auto kommt daher wie ein lackierter Kampfhund.

Konstitutiv für diese vergleichende Analogie sind Vergleichspartikel (wie) und der gemeinsame Vergleichs- bzw. Berührungspunkt (das tertium comparationis).

Der Vergleich kann in einem Gleichnis auf zwei unterschiedliche Arten erweitert werden. (Zymner 2006, S.306)

  • Eines der Basisglieder ([X], [f] oder [Y]) kann "durch die statische Beschreibung oder Aufzählung weiterer Details" ausgebaut werden.
    (Bsp.: Er saß da wie ein Häufchen Elend, das die Welt für alles verantwortlich machte, was ihm widerfahren war.)

  • Eines der Basisglieder kann durch die Erzählung einer Handlung oder eines Geschehens erweitert werden.
    (Bsp.: Dieses Auto kam daher wie ein lackierter Kampfhund. Sein Besitzer hatte offenbar alle Register des Autotunings gezogen und den Sportwagen mit einem quer über die Haube lackierten Nummernstreifen mit einer Zwölf in der Mitte vertiert. Außerdem dröhnte der Auspuff in einem tiefen Sound, als sein Fahrer nach dem Abbiegen an der nächsten Ecke, sein Auto offenbar deutlich beschleunigte. ...")

Liegt der letztgenannte Vergleichstyp mit seiner narrativen Erweiterung in einem Gleichnis vor, dann ist es einer Parabel jedenfalls sehr ähnlich, zumal beide ja kurze erzählende Texte (epische Prosa) sind. Um sie voneinander zu unterscheiden, müssen dann weitere Merkmale herangezogen werden.

Gleichnis und Parabel: Unterschiedliches Verhältnis zur Wirklichkeit

Um den Unterschied zwischen einem Gleichnis und einer Parabel herausarbeiten zu können, ist auch ein Blick auf ihr unterschiedliches Verhältnis zur Wirklichkeit hilfreich. Das Verhältnis des Erzählten zur Wirklichkeit ist nämlich bei den beiden literarischen Formen ein anderes.

  • Das Gleichnis kann man dagegen als "hypothetisch-fiktional" bezeichnen, weil seine Geschichte "immer Signale des bloß Erdachten, Vorgestellten auf(weist)" (Zymner 2006, S.306).

    Der hypothetische Charakter zeigt sich dabei u. a.

    • mit ganz expliziten Formulierungen wie "Nehmen wir mal an ...", "Angenommen, ...", "Stellen wir uns also einmal vor" oder auch ein einfaches: ▪ "Höret zu! Siehe ...").

    • durch den häufigen Gebrauch des Konjunktivs

    • durch die Verwendung des Präsens als Basistempus" ihres Erzählens (vgl. ebd.)

  • Die Parabel ist im Gegensatz zum Gleichnis ein episch-fiktionaler Text. Das bedeutet, etwas vereinfacht ausgedrückt,

    • dass die Geschichte, die in einer Parabel erzählt wird, so erzählt ist, als ob sie in Wirklichkeit stattgefunden hat (Als-ob-Wirklichkeit)

    • dass sie das erzählte Geschen als "vollkommen vergangenes" Geschehen darbietet und sich dabei normalerweise des Präteritum als dem üblichen Erzähltempus bedient (vgl. Zymner 2006a, S.306)

Die engere Textsortenverwandtschaft: Gleichnis - Allegorie - Parabel - Fabel

In deren Gattungsgeschichte jedenfalls wird lange Zeit zwischen Gleichnis und Parabel eigentlich kein Unterschied gemacht.

Davon zeugen die verschiedenen biblischen Gleichnisse, die auch als biblische Parabeln ( z. B. ▪ Gleichnis vom verlorenen SohnGleichnis vom Sämann) bezeichnet werden. Eigentlich ist es erst ▪ Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781), der mit  wird mit Lessings seinem Text "Eine Parabel"  um 1778 als eigenständige literarische Gattungin  Deutschland etabliert.

Bis heute gestaltet sich die Abgrenzung der verschiedenen literarischen Formen uneigentlichen Sprechens jedenfalls schwierig, wenn sie zu einer wirklich hilfreichen Textsortenklassifikation führen soll. Und auch einschlägige Handbucheinträge können da mitunter nicht recht weiterhelfen, wenn z. B. betont wird, dass ein Gleichnis  zur "Verdeutlichung von Gedanken, »Wahrheit«, Moral, Lehrsatz u. ä." diene (Best 1994, S.205).

Wird die Doppelstruktur von Bildbereich und Sachbereich herangezogen, die im Kern bedeutet, dass das im Text Erzählte oder Dargestellte (= Bildbereich oder Bildhälfte) auf einen bestimmten Sachbereich (auch Sachhälfte) bezogen werden soll, dann sollen damit wesentliche Unterschiede bei der ▪ Sinnkonstruktion durch den Leser bei beiden Formen hervorgehoben werden.

Bei einem Gleichnis stehen, wie zumindest seit »Friedrich Hegels (1770-1831) Ausführungen über das Gleichnis immer wieder herausgearbeitet wird,  oft Bild- und Sachbereich quasi nebeneinander im Sinne einer Vergleichsbeziehung, oft ausgedrückt, durch Vergleichspartikel (So ... Wie). Die Deutung vor allem biblischer Gleichnisse ist dabei meistens vorgegeben und soll dafür sorgen, dass das Gleichnis auch so verstanden wird, wie es der Autor/Erzähler auch verstanden wissen will.

Aber auch für ▪ Gleichnisse von Jesus hat man lange betont, dass sie selbst dann, wenn sie quasi dekontextualisiert ("in verstümmelter Form" als "abgekürztes Gleichnis") überliefert worden sind, keine poetische, sondern eine zumindest dominante rhetorische Funktion besäßen, die dem Leser keinen Spielraum bei der Deutung lasse. (vgl. ▪ Jülicher 1910)

Bei der ▪ Parabel  hingegen steht der Bildbereich für sich und verweist auf das Gemeinte, das vom Leser in einem mehr oder weniger klar vom Text gesteuerten Übertragungsprozess erst erschlossen werden muss.

Anders als bei der Allegorie müssen bei einem Gleichnis aber nicht möglichst viele Elemente über ein tertium comparationis miteinander in Beziehung gesetzt werden, sondern bei einem Gleichnis reicht aus, wenn es ein einziges Vergleichsmoment gibt, das für die Übertragung in den Sachbereich wesentlich ist. (vgl. Metzler Literaturlexikon 1990, S.182)

Insgesamt gesehen war die Textsortenverwandtschaft von Gleichnis und Parabel eigentlich von Anfang an gegeben, die Abgrenzung gegenüber der Allegorie wohl auch nie eindeutig und mit dem Herausarbeiten von Unterschieden zur Fabel haben sich in der Vergangenheit Heerscharen von Autorinnen und Autoren beschäftigt. (vgl. Dithmar 1982). Und in der Moderne sind auch die Grenzen selbst gegenüber der Kurzgeschichte und der Novelle durchlässiger geworden, so dass man sich mitunter fragen kann, welchen Sinn normative Gattungsbegriffe mit festgeschriebenen Textsortenmerkmalen überhaupt noch machen, selbst wenn man ihnen unter literaturdidaktischem Vorzeichen noch eine gewisse Orientierungsfunktion auch bei der Kontextualisierung von Texten einräumt.

Die literaturdidaktische Relevanz der Textsortenabgrenzung

Unter literaturdidaktischem Aspekt beschränkt sich jedenfalls die Frage nach der genauen Abgrenzung der Textsorten auf die Frage, ob die Beschäftigung mit solchen Problemen den allgemeinen pädagogischen und didaktische Zielen dient, ob die Schülerinnen und Schüler damit also ein vertiefteres Verständnis der Texte und unterschiedliche Zugänge zu ihrem Verständnis eröffnet werden können.

Die Antwort darauf ist nicht einfach, muss aber letzten Endes, auch wenn dies hier weit weg zu führen scheint, beantworten, ob die Beschäftigung mit solchen Fragen im Literaturunterricht der angestrebten ▪ literarischen Rezeptionskompetenz wirklich dient.

Mit einem einfachen Abgleich von idealtypischen Merkmalen, die man irgendwelchen Zusammenstellungen entnimmt, die oft ihrem normativen Anspruch angesichts der Formenvielfalt in Frage kommender Texte nicht gerecht werden, ist es jedenfalls nicht getan, zumal damit oft nur wenig Impulse für die ▪ Sinnkonstruktion durch den Leser und damit die  Interpretation von Texten gewonnen ist, die sich durch Uneigentlichkeit auszeichnen.

So nimmt man wohl auch im Falle des Gleichnisses am besten vergleichbare Prototypen zur Hand, wenn es darum geht, die Anzahl und das Ausmaß der Ausprägung bestimmter Textsortenmerkmale herauszuarbeiten. Und auch bei ihnen gilt: In einer multikulturellen Gesellschaft muss auch die Beschäftigung mit (biblischen) Gleichnissen in der Schule davon ausgegangen werden, dass vielen Schülerinnen und Schülern der religiöse Hintergrund fehlt, um das hinter den Gleichnissen stehenden Welt- und Menschenbild als Schlüssel zum Verständnis dessen zu nehmen, was in einem Gleichnis "eigentlich" gemeint ist. Voraussetzungslos ist das Verständnis von Gleichnissen dieser Art also heute keineswegs.

Parabel und Gleichnis
Die didaktische Parabel in der Literaturgeschichte

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 09.11.2020

 
 

 
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