Wir sind eigentlich
immer "aktiv"
Normalerweise
sind wir Menschen immer aktiv, d. h. unsere Wahrnehmung kommt eigentlich,
solange wir leben, nicht zum Stillstand und selbst im Schlaf sind wir noch
in der Lage Reize aus unserer Umwelt wahrzunehmen. Man nennt diese Art
Wahrnehmung zyklisch, da sie andauernd
stattfindet und nicht erst, wenn ein bestimmter Reiz auf unser
Sinnessystem einwirkt. Käme unsere Wahrnehmung erst dann in Gang, würden
wir die Information linear
verarbeiten. (vgl.
Campbell/Reece 2003, S.
1264) Während wir also auch einfach nur so dasitzen, verhalten wir uns
unserer Umwelt gegenüber explorativ, d. h.
"im Hintergrund" aber unser Gehirn ständig mit unserer Sensorik zusammen,
auch ohne dass wir uns auf etwas bestimmtes konzentrieren.
Unsere Wahrnehmung ist
selektiv
Wir nehmen nicht alles wahr, was um uns herum geschieht.
Stattdessen
suchen wir uns jene Informationen der Umwelt aus, die uns wichtig
oder interessant erscheinen. Die Selektivität
ist daher ein wesentliches Kennzeichen unserer Wahrnehmung.
Dass
Wahrnehmung ein zielgerichteter und dynamischer Vorgang
ist, bei
dem die Rezipienten aktiv beteiligt und nicht einfach von Reizen
passiv "fremdgesteuert" sind, macht schon die Auswahl sichtbar, die jeder
einzelne aus der Menge auf ihn einwirkender Informationen vornimmt bzw.
vornehmen muss.
Die
Auswahl (Selektion),
die der einzelne dabei vornimmt, ist von seinen individuell ausgebildeten
Prädispostionen (z. B.
Interessenlage, Geschlecht, Alter, spezielle Produktinteressen,
bestimmte körperliche Befindlichkeiten wie Hunger, Durst usw.) und von
externen
Reizen mit einem hohen Aktivierungspotential abhängig.
Was
uns also als Reiz unserer Umwelt erreicht, ist kein passives Erwarten,
sondern ein aktives Entdecken der Umwelt. Was wir dabei entdecken, ist
Ergebnis unserer Aufmerksamkeit, die sich auf Interessantes in der Umwelt
richtet. So definiert
Bruce E. Goldstein (2002,
S. 132) den Begriff Aufmerksamkeit als einen "Prozess der Auswahl
und der aktiven Zuwendung".
Aufmerksamkeit bei der Wahrnehmung wird in diesem Falle stets als
selektive Aufmerksamkeit verstanden, die unseren
Aufmerksamkeitsfokus bestimmt. Da
der Begriff Aufmerksamkeit allerdings nicht einheitlich
definiert ist, kann man
allerdings auch von einem erweiterten Aufmerksamkeitsbegriff ausgehen, der
verschiedene ▪ Formen bzw. Aspekte von Aufmerksamkeit
umfasst (ungerichtet, gerichtet, längerfristig, geteilt).
Aufmerksamkeit
sorgt dafür,
-
dass bei der
Aktivierung für
bestimmte Reize sensibilisiert wird und die Bereitschaft zur Verarbeitung von
subjektiv weniger relevanten Reizen sinkt
-
dass nur die Reize, die für den Rezipienten relevant sind, als
Informationen verarbeitet werden
-
dass die beschränkten kognitiven Ressourcen des Menschen, je nach
Relevanz und Interessenlage des Rezipienten und anderer
kontextabhängiger Notwendigkeiten, auf einen oder mehrere Reize bzw.
Aufgaben verteilt werden (also keine Flaschenhals- oder
Ein-Kanal-Vorstellung) (vgl.
Schierl
2001, S.84f.)
Nach
Steffenhagen (1984, S.86)
wird Aufmerksamkeit
definiert als
"momentane, bewusst selektive (»interessierte«) Zuwendung einer Person zu
einem dargebotenen Reiz oder Reizbündel".
Der bewussten Aufmerksamkeitsreaktion geht eine vergleichsweise kurze
Orientierungsreaktion voraus, die als eine Art vorbewusster Reizauswertung
fungiert und zu einer Reihe von psychologischen und physiologischen
Veränderungen führt.
Diese können sich auf verschiedene Art und Weise äußern
(erhöhte Sensibilität, allgemeine oder spezifische Veränderungen der
Muskulatur, veränderte elektrische Hirnaktivitäten, Veränderungen in der
Hautleitfähigkeit und der Herzschlagsfrequenz). Die
Aufgabe der
Orientierungsreaktion besteht dabei darin, den Organismus auf
einen auftauchenden Reiz einzustellen bzw. das
Informationsverarbeitungssystem für diesen Reiz zu sensibilisieren.
Ausgelöst wird die Orientierungsreaktion vor allem durch die so
genannten unthematischen Eigenschaften eines Reizes. Dazu zählen: Farbe,
Intensität. Größe, Neuartigkeit und Ungewissheit.
Grundsätzlich kann man allerdings vorbewusste und bewusste Reizauswertung
nicht scharf voneinander abgrenzen, "da sich das alles in einem
Verhaltenskontinuum abspielt und die Vorgänge ohne Zäsur ineinander
übergehen (Steffenhagen
1984, S. 81,
Kroeber-Riel/Weinberg 1999,
S. 62)" (Schierl
2001, S.89)
Aus diesem Grund spricht einiges dafür, den
Begriff Aufmerksamkeit als
Oberbegriff anzusehen. In diesem Sinne lassen sich die Begriffe
Aufmerksamkeit zur
Bezeichnung der psychischen und
Aktivierung zur Bezeichnung
der physischen Variablen verwenden (vg. ebd.)
Bevor jedoch die Orientierungsreaktion ausgelöst wird, kommt es zu
einer vorbewussten Reizauswertung, "die sämtliche in die Gesichtssinne
fallenden Reize in einem Filtersystem überprüft und nach Auffälligkeiten
untersucht." (Schierl
2001, S.88) Das Ergebnis dieser ersten vorbewussten
Reizauswertung wird als Anmutung bezeichnet.
Sie stellt "eine erste
diffuse, gefühlsmäßige Interpretation des Reizes" dar und verteilt und
bemisst "Sympathie und Antipathie, Interesse und Desinteresse gegenüber
der Botschaft." (ebd.) Die Anmutung "prädisponiert den Empfänger
emotional" ebenso wie sie "seine weitere Wahrnehmung organisiert und
aktiviert" (ebd.) Sie löst die Orientierungsreaktion dann aus, wenn die
Art der Anmutung darauf schließen lässt, dass es sich bei dem Reiz um eine
subjektiv wichtige Nachricht handelt.
Das "Geschäft" mit
Aufmerksamkeit: Werbung
▪
Werbung
kommt ohne die
▪
Produktion von Aufmerksamkeit
kaum zum Ziel, denn ihr Erfolg hängt in hohem Maße von der klar umrissenen Werbebotschaft eines
Plakats, einer
▪
Werbeanzeige oder eines Werbespots, der zunächst einmal wahrgenommen
werden muss.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
17.12.2023
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