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Literaturepoche Jakobinismus (1789-1796) - Textauswahl

Über das Recht des Volkes zu einer Revolution 

Johann Benjamin Erhard (1794)


FAChbereich Deutsch
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Unter einer Revolution des Volks ließe sich nichts anders denken, als dass sich das Volk durch Gewalt in die Rechte der Mündigkeit einzusetzen und das rechtliche Verhältnis zwischen sich und den Vornehmen aufzuheben suchte. Der Begriff, den wir von einer Revolution oben überhaupt gaben, war, dass sie eine Umwälzung der Grundverfassung eines Staats sei; wird nun durch den Beisatz des Urhebers einer Revolution dieselbe näher bestimmt, so muss die Änderung der Verfassung zugunsten der Revoltierenden unternommen werden, und eine Revolution des Volks kann also keinen andern Zweck haben, als die Grundverfassung zugunsten des Volks umzuändern. Man muss hier eine Revolution des Volks von einer Revolution, die nur vermittelst des Volks durchgesetzt wird, unterscheiden. Im letztem Falle kann das Volk aus Unwissenheit oder durch Täuschung sogar zu seinem Nachteil revoltieren, aber man kann dann auch nicht sagen: das Volk fing eine Revolution an, sondern nur: das Volk ließ sich zu einer Revolution gebrauchen. Noch weniger darf eine Revolution des Volks, die als solche auf die Umänderung der konstitutionellen Rechte des Volks geht, mit einer Rebellion, wo nur den Gebietenden der Gehorsam verweigert wird, ohne deswegen eine Änderung der Regierung selbst zu bezwecken, oder mit einer Insurrektion, die nur die Abschaffung einzelner drückenden Rechte, Herkommen oder Anmaßungen der Regierung zum Zweck hat, verwechselt werden. Da bei einer Revolution überhaupt nicht nach dem äußern Recht entschieden werden kann, welches wider jede Revolution ist, aber die Moral als die höchste Instanz, vor der es sich selbst zu verantworten hat, anerkennen muss, so kann auch bei einer Revolution des Volks die Sache nicht rechtlich entschieden werden. Eine Revolution überhaupt wird aber dadurch moralisch gebilligt, wenn nur durch sie die Menschenrechte können geltend gemacht werden, und also auch eine Revolution des Volks. Das Menschenrecht aber, das dem Volke kollektive zukommt, ist kein anderes als das Recht zur Aufklärung; denn die andern sind persönlich und hängen ihrem Einfluss auf eine Revolution nach alle von der Aufklärung des Volks ab. Die Unmündigkeit eines Volks ist aber selbstverschuldet, und insoferne tut es nie recht, deswegen zu revoltieren, um sich dafür, dass es als unmündig behandelt worden, zu rächen; aber da es diese Verschuldung dadurch gutmachen soll, dass es seine Nachlässigkeit durch eigene Anstrengung wieder ersetzt, so kann es die Mittel fordern, die es bedarf, um sich mündig zu machen. Will man also das Volk hindern, sich aufzuklären, so tut es recht, sich zu erheben, und wenn diese Hindernisse aus der Konstitution entspringen, die Konstitution aufzuheben. Alle äußern Vorzüge der Vornehmen in Glücksgütern, die nicht durch das bloße Vornehmsein erworben sind, berechtigen nicht zu einer Revolution, denn sie entziehen als solche den Menschenrechten nichts, sondern nur diejenigen Vorzüge, die mit den Äußerungen der Menschenrechte im Widerspruch stehen. Wenn die Arbeiten des Volks so drückend sind, dass ihm gar keine Zeit gelassen wird, etwas Menschliches zu unternehmen, sondern alles vielmehr angelegt wird, es in der Stupidität eines Lasttiers zu erhalten, so hat es das Recht zu einer Revolution. Es wird sich aber dieses Rechts nicht leicht zu bedienen wissen, und die Vornehmen wären sicher, wenn der Mensch nur Gefühl für Recht und nicht auch für Religion hätte. Ein solches Volk lässt Gott auf dem Wege der Religion aus der Dienstbarkeit führen. -
Bei dem Volk ist eine Revolution allezeit politisch möglich, und alle Betrachtungen, inwieferne die politische Möglichkeit selbst zur Rechtmäßigkeit einer planmäßigen Revolution erfordert wird, fallen bei dem Volke weg. Das Volk kann allezeit eine Revolution durchsetzen, ohne deswegen allezeit recht zu haben. Es kann aber nicht leicht geschehen, dass das Volk revoltiere, ohne recht zu haben, denn es kann nicht als Volk revoltieren, ohne einstimmig zu sein, und diese Einstimmigkeit ist nur durch klare Einsicht in die Notwendigkeit der Revolution möglich, die nie ohne das Gefühl seiner Rechte bei dem Volke möglich ist. Sich über Grundsätze zu verständigen, ist eine Sache, die bisher den Philosophen nicht gelungen ist, und sich also gar nicht vom Volk erwarten lässt. Da aber doch zur Einstimmung erfordert wird, dass man von allgemeingeltenden Prinzipien ausgehet, so kann das Volk, wenn es einstimmig handelt, nur von der moralischen Natur des Menschen oder vom Gefühl für Recht ausgehen. Die Geschichte, soweit ich sie kenne, dürfte aber schwerlich noch ein Beispiel einer Revolution des Volks als selbsttätig, nicht als nur dazu gebraucht, aufzuweisen haben.
Insoferne jedes Volk unaufhaltsam seiner Mündigkeit entgegengeht, insoferne bereiten sich alle Völker zu einer Revolution vor. Es ist aber möglich, dass sich die Verfassungen den verschiedenen Graden von Mündigkeit anpassen und dadurch eine eigentliche Revolution verhüten, so dass alles nach und nach geschieht und unvermerkt die Verfassung ihre richtige moralische Form erhält. So, wie man von dem Volke sagen kann, dass es seine Unmündigkeit verschuldet habe, so kann man auch von der Regierung sagen, dass sie jede Revolution verschuldet habe., weil sie sich nicht der Mündigkeit anpasste oder die Menschenrechte in dem Grade respektierte, als sie das Volk kennen lernte. Es lässt sich auch der Fall denken, dass die Aufklärung bei den Vornehmen sinkt und bei dem Volke steigt. Dies muss dann notwendig das Volk gegen die rechtlichen Verhältnisse, die nun gar keinen Grund mehr haben, empören und den Sturz der Verfassung nach sich ziehen, ohne dass das Volk zur bürgerlichen Freiheit reif ist. [...] Bliebe das Verhältnis der Aufklärung zwischen den Vornehmen und dem Volke immer gleich, so könnte nie eine Revolution des Volkes entstehen, höchstens eine durch das Volk, das von den Vornehmen dazu gebraucht würde.
Solange also die Vornehmen das Volk an der Aufklärung nicht hindern und doch durch das Übergewicht ihrer Aufklärung ihre Überlegenheit behaupten, solange gibt es keine Revolution des Volks. Dies ist aber nicht für immer möglich, weil die Aufklärung eine Stufe hat, über welche zwar die Fortschritte in Weisheit und Wissenschaft ins Unendliche möglich sind, wo aber die Aufklärung als vollendet anzusehen ist und das Reich der Dummheit seine letzten Grenzen hat; und diese Stufe ist: gänzliche Kenntnis der Menschenrechte. [...]
Die Aufklärung hat nicht den Zweck, ein Volk glücklich, sondern es gerecht zu machen. Die Staatsverfassung soll nicht Glückseligkeit, sondern Gerechtigkeit hervorbringen. Durch keine Revolution kann Glückseligkeit, sondern nur Gerechtigkeit bewirkt werden. Ein Volk, welches wünscht, dass es ihm so gut gehe als den Vornehmen unter ihm, ist nur neidisch, aber nicht aufgeklärt. Ein aufgeklärtes Volk verlangt, nur der Würde der Menschheit gemäß behandelt zu sein. Ein Volk, das die Vornehmen zu stürzen sucht, ist nur rachgierig, aber nicht aufgeklärt. Ein aufgeklärtes Volk erhebt sich zur höchsten Würde, zur Würde seines moralischen Wesens, und von dieser Stufe kann es nicht mehr herabgestürzt werden, und es freut sich, je mehrere diese Stufe mit ihm ersteigen. [...]

(aus: Johann Benjamin Erhard: Über das Recht des Volks zu einer Revolution und andere Schriften, Jena u. Leipzig 1795. Zit. nach: Was ist Aufklärung? Thesen und Definitionen, hg. v. Ehrhard Bahr, Reclam jun. Stuttgart 1974, S.44-51)

* Johann Benjamin Erhard (1766-1827); Arzt in Nürnberg; deutscher Anhänger der Französischen Revolution; unterstützt als Vertreter des deutschen Jakobinismus die jakobinische Diktatur des Wohlfahrtsausschusses 1793/94 und plant mit anderen deutschen Jakobinern die Gründung einer Republik in Süddeutschland. Erhards Buch ist 1795 erschienen, wurde aber schon im selben Jahr in Leipzig, München und Wien verboten. Nach dem Scheitern seiner politischen Ziele zunächst Pläne nach Amerika auswandern, stirbt 1827 als Arzt in Berlin. Erhard gehört wie der Leipziger Staatsrechtler Johann Adam Bergk zur Richtung eines "philosophischen Jakobinismus", die das Recht des Volkes zu einer Revolution mit dem Naturrecht begründet haben, jede Verfassungsänderung von oben ablehnten und verlangten, dass die freien Staatsbürger die Menschenrechte eigenständig politisch umsetzen. (vgl. Grab 1984, S.36)
 

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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 23.12.2023

 
   Arbeitsanregungen:
  1. Arbeiten Sie die Position Erhards zu Aufklärung und Revolution heraus.
  2. Vergleichen Sie die Position des mit den Jakobinern sympathisierenden Erhard mit der von Immanuel Kant in dessen Text: Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung (1784).
  3. Wodurch unterscheiden sich Revolution, Rebellion und Insurrektion nach Ansicht Erhards? (vgl. Grundbegriffe der Geschichte: Revolution)
 
 
 

 
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