teachSam- Arbeitsbereiche:
Arbeitstechniken - Deutsch - Geschichte - Politik - Pädagogik - PsychologieMedien - Methodik und Didaktik - Projekte - So navigiert man auf teachSam - So sucht man auf teachSam - teachSam braucht Werbung


deu.jpg (1524 Byte)

 

Philipp Jenninger: Rede am 10.11. 1988 zum Gedenken an die Reichspogromnacht 1938

Erlebte Rede - eine "gefährliche Form

Die Sicht des Literaturwissenschaftlers Jochen Vogt

     
FAChbereich Deutsch
Glossar Schreibformen Schreibformen in der Schule
Überblick Didaktische und methodische Aspekte Texte zusammenfassen SACHtexte analysieren (Textanalyse) ▪ Didaktische und methodische Aspekte ▪ Überblick Kontinuierliche Sachtexte analysierenDidaktische und methodische Aspekte Quickie für EiligeÜberblick Aspekte der Schreibaufgabe Schreibaufgaben [ Politische Reden analysieren Überblick Fragenkatalog zur systematischen Analyse Textauswahl Bausteine ] Textauswahl Bausteine ▪ Diskontinuierliche Sachtexte analysieren Beispiele Textauswahl Häufig gestellte Fragen ▪ Texte erörtern (Texterörterung) Texte interpretieren (Textinterpretation) ▪ Materialgestütztes Schreiben Offizielle Briefe schreibenErzählen Berichten Beschreiben SchildernErörtern: Erörterndes Erschließen und Schreiben Einen Essay schreiben Kreativ schreiben Sonstige schulische Schreibformen Operatoren im Fach Deutsch
  

docx-Download - pdf-Download

Bertram, Jochen: Ein würdiges Gedenken, 1988
Dönhoff, Marion Gräfin: Ein verfehltes Kolleg, 1988
Erlebte Rede - eine "gefährliche Form" - Die Analyse des Literaturwissenschaftlers Jochen Vogt - 1990

Unter Bezugnahme auf den nachfolgenden Auszug aus der ▪ Rede Philipp Jenningers 1988 bemerkt Jochen Vogt (geb. 1943) zwar, dass die damals herrschende "Allparteienempörung" über die Äußerungen zwar kaum mehr nachvollziehbar sei, aber erzähltechnisch erklärbar bliebe.

Dabei beruft er sich auf Roy Pascal (1977, S.136), der im Zusammenhang mit der manchmal schwer vorzunehmenden Abgrenzung von Erzählerstimme und Figurenstimme betone, dass die erlebte Rede in nichtfiktionalen Texten eine "gefährliche" Form sei. Denn anders als in einem fiktionalen literarischen Text erfordere der nichtfiktionale Text die klare Unterscheidung dieser Stimmen voneinander.

Auszug aus der Rede des damaligen Bundestagspräsidenten Philipp Jenninger anlässlich des 50-jährigen Gedenkens an die Reichspogromnacht 1938:

»Hitlers Erfolge diskreditierten nachträglich vor allem das parlamentarisch verfasste, freiheitliche System, die Demokratie von Weimar selbst. Da stellt sich für sehr viele Deutsche nicht einmal mehr die Frage, welches System vorzuziehen sei. Man genoss vielleicht in einzelnen Lebensbereichen weniger individuelle Freiheiten; aber es ging einem persönlich doch besser als zuvor, und das Reich war doch unbezweifelbar wieder groß. ja, größer und mächtiger als je zuvor. - Hatten nicht eben erst die Führer Großbritanniens. Frankreichs und Italiens Hitler in München ihre Aufwartung gemacht und ihm zu einem weiteren dieser nicht für möglich gehaltenen Erfolge verholfen? Und was die Juden anging: Hatten sie sich nicht in der Vergangenheit doch eine Rolle angemaßt - so hieß es damals -, die ihnen nicht zukam? Mussten sie nicht endlich einmal Einschränkungen in Kauf nehmen? Hatten sie es nicht vielleicht sogar verdient. In ihre Schranken gewiesen zu werden? Und vor allem: Entsprach die Propaganda - abgesehen von wilden, nicht ernst zu nehmenden Übertreibungen - nicht doch in wesentlichen Punkten eigenen Mutmaßungen und Überzeugungen?«

Die erzähltechnische Erklärung für die so genannte "Allparteienempörung", die zum Rücktritt Jenningers führte, sieht Vogt (1990, S.177) zumindest auch in einer "Fehlrezeption, derjenigen, die den Redner hernach so scharf kritisierten."

"Für Erzähltheoretiker" sei es keine Frage: "Der Sprecher hat jene Bewussteinshaltung Dritter Personen in regelrechter erlebter Rede wiedergegeben, deutlich erkennbar an der Reihung rhetorischer Fragesätze, an typischen Interjektionen und einem zusätzlichen verbum dicendi. Diese Form sollte wahrscheinlich jene Gedanken eindrücklich und authentisch machen, als 'Volkes Stimme' wirken lassen."

In Wirklichkeit hätten aber die meisten Zuhörer entgegen der Absicht Jenningers diese Passagen "dem Redner selbst zugeschrieben und als Rechtfertigung der beschriebenen Einstellung gedeutet." Die Ursache dieses Rezeptionsfehler bestand demnach darin, "die erlebte Rede nicht als Personenrede erkannt zu haben". (S.177)

So mündet denn auch Vogts Urteil über den Vorfall und Redner darin, dass Jenninger "durch Verwendung der fiktionalisierenden Technik in einem Text, welcher der Kommunikationssituation nach öffentliche Rede, der Sache nach Geschichtsschreibung war, Missverständnis provoziert hat." Denn, so führt er sinngemäß fort, seien solche syntaktisch-stilistischen Formen, wenn sie mündlich vorgetragen würden, noch bedeutend schwerer zu erkennen. (vgl. Vogt 1990, S.177f., Anm.22)

docx-Download - pdf-Download

Bertram, Jochen: Ein würdiges Gedenken, 1988
Dönhoff, Marion Gräfin: Ein verfehltes Kolleg, 1988
Erlebte Rede - eine "gefährliche Form" - Die Analyse des Literaturwissenschaftlers Jochen Vogt - 1990

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 17.12.2023

 
   Arbeitsanregungen:
  1. Arbeiten Sie heraus, worauf Vogt die Allparteienempörung über die ▪ Rede Philipp Jenningers 1988 zurückführt.

  2. Nehmen Sie zu diesen Auffassungen Stellung.

 
 

 
ARBEITSTECHNIKEN und mehr
Arbeits- und ZeitmanagementKreative ArbeitstechnikenTeamarbeit ▪ Portfolio ● Arbeit mit Bildern  Arbeit mit Texten Arbeit mit Film und VideoMündliche KommunikationVisualisierenPräsentationArbeitstechniken für das Internet Sonstige digitale Arbeitstechniken 
  

 
  Creative Commons Lizenzvertrag Dieses Werk ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International License (CC-BY-SA)
Dies gilt für alle Inhalte, sofern sie nicht von
externen Quellen eingebunden werden oder anderweitig gekennzeichnet sind. Autor: Gert Egle/www.teachsam.de
-
CC-Lizenz